Straßenlexikon Neunkirchen Was hinter den Namen von Straßen steckt

Neunkirchen · Straßennamen sind Geschichte. Woher sie kommen und was sie bedeuten, das weiß Armin Schlicker.

 Armin Schlicker im Jahr 2007 bei der Recherche zu seinem Buch über die Neunkircher Straßennamen.  Das Straßenlexikon erschien 2009 und ist aktuell noch beim Historischen Verein Stadt Neunkirchen zu haben.

Armin Schlicker im Jahr 2007 bei der Recherche zu seinem Buch über die Neunkircher Straßennamen.  Das Straßenlexikon erschien 2009 und ist aktuell noch beim Historischen Verein Stadt Neunkirchen zu haben.

Foto: Willi Hiegel

Wer möchte schon in der Blödgasse oder im Irrenweg wohnen? Kein Mensch. Und weil das so ist, gab es im Jahr 1949 einen Erlass, der vor diskriminierenden und herablassenden Straßennamen schützt. (Am Rande: Die Blödgasse gab es wirklich, so hieß die Straße Fischkasten bis 1935.) Straßennamen sind wichtig. Und auch trotz des Diskriminierungserlasses können sie immer noch zu Diskussionen führen, wie vor einigen Wochen, als es um die Neubenennung einer Stichstraße in Kohlhof ging. Dabei gibt es die Straßennamen noch gar nicht so lange.  Erst Ende des 19. Jahrhundert, so in der Zeit von 1870 bis 1890, erhielten zumindest die Straßen in Neunkirchen ihre Kennung.

Das weiß Armin Schlicker. Und der heute 83-jährige ehemalige Leiter der Kripo Neunkirchen muss es wissen. Schließlich hat er ein dickes Buch darüber geschrieben. „Das bislang größte Werk des Vereins“, hatte es Peter Bierbrauer anlässlich der Vorstellung beim Zehnjährigen des Historischen Vereins Stadt Neunkirchen genannt. 2009 war das. Schlicker hatte vier Jahre Arbeit in das 500 Seiten dicke Werk gesteckt. Herausgeber ist der HVSN, die Auflage war bei 750. 150 sind noch zu haben. Eigentlich waren sie zu viert, waren Werner Fried, Klaus Dufner, Wolfgang Melnyk noch dabei. Doch nach kurzer Zeit hatte das nicht mehr recht funktioniert, Schlicker machte alleine weiter. „Nachdem ich alleine war, lief das gut. Da konnte ich machen wie ich wollte“, sagt Schlicker im Gespräch mit der SZ. Und er erinnert sich: Mal waren es acht Stunden Tag für Tag, mal gab es aber auch ein Päuschen von acht bis 14 Tagen. Alle Straßen ist er zu Fuß abgegangen. „Da sieht man einfach mehr, als wenn man schnell mit dem Auto durchfährt.“ 1050 Straßennamen aus über 100 Jahren kamen so zusammen. Davon sind heute noch etwa 550 in Gebrauch. Manche Straßen haben ihre Namen häufig gewechselt, bis zu fünf Mal. Schlicker weiß sie alle, hat sie alle in seinem Buch genannt. Zu jeder existierenden und ehemaligen Straße finden sich in dem Buch Lage, Verlauf, Geschichte.

Von allen Straßen, die nach Erscheinen des Buches 2009 in der Kreisstadt dazu kamen liegen schon Infos parat. „Falls es vielleicht doch mal eine Neuauflage geben sollte.“

Auch jetzt noch kann sich Schlicker über das ein oder andere aufregen, was ihm bei seiner Straßenrecherche damals aufgefallen ist. Beispielsweise die Verteilung zwischen Männer- und Frauennamen. So sei zum Zeitpunkt des Erscheinens die Zahl der Männernamen bei 253 gewesen, die der Frauen bei 18. „Nach dem Krieg 1870/1871 hat man viele Straßen aus lauter Euphorie über den Sieg nach Generälen benannt.“ Zwar, so Schlicker, seien die Frauen nicht in Kriegen gewesen, habe man hier auch wenige Erfinderinnen, Politikerinnen gehabt („Frauen durften das ja lange nicht“), allerdings „es gab sicherlich auch Frauen, nach denen man hätte Straßen benennen können“. Schön fände Schlicker es, und so lässt er auch sein ausgesprochen informatives Vorwort enden, wenn man einfach Heimatvereine und Historische Vereine stärker in die Namensgebung mit einbinden könnte.

Dass das was bringen könnte, dafür hat Schlicker quasi schon vor über zehn Jahren den Beweis bekommen. Ihn ärgert, dass es in der ehemaligen Hüttenstadt jede Menge Straßenbezeichnungen gibt, die an die Bergbautradition erinnern, aber keine, die die Hüttenvergangenheit widerspiegeln. „Die Hüttenbergstraße ist ja eher geografisch. Und die Eigentümer werden gewürdigt, siehe Stummstraße.“ Aber es gibt eben keine Hochofenstraße beispielsweise. Das hatte er auch im Vorwort geschrieben. Und einer der vielen Menschen, die er vor allem in den Ortsteilen zwecks Vermeidung sachlicher Fehler eingebunden hatte, hatte das wohl Ex-Oberbürgermeister und Noch-Immer-Präsident des Historischen Vereins erzählt. Der wandte sich an den 2009 amtierenden OB Jürgen Fried – und schon wurde eine kleine Zufahrtstraße zum Hüttengelände Zum Eisenwerk genannt. Immerhin zwar, aber Schlicker eigentlich zu wenig: „Warum konnte man denn die Hüttengeschichte beispielsweise damals bei der Benennung der Gustav-Regler-Straße, die mitten durchs Hüttengelände führt, nicht berücksichtigen“, fragt er sich.

Nachbarorte, Flurbezeichnungen, Landschaftspunkte der näheren Umgebung und verdiente Personen – das sind die Namensgeber der Straßen in Neunkirchen und seinen Ortsteilen. Die letzte große Umbenennung fand im Rahmen der Gebiets- und Verwaltungsreform statt. 1974 wuchsen Wiebelskirchen, Hangard, Münchwies, Ludwigsthal, Bayrisch Kohlhof, Kohlhof, Eschweilerhof mit der Stadt Neunkirchen zusammen. Die Folge: Es gab insgesamt 53 Doppelnennungen von Straßen, neun Dreifachnennungen und eine Schulstraße beziehungsweise -gasse gab es sogar sechsfach. Da kein Name mehrfach vergeben sein sollte, wartete auf die Verantwortlichen keine leichte Aufgabe.

Wer gerne selbst tiefer ins Metier einsteigen möchte: Das Buch von Armin Schlicker gibt es noch für 19,80 Euro beim HVSN in der Irrgartenstraße 18.

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