Auf dem Weg nach Rechts

Kreis Neunkirchen · Unter den Teilnehmern der Demokratie-Konferenz im Landratsamt saß auch Kreistagsmitglied Gerd Rainer Weber (Fraktion Freie/Piraten). Er fürchtet, die AfD werde immer noch unterschätzt, auch wenn er aktuell kein Erstarken rechter Kräfte in unserer Region erkennen kann. SZ-Redakteur Michael Beer stellte ihm Fragen zum Stand der Dinge.

Demokratie-Konferenz - das hätte vor einigen Jahren noch ein wenig nach gut gemeinter Kaffeerunde politisch Hochmotivierter geklungen. In Zeiten von Trump, Le Pen, oder Frauke Petry und dem Wiederauferstehen eines kruden Nationalismus geht das Wort Demokratie anders über die Lippen. Der Landkreis hat am Montag gemeinsam mit dem St. Wendeler Adolf-Bender-Zentrum (Jugendhilfe-Träger, der politische Bildung betreibt) zur dritten Demokratie-Konferenz ins Landratsamt nach Ottweiler gebeten. Rund 50 Besucher folgten der Einladung, vom Sozialarbeiter bis zum interessierten Bürger. Alexander Häusler von der Hochschule Düsseldorf referierte zu Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. Und er ließ keinen Zweifel: Die AfD ist nach seiner Einschätzung auf dem Weg nach Rechtsaußen.

Spiel mit den Ängsten

Der aufkommende Rechtspopulismus , so seine Einschätzung, habe zu einer Polarisierung der Milieus geführt. Mit anderen Worten: Die Leute gehen anders als früher aufeinander los. Die Verrohung der politischen Diskussion lässt sich für jeden in den sozialen Medien nachverfolgen. Die rechte Szene, für die die AfD sozusagen zu einem Dach geworden sei, spiele mit den Ängsten der Menschen und schüre Vorbehalte. Bevorzugte Themen: Einwanderung, Islam, Europa-Kritik, Ablehnen gesellschaftlicher Veränderungen wie Homo-Ehe oder unterschiedlicher Familien-Modelle. Dabei stelle dieser "politische Kulturkampf" einer sich auffächernden gesellschaftlichen Realität ein Heile-Welt-Bild der 1950er Jahre gegenüber.

Zwei Dinge sind für den Wissenschaftler neu. Unterschiedliche Milieus vom braven Bürger bis zum gewaltbereiten Hooligan gingen gemeinsam auf die Straße. Hinzu komme eine "massive Zunahme rechter Gewalt". Laut Polizei werde die auch von Menschen verübt, die wegen ihrer Gesinnung nicht einschlägig bekannt seien, die vielmehr bislang völlig unauffällig lebten. Das rechte Spektrum sei zwar sehr unterschiedlich, AfD und Pegida seien jedoch derzeit Profiteure: "Sie saugen den Protest auf und befeuern ihn wieder." Eine ganz neue Mode-Erscheinung griff Häusler auch auf: die identitäre Bewegung, ein "Export aus Frankreich", bei der sich Menschen mit Aktionen in die Öffentlichkeit wagen, wie sie von Greenpeace stammen könnten.

Die AfD habe sich in ihrer noch jungen Geschichte von einem wirtschafts- und national-liberalen Verbund immer weiter nach rechts bewegt, erläuterte Häusler weiter. Letztlich sei die aktuelle Bewegung ein Folgeprodukt der rechtspopulistischen Vorgänger wie etwa den Republikanern, aber sie entfalte derzeit einige Wirkung als Ventil. Seine Thesen lauten: Das Einwanderungsthema wird weiter Bedeutung haben, die Rechtspopulisten deuten die soziale in eine nationale Frage um, die Politik der Eskalation wird weiter vorangetrieben.

Landrat Sören Meng hatte schon zuvor in seiner Begrüßung darauf hingewiesen, der Landkreis Neunkirchen engagiere sich im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben" des Bundesfamilienministeriums. Ziel der Partnerschaft sei es, einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie zu leisten und sich aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit zu stellen. In diesem und dem vergangenen Jahr habe der Kreis in diesem Zusammenhang 21 Projekte mit einer Summe von rund 140 000 Euro gefördert.Die Veranstaltung im Landratsamt hat den aktuellen Rechtspopulismus im bundes- und europaweiten Zusammenhang beleuchtet. Lässt sich das Erstarken rechter Kräfte auch im Kreis Neunkirchen nachvollziehen?

Weber: Ein Erstarken rechter beziehungsweise rechtspopulistischer Kräfte wie der AfD kann ich in unserem Landkreis derzeit nicht erkennen, was aber nicht bedeutet, dass die AfD hier keine Wähler haben wird.

Zurzeit scheint es so etwas wie eine Schockstarre der etablierten politischen Kräfte zu geben. Woran liegt das?

Weber: Ich denke, man hat hier gehofft, dass die AfD eine kurze Mode-Erscheinung bleibt, die sich vornehmlich in Ostdeutschland verbreitet. Als man erkannt hat, wie ernst die Lage wirklich ist, konnte man nur noch reagieren statt agieren.

Werden die Rechtspopulisten bei uns momentan eher über- oder unterschätzt?

Weber: Ich denke, sie werden immer noch zu sehr unterschätzt.

Was sagen Sie als politisch engagierter Mensch Bürgern, wenn das Thema auf die klassischen Fragen wie den Umgang mit Asylsuchenden kommt?

Weber: Hier herrscht oft großer Erklärungsbedarf zu vielen unterschiedlichen Fragen, von den Kosten bis zu möglichen Veränderungen in unserer Gesellschaft. Ich versuche stets, Verständnis für die Situation der Asylsuchenden zu erwecken und gleichzeitig die positiven Aspekte der Zuwanderung darzustellen.

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