Autos oft das größte Hindernis

Neunkirchen · SZ-Leserin Lieselotte Poppenhäger fährt mit ihrem Elektro-Rollstuhl täglich in die Innenstadt. Welche Hindernisse sie überwinden muss, schildert sie bei einem Rundgang mit städtischen Mitarbeitern.

 Auf große Schwierigkeiten stößt Lieselotte Poppenhäger bei der Überquerung der Fahrbahn Willi-Graf-Straße. Foto: Willi Hiegel

Auf große Schwierigkeiten stößt Lieselotte Poppenhäger bei der Überquerung der Fahrbahn Willi-Graf-Straße. Foto: Willi Hiegel

Foto: Willi Hiegel

Als Lieselotte Poppenhäger mit ihrem Elektrorollstuhl den Bürgersteig der Willi-Graf-Straße/Ecke Bliesstraße hochfahren will, hakt es. "Der Gehsteig ist höher als drei Zentimeter, da komme ich mit dem Rolli nicht hoch", sagt sie. Der Blick der 72-Jährigen schweift die Straße entlang, bis sie zehn Meter weiter eine Stelle findet, an der der Bordstein niedriger ist. Das nächste Hindernis folgt direkt - ein Baustellenschild mitten auf dem Gehweg. "Aber das lässt sich schnell lösen", sagt Holger Janes, Leiter des Neunkircher Ordnungsamtes. Er packt an und verschiebt das Schild. Zusammen mit der Behindertenbeauftragten der Stadt, Monika Jost, begleitet er Poppenhäger gemeinsam mit der SZ auf ihrem Weg vom Wagwiesental bis zum Saarpark-Center.

Poppenhäger hatte sich bei unserer Zeitung gemeldet, um auf die Problemstellen aufmerksam zu machen. Als Reaktion auf die SZ-Nachfrage bei der Stadt bot diese an, die Rentnerin zu begleiten. "Wir bekommen etwa einmal im Monat Hinweise dieser Art von Bürgern mit Behinderung", berichtet Jost. "Wir lassen sie uns gerne zeigen und haben auch schon vielfach Bordsteine absenken lassen. An einigen Stellen muss noch nachgearbeitet werden." Dafür hat die Stadt einen Etat (siehe "Hintergrund").

Seit einem Jahr ist Poppenhäger auf ihren Rolli angewiesen, weil sie nicht lange laufen und stehen kann. Die 72-Jährige leidet an Lähmungen in den Füßen und an Knochenkrebs. Doch sie macht das Beste aus ihrer Situation. "Man muss ja was für seine Seele tun", sagt sie. So fährt sie täglich ins Saarpark Center, wo sie Freunde trifft und Schaufenster betrachtet. "Viele sagten: ‚Dass du dich traust, alleine in die Stadt zu fahren.' Aber ich genieße es, unabhängig zu sein. Es ist so schön, in die Stadt zu fahren - wären da nicht die hohen Bürgersteige und die Autos", moniert sie.

Ab 17 Uhr sei es in der Karl-Schneider-Straße schwer durchzukommen, weil dort viele Autos auf dem Gehsteig parkten. "Ich appelliere an die Bürger, dass sie darauf achten, ordnungsgemäß zu parken und auch Mülltonnen nicht mitten auf dem Bürgersteig abzustellen", sagt Janes. Im Übrigen gebe es Hinweiskärtchen von der Stadt, die Menschen mit Behinderung an die Windschutzscheiben falsch parkender Autos hängen können.

Holger Janes notiert sich unterwegs die Problemstellen und informiert per Smartphone die Kollegen vom Ordnungsamt oder den Landkreis, etwa wenn es um die Baustelle in der Süduferstraße geht. "Wir können nur tätig werden, wenn wir gesagt bekommen, wo es hakt", sagt er.

Im Saarpark-Center angekommen, wartet die nächste Herausforderung: Zwar ist die Außentür heute offen, doch für die Innentür ist Poppenhäger darauf angewiesen, dass freundliche Mitmenschen ihr die Tür aufhalten. Gregory Hedderich, Geschäftsführer des Centers, weist auf Nachfrage darauf hin, dass der Ärzte-Eingang neben dem Haupteingang barrierefrei zu erreichen ist. Doch auch der Weg in den ersten Stock ist nicht einfach: Der Behindertenaufzug ist zu schmal für den Elektrorolli, Poppenhäger muss den Umweg über die Rampe am Kaufhof nehmen. "Das ist eine sehr unglückliche Ausnahmesituation, die leider kurzfristig nicht zu ändern ist, da sich der Fahrstuhl nicht erweitern lässt", sagt Hedderich dazu. Das Thema Rollstuhl werde in einer älter werdenden Gesellschaft aber immer wichtiger: "Deshalb bin ich dankbar für den Hinweis." Er verspricht, die Problematik zu berücksichtigen, sobald es zu Umstrukturierungen kommt.

Den Tipp für diesen Artikel bekamen wir von SZ-Leser-Reporterin Lieselotte Poppenhäger. Wenn Sie auch Interessantes zu erzählen haben, hinterlassen Sie eine Sprachnachricht unter Tel. (0681) 5 95 98 00, schicken Sie eine E-Mail an leser-reporter@sol.de oder nutzen Sie unser Onlineformular: www.saarbruecker-zeitung.de/leserreporter .

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HintergrundSeit zwei Jahren gibt es in Neunkirchen den gesonderten Etat "Barrierefreies Neunkirchen ". Die in diesem Jahr 15 000 Euro werden hauptsächlich für kurzfristige Maßnahmen wie das Absenken von Bordsteinen oder den Einbau sogenannter Blindenleitplatten genutzt, teilt Markus Müller, Pressesprecher der Stadt, mit. Dazu komme die behindertengerechte Gestaltung von Straßen-Neu- und -Umbauten (wie der Kreisel Fernstraße). Die Investitionen hierfür seien Bestandteil des jeweiligen Bauprojekts. jeb

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