Angst zieht in den Alltag ein

Neunkirchen · Angst, dieses Wort ist bei einer (nicht repräsentativen) Umfrage der SZ in Neunkirchen immer wieder gefallen. Attentate wie in Nizza, München und Paris beunruhigen viele Bürger offenbar. Uneinig ist man sich über Ursachen und Folgen.

 Händler Hans-Albert Cwikla verkauft mehr Pfefferspray.

Händler Hans-Albert Cwikla verkauft mehr Pfefferspray.

Es ist nicht so, dass sich die Menschen in Neunkirchen , nach der Vielzahl an Attentaten der jüngsten Vergangenheit, plötzlich allesamt bewaffnen. Schusswaffen würden zur Zeit nicht überproportional häufig verkauft, ist aus den entsprechenden Läden zu erfahren. "Es gibt allgemein einen Anstieg bei der Nachfrage nach dem Kleinen Waffenschein", sagt allerdings Edgar Kuhn von der Kreispolizeibehörde. In den letzten sechs Monaten seien 200 solcher Scheine für Reizstoff-, Schreckschuss-, und Signalwaffen ausgestellt worden - fast halb so viele wie in den vergangenen 13 Jahren davor vergeben wurden. "Seit Anfang des Jahres verkaufen wir mehr Pfefferspray", sagt auch Hans-Albert Cwikla, Inhaber des Neunkircher "US Mode Shops". Es scheint, als seien manche Neunkircher vom Massenzuzug der Flüchtlinge verunsichert und als hätten die jüngsten Anschläge dieses Gefühl noch verstärkt.

"Das ist schon beängstigend", sagt die Neunkircher Rentnerin Brigitte König und meint die Attentate der letzten Tage und Wochen. Viele hier lebende Muslime seien von "Kind an geschult worden, dass sie Terroristen werden", glaubt sie. "Man soll nicht so viel Ausländer ins Land holen, die bringen nicht nur Gutes, sondern auch viel Unheil", meint ein Bekannter Königs, Kurt Püngeler. Er findet: Merkel habe "gegen das Volk reagiert, jetzt haben wir das Desaster". Noch deutlicherer Worte findet Königs Mann Günter, den die SZ ebenfalls gestern Vormittag in der Neunkircher Innenstadt befragt hat. "Da kriegt man das Grausen", sagt er. Ausländer sollte man generell "größtenteils abschieben". Die drei Anfang 80-jährigen Rentner stehen mit dieser Meinung nicht alleine da. "Der Mann hat Recht", sagt die 39-jährige Neunkircherin Tanja Merk, die vom Nachbartisch im Eiscafé zugehört hat. Flüchtlinge gehörten "viel besser durchleuchtet", Straftäter "direkt zurück". Sie fürchtet sich vor kriminellen Neu-Bürgern. Ein algerischer Nachbar habe sie bedroht, weswegen sie umgezogen sei, erzählt die Mutter einer kleinen Tochter. Seit sie das Kind habe, sei sie noch ängstlicher geworden und schaue häufiger um sich.

Angst habe sie auch, sagt die 16-jährige Terisha Ohm. Vor allem, wenn sie in Großstädte fahre, wenn sie auf jemand stoße, der wie ein Terrorist aussehe oder sie einen Knall höre. Die Anschläge machten sie traurig, sagt die Schülerin. Eine Lösung für das Problem habe sie nicht. Ohms Bekannte Claudia Friedrich findet die Attentate "krank", gleichzeitig warnt sie vor Pauschalisierungen: "Man kann nicht sagen, der da erschießt gleich fünf Menschen." Forderungen, alle Migranten abzuschieben, hält die 24-Jährige "rassistisch".

Auch beim Türkisch-Islamischen Kulturverein Neunkirchen zeigt man sich von den Vorfällen betroffen. "Ich habe selber Angst im Zug", berichtet der gebürtige Kosovare Gonga Agron. Er verstehe deshalb auch die Angst der Deutschen, sagt der 36-jährige Muslim bei einem Kaffee nach dem Gebet. "Die Anschläge haben mit dem Islam nichts zu tun", unterstreicht er aber. Die Attentäter seien "verrückte Leute", findet ein anderer Muslim, der türkische Rentner Yunus Öztürk.

 „Bin ängstlicher geworden“, sagt Tanja Menk.

„Bin ängstlicher geworden“, sagt Tanja Menk.

 Claudia Friedrich ärgern rassistische Äußerungen.

Claudia Friedrich ärgern rassistische Äußerungen.

 Schülerin Terisha Ohm findet Attentate „traurig“.

Schülerin Terisha Ohm findet Attentate „traurig“.

 Attentäter sind „verrückte Leute“, sagt Rentner Yunus Öztürk.

Attentäter sind „verrückte Leute“, sagt Rentner Yunus Öztürk.

 Ärgern sich über Merkels Flüchtlingspolitik: Günter König (links, 82 Jahre) und Kurt Püngeler (rechts, 81). Fotos: Robert Schmidt

Ärgern sich über Merkels Flüchtlingspolitik: Günter König (links, 82 Jahre) und Kurt Püngeler (rechts, 81). Fotos: Robert Schmidt

"Sicher sind wir nirgendwo in dieser Zeit", befindet Öztürks Landsmann Ari Suleimann und erinnert an den Angriff Unbekannter auf die Neunkircher Moschee im Februar mit zwei Brandsätzen (wir berichteten). "Seit 35 Jahren lebe ich in Deutschland", sagt der ehemalige Tiefbauarbeiter in perfektem Deutsch mit saarländischem Einschlag. Im Alltag habe er "nie Probleme" mit seinen Mitmenschen gehabt. Sein Wunsch ist: "Ich will Frieden mit den Deutschen."

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