Weihnachten Das große Gemetzel

Es gab Zeiten, da stand in meinem Elternhaus eine Weihnachtsgans auf dem Festtags-Menü-Plan. Nachdem die Frage geklärt war, wo die Gans ihren Bauch und ihren Rücken hat, schmorte sie, wie es sich für eine Gans gehört, bis zum Wohlriechen und Wohlschmecken in der Röhre.

Weihnachten: Das große   Gemetzel
Foto: SZ/Robby Lorenz

Nun hatte mein Patenonkel seinen Auftritt: Grand seigneur, sicher auch im Umgang mit Tranchierbesteck. Formschön zerlegt, auf der Platte komponiert, die Bruststücke, die Schenkel, die Keulen, die Flügel. Jahre später kann mein Patenonkel nur noch von oben zusehen. Eine Gans kommt an Weihnachten dennoch in den Bräter. Inzwischen im Schwiegerelternhaus. Nachdem die Frage geklärt ist, wo sich ihr Bauch und ihr Rücken befinden. Das gerupfte Federvieh schmort wie gewohnt liebevoll bestrichen und begossen bis zur vollendeten Geschmacksreife. Onkel-Ersatz (den Namen hüllen wir in Schweigen) steht bereit. Mit Tranchierbesteck. Setzt an, setzt ab. Schaut auf die ausgedruckte Anleitung: So zerlege ich eine Gans. Schritt 1: „Gans auf den Rücken legen, mit der Gabel fixieren, die Flügel nah am Körper rundum einscheiden, dann das Gelenk zertrennen.“ In den nächsten Schritten werden weitere Gelenke auseinandergenommen, durchschnitten. Onkel-Ersatz setzt an, setzt ab. Sein Messer dringt ins Fleisch ein, kommt nicht durch, kaum noch raus. Verkürzen wir jetzt drastisch: Das Tranchierbesteck fliegt irgendwann in die Ecke. Alle Klingen aus dem Messerblock dürfen sich ausprobieren. Zudem surrt die elektrische Schneide. Auf der Platte sammeln sich Fleischfetzen. Knochentrümmer. Das Gemetzel ist vorbei. Sie ahnen, was nicht mehr auf den Tisch kommt an Weihnachten. . .

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