Brandbeschleuniger fürs Kneipensterben?

Neunkirchen · Seit fast sechs Jahren ist das Rauchen in den saarländischen Gaststätten verboten. 17 Verfahren wegen Nichtbeachtung sind in Neunkirchen seither eingeleitet worden. 2016 stieg sogar die Statistik.

 Der Zug an der Zigarette gehörte früher ebenso zur Kneipe wie das Feierabendbier. Foto: dpa

Der Zug an der Zigarette gehörte früher ebenso zur Kneipe wie das Feierabendbier. Foto: dpa

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Seit zehn Jahren gilt nun das Nichtraucherschutzgesetz im Bund. Im Saarland wurde seine Rechtmäßigkeit vom heimischen Verfassungsgericht Ende März 2011 bestätigt. Knapp sechs Jahre, in denen sich Wirte und Kunden nun an die Regelung gewöhnen konnten, doch noch immer klagen in Neunkirchen Wirte über ausbleibende Gäste. Wer sich jedoch nicht ans Gesetz hält, muss hier mit einem Bußgeld von bis zu 1000 Euro rechnen, sagt Holger Janes, Leiter des Neunkircher Ordnungsamts.

Erste Verwarnungs- oder Bußgelder wurden vom Ordnungsamt laut Janes ab November 2011 ausgesprochen. Seitdem seien bis zum Dezember 2016 insgesamt 1960 Euro aus insgesamt 17 Verfahren einkassiert worden. 320 Euro waren es allein im Jahr 2016, erklärt Janes. Fünf Mal wurde in dem Jahr ein Verfahren angestoßen. Strafen können dabei Wirte und Raucher treffen, bei Letzteren auch, wenn das Lokal nicht als rauchfreie Zone gekennzeichnet ist. Seit 2011 wurden in Neunkirchen elf Wirte und sechs Gäste belangt, erklärt Janes. Etwas überraschend scheinen hier die Zahlen aus dem letzten Jahr. Allein drei Verfahren wurden gegen Wirte, zwei gegen Gäste angestoßen. Im Vergleich zu den Gesamtzahlen aus den vergangenen fünf Jahren scheinen sie unverhältnismäßig hoch. Diese Einschätzung teilt auch Janes: "Im letzten Jahr war wieder ein Anstieg der Vorgänge festzustellen."

Allerdings lassen es sich auch viele Gäste nicht mehr gefallen, dass einige Unbelehrbare immer noch in den Gaststätten zu den Glimmstängeln greifen. In etwa der Hälfte der Fälle kontrollierte das Ordnungsamt nach Hinweisen aus der Bevölkerung, sagt Janes. Die restlichen Ordnungswidrigkeiten seien in Zusammenhang mit regulären Gaststättenkontrollen aufgefallen.

Umgekehrt klagen bei einem Rundgang durch die Neunkircher Innenstadt einige Wirte darüber, dass nach Eintreten des Nichtraucherschutzgesetztes die Gäste ausblieben. "Natürlich haben wir seitdem weniger Kundschaft", erklärt beispielsweise Mehmet Elis, Inhaber des Knutschflecks. Er sei bereits kontrolliert worden. Allerdings würden seine Besucher das Rauchverbot akzeptieren. Menschen, die trotz Verbot rauchen, habe er bisher nicht zurechtweisen müssen.

Die Einschätzung, dass das Nichtraucherschutzgesetz Kundschaft vertrieben und Arbeitsplätze gekostet hat, teilt auch Frank Christoph Hohrath, Geschäftsführer des saarländischen Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga. "Das Nichtraucherschutzgesetz hat bei einigen Wirten als Brandbeschleuniger fürs schnellere Ende gewirkt", erklärt er. Die ersten ein bis zwei Jahre seien für viele Wirte hart gewesen, doch: "Der Effekt hat zwar Arbeitsplätze gekostet, hat sich jedoch mittlerweile eingependelt. Das Gesetz ist Realität. Hier bedarf es keiner weiteren Diskussionen mehr." Das Gesetz sei allerdings nicht der einzige Grund, warum die Wirte mit Umsatzeinbußen zu kämpfen hätten. "Früher sind die Menschen in Gaststätten gegangen, um sich zu unterhalten. Heute, um unterhalten zu werden", sagt er und spricht damit ein sich wandelndes Freizeitverhalten an. Die Landflucht und das Ende des Kohlebergbaus seien weitere Punkte, denn das Feierabendbier der Bergleute ist im Saarland genauso wie die klimmende Kippe in der Kneipe Geschichte. Dass das Saarland im bundesweiten Ländervergleich eines der strengsten Gesetze eingeführt hat, findet bei ihm allerdings Zuspruch: "Ausnahmeregelungen wie etwa die Raucherzimmer in Niedersachen hätten nur zu Ungerechtigkeiten geführt."

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