Das Ende von R 370

Neunkirchen · Die SZ hat als Chronist in den vergangenen Monaten Vogelzüchter, Rosenzüchter, Sänger oder Heimatfreunde in ihrer traditionell-organisierten Form verabschiedet – die Vereine haben sich aufgelöst. Folge des demografischen Wandels und gesellschaftlicher Veränderungen. Die Briefmarkensammler Neunkirchen versuchen einen eigenen „Überlebensweg“. Vorstandsmitglied Rudolf Werner hat ihn bei seinem Redaktionsbesuch erläutert.

 Rudolf Werner (83) ist seit 1966 Mitglied bei den Briefmarkensammlern Neunkirchen und seit 1978 im Vorstand. Foto: cle

Rudolf Werner (83) ist seit 1966 Mitglied bei den Briefmarkensammlern Neunkirchen und seit 1978 im Vorstand. Foto: cle

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Im August 1948 gründet sich der Verein der Briefmarkensammler Neunkirchen wieder - nach Pause in den Kriegsjahren. Im Lokal Schloßhof in Neunkirchen sind zum Start 25 Mitglieder dabei. Um 1980 herum zählt die Gruppe der Philatelistenfreunde 100 Köpfe - der historische Höchststand. Jetzt im August 2015 treffen sich noch acht Männer im Vereinslokal Scheiber Hof: Klaus Eyer (Merchweiler), Wolfgang Leib (St. Wendel), Dieter Lieblang (Spiesen-Elversberg), Hans-Jürgen Linkhauer (Homburg), Walter Rebel (Neunkirchen ), Paul Schorer (Bexbach), Joachim Welter (Neumarkt/Oberpfalz) und Rudolf Werner (Neunkirchen ). Der Jüngste 55, der Älteste 87 - im Schnitt 72.

"Die Zeit ist vorbei", sagt Vorstandsmitglied Rudolf Werner (83) beim Besuch in unserer Redaktion zu Überalterung, Mitgliederschwund und fehlendem Nachwuchs. Eine Entwicklung auch auf Landes- und Bundesebene. "Für uns waren die Briefmarken früher interessant. Die Welt war für uns vernagelt, die Briefmarken öffneten Fenster in alle Länder. Heute steht den Menschen die Welt offen. Sie brauchen dafür keine Briefmarken." Werner selbst hat zu Hause eine Sammlung, die er "Philatelie von A bis Z" betitelt hat. Darin fixiert sind gebrauchte, gestempelte Wertzeichen von Afghanistan bis Zululand, an die 200 Länder und auch ehemalige Kolonien. Vieles, etwa Geschichtliches, habe er von seinen gezähnten Schätzen gelernt.

Mit acht in die Jahre gekommenen Männern hat ein Verein aber nicht mehr viel Zukunft. Die Neunkircher Briefmarkensammler wissen das. Aber sie wollen das Ende ihres Vereins nicht fremdbestimmt, sondern selbstbestimmt herbeiführen. Und sie haben einen Weg gefunden, vielleicht sogar einen Überlebensweg.

"Bei unserer Versammlung im März 2014- damals waren wir noch elf oder zwölf - sind genau noch fünf Mitglieder zur Vorstandswahl erschienen", erzählt Werner. Laut Satzung muss der Vorstand mit acht Personen besetzt sein. Sie dachten an Doppel-Ämter: "Wir hatten keinen zweiten Vorsitzenden, da hab' ich gesagt: Den mach' ich einfach mit", schildert Schriftführer Werner. Die beglaubigte Niederschrift der Versammlung ging ans Amtsgericht - vorgeschriebener Vorgang bei einem eingetragenen Verein. "So geht das nicht", hört Werner aber vom Registergericht. "Das widerspricht eurer Satzung." "Wenn wir in zwei Jahren bei der nächsten Vorstandwahl im März 2016 wieder keinen kompletten Vorstand präsentieren können, dann folgt die Auflösung von Amts wegen", mahnt Werner die Vereinsfreunde. Das wollen sie auf alle Fälle verhindern: "Wir beantragen unsere Löschung selbst." Und sie gründen einen Nachfolge-Verein, diesmal nicht eingetragen (siehe "Stichwort"). Der könne sich jederzeit in einer außerordentlichen Versammlung auflösen - ohne Notar, ohne Gericht: "Das ist wesentlich einfacher." Allerdings bedeute ohne "e.V." auch mehr Haftungs-Risiko für die einzelnen Mitglieder, beim eingetragenen Verein haftet der Vorstand (wenn er sich schuldhaft verhalten hat).

