Diakonie Raum Neunkirchen Diese Zwangspausen verschlagen ihnen die Sprache

Neunkirchen · Corona hat im ersten und zweiten Lockdown auch die Integrations- und Sprachkurse der Diakonie im Raum Neunkirchen gestoppt. Nun bringen die Pausen Probleme für alle Beteiligten: Träger, Honorarkräfte, Berater und Teilnehmer, wie Stefan Gebhardt, Bereichleiter Migration und Bildung, im SZ-Gespräch feststellt.

Schauen wir auf die Teilnehmer, die durch die Integrationskurse und Sprachkuse Zukunftschancen bekommen sollen. „Unterbrechungen treffen Menschen, die beispielsweise in den Arbeitsmarkt hätten einchecken können“, sagt Gebhardt. „Ohne Prüfungen keine Zertifikate. Corona verschlechtert also eindeutig Lernchancen von Teilnehmern, vor allem auch von bildungsfernen Teilnehmern.“ Doch die Pausen haben weiterreichende Folgen. „Alleinstehende junge Menschen ohne Familie vereinsamen, weil der Kurs eine Möglichkeit sozialen Kontaktes ist“, sagt Gebhardt. „Kontakt zu Menschen gleicher Herkunft, aber auch zu Menschen aus anderen Ländern oder auch zu Beratern.“ Kontaktbeschränkungen im Privatleben und keine Kurse: Also wo solle ein Geflüchteter anknüpfen? „Dieser Kontaktverlust, und sei es nur, dass man mal mit jemanden, der selbst nicht gut Deutsch spricht, Deutsch redet, das wirkt sich negativ auf die Sprachfertigkeit aus. Der erworbene Wortschatz geht verloren. Auch Grammatik, so noch nicht verfestigt. Die mündliche Darstellung leidet hochgradig.“ Der Kursleiter sei auch immer noch eine Anlaufstelle für alle Fälle, die das Leben in Deutschland beträfen. „Morgens spricht der Teilnehmer als erstes mit seinem Lehrer. Der hört sich alles an, der kriegt mit, ob es ihm gut geht oder nicht gut geht. Und jetzt ist der erste Ansprechpartner nicht da.“ Das führe zu Frustration, Blockade, wiedererwachender Traumatisierung – „Fluchterlebnisse mitverarbeiten, indem ich durch den Kurs ein Stück Normalität herstelle“. Der dauerhafte Verbleib im muttersprachlichen Kontext mache ihm Sorgen: „Wir können dem nur bedingt entgegen wirken.“

Nur einige wenige seien in Neunkirchen bei ausgesetzen Kursen abgesprungen: „Manchmal haben die familiären Umstände – Frauen müssen ihre Kinder betreuen, wenn die Kita zu ist, verordnete Quarantäne – Fehlzeiten nach sich gezogen.“ Doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe da eine gute Fehlzeiten-Regelung, akzeptiere begründete Entschuldigungen großzügig. „Wir als Träger bräuchten mehr Zeit, zusätzliche Unterrichtseinheitne, um den Rückstand aufzuarbeiten“, sagt Gebhardt. „Das BAMF hat in seinem Jahresbericht 2020 zu Integrationskursen festgestellt, dass die Prüfungsergebnisse schlechter geworden sind. Das hängt auch mit Corona zusammen.“

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