Am 16. Juli entsteht der Verein der Münzen- und Briefmarkensammler Neunkirchen . "Briefmarkensammler werden weniger, aber Münzen werden immer noch gesammelt", sagt Werner. Vielleicht finde so der eine oder andere den Weg in den neuen Verein.

Im Oktober werden die Philatelisten die Auflösung ihres alten Vereins beim Amtsgericht beantragen. Das festgeschriebene Liquidationsverfahren beginnt. Nach Abschluss wird Verein Nummer R 370 aus dem Vereinsregister beim Neunkircher Amtsgericht gelöscht. Viele Vereine plagen Folgen des demografischen Wandels. "Wenn einem das Wasser bis zum Halse steht", hat Rudolf Werner Tipps mitgebracht, "dann kann man sich Auskunft zu Rechtsfragen, auch zum Ablauf einer ordentlichen Auflösung beim Vereinsregister der Amtsgerichte oder bei einem Notar besorgen und natürlich im Internet recherchieren. Beim Amtsgericht immer die Registernummer und die Satzung vorlegen. Und bei Auflösung auf eigenen Antrag immer strengstens nach der eigenen Satzung vorgehen." Der Auflösungsbeschluss in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung muss vom Notar beglaubigt werden, der damit beim Amtsgericht den Antrag auf Löschung aus dem Vereinsregister stellt. Das Registergericht beim Amtsgericht ordnet eine Liquidation an. In der Regel ein Jahr nach Vollzug der Liquidation wird der Verein gelöscht. Die Liquidatoren - meist Vorstandsmitglieder - wickeln zuvor der Verein ab, etwa Verbindlichkeiten erfüllen, Forderungen eintreiben, Kasse weiter führen. Das restliche Vereinsvermögen muss gemäß der Satzung verwendet werden, etwa Förderung der Philatelie im Falle der Briefmarkensammler. "Eleganter", meint Werner: "Das Geld vorher ausgeben: Reisen, Festchen, Essen." Ein Restbestand sollte zudem immer vorgehalten werden zur Deckung von Notariats- und Gerichtskosten.

Zuständiges Vereinsregistergericht ist stets das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Verein seinen Sitz hat: Amtsgericht Neunkirchen , Telefon (0 68 21) 1 06 01, Amtsgericht Ottweiler: Telefon (0 68 24) 30 90.

Infos zu Vereinsrecht und vielem mehr liefert die gerade aktualisierte Broschüre "Der Vereinshelfer", herausgegeben vom saarländischen Innenministerium. Kontakt: Telefonnummer (0681) 5 01 00, per E-Mail an: presse@innen.saarland.de.

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Am RandeEine Anfrage beim Amtsgericht Neunkirchen ergab: "Eine Statistik über Zu- und Abgänge von Vereinen wird nicht geführt. Ein paar Vereine haben sich aufgelöst, eine Tendenz von vermehrten Anträgen auf Auflösung von Vereinen kann allerdings nicht festgestellt werden." cle

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StichwortEingetragener Verein: Eintragung in das Vereinsregister als "e.V." durch das Registergericht. Juristische Person, der Verein nimmt am Geschäftsleben teil wie eine "normale" Person. Das Vereinsvermögen gehört dem Verein. Der Verein haftet für Handlungen seiner Organe. Nicht eingetragener Verein: Keine Eintragung ins Vereinsregister. Keine juristische Person, aber teilweise rechtsfähig. Das Vermögen gehört allen Mitglieder gemeinsam. Der Verein haftet für Handlungen seiner Organe. Darüber hinaus haftet jeder mit seinem Privatvermögen für die von ihm im Namen des Vereins eingegangenen Verbindlichkeiten persönlich. (Quelle: "Der Vereinshelfer") cle

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