Neujahrskonzert in Neunkirchen Miss Marple, Donauwalzer und Artistik

Neunkirchen · Gauner, Cops und Detektive spielten eine tragende Rolle beim Neujahrskonzert des Capitol Symphonie Orchesters Offenbach unter Leitung von Niklas Benjamin Hoffmann.

An seinem selbst gebauten Hilfsmittel ließ Pascal von Ouw die Bälle rhythmisch springen, unterlegt von einer instrumentalen Fassung des Deutschraps „Der Kommissar“ von Falco.

An seinem selbst gebauten Hilfsmittel ließ Pascal von Ouw die Bälle rhythmisch springen, unterlegt von einer instrumentalen Fassung des Deutschraps „Der Kommissar“ von Falco.

Foto: Anja Kernig

Irgendwann sind sie alle Neunkircher ehrenhalber. Die exzellenten Musiker, ihr Dirigent und vorneweg jener Moderator, der werktags das Amt für Kulturmanagement Offenbach leitet. Die Rede ist vom Capitol Symphonie Orchester und seinem traditionellen Neujahrskonzert, das seit Jahren fest einzementiert in das Neunkircher Kulturjahr ist. Und das völlig zu Recht, wie sich beim neuesten Geniestreich des von Niklas Benjamin Hoffmann so lebendig wie prägnant dirigierten Klangkörpers zeigte.

Wobei es natürlich reiner Zufall war, dass das diesjährige Motto tagesaktuellen Charakter in der Region besaß: Am Freitag hatten Kriminelle einen Geldtransporter in Saarlouis überfallen und spektakulär aufgesprengt, drei Tage später standen in der Gebläsehalle Neunkirchen Gauner, Cops und Detektive im Fokus – verbunden mit ein wenig „schlechtem Gewissen“ seitens Ralph Philipp Zieglers, der die Sparkasse als Hauptförderer der Gebläsehalle ausgemacht hatte. „Und wir feiern hier das Verbrechen“, genierte sich der Conferencier.

Temperamentvoll zackig fiel die Begrüßung mit „Banditenstreiche“ aus – womit man sich der Bundeshauptstadt der Republik Österreich und den dortigen Wiener Philharmonikern nahe fühlen durfte. In deren Neujahrskonzert 2023 hatte es Komponist Franz von Suppe – in ewigem Wettstreit mit der Strauss-Dynastie – diesmal ebenfalls geschafft. Erster Höhepunkt des Abends war eine geschmeidige Kontorsion, bei der Artist Tigris seinen tätowierten Astralkörper in unglaublicher Art und Weise bog – eine lebende Illustration Henry Mancinis angejazzter „Peter Gunn“-Thematik.

Noch eins drauf in Sachen Filmmusik setzte man mit Ron Goodwins „Miss Marple“. Hierbei spiegelte das barocke Cembalo, gespielt von Andreas Sommer, die Skurrilität der Protagonistin und sorgte zugleich für einen Hauch Nostalgie. Bei „Irish Tune from County Derry“ handelte es sich laut Ziegler um ein „herrliches Juwel der Volksmusik“, adaptiert von Percy A. Grainger. Einen „Banditen-Gallopp“ (Johann Strauss) später wurde ein aus Stahl und Plexiglas gefertigtes Gestell auf die Bühne gerollt. Mittels dieses Eigenbaus legte der 21-jährige Pascal von Ouw eine rasante Bouncing-Jonglage hin. In dem sie rhythmisch von den abgewinkelten Innenseiten abprallten, bildeten seine springenden Bälle passend zum Falco-Hit „Der Kommissar“ unterschiedliche Muster – ein origineller Ballrap. Mit „Wiener Blut“ zu Walzerklängen verabschiedeten sich die Musiker in die Pause.

Zurück in der Halle, nahm das Ensemble mit der Monty Python‘s „Flying Circus“-Erkennungsmelodie gleich wieder rasant Fahrt auf, gefolgt von einem anderen unverwechselbaren TV-Klassiker: „Stahlnetz“. Dessen „große kantige 50er-Jahre-Musik“ ist dem Duo Walter Schumann und Miklós Rózsa zu verdanken, so Ziegler, der wie immer formvollendet dampfplaudernd durchs Programm führte. Dass er im Laufe des kurzweiligen Abends mehrfach in die Kiste mit den altbackenen Witzen griff, verzeiht man ihm gern. Nobody is perfect! Oder vielleicht ja doch? Immerhin hat das Orchester keine drei Wochen nach Filmstart der neuen „Glass Onion“-Krimikomödie mit Daniel Craig schon die Filmmusik aus der Feder von Nathan Johnson im Repertoire: „großartig, expressiv, packend“ mit charmanten Swing-Anleihen, ein Ohrenschmaus.

 Antje Pode und Dieter Becker boten zu den Klängen von „Everything I Do“ Artistik vom Feinsten.

Antje Pode und Dieter Becker boten zu den Klängen von „Everything I Do“ Artistik vom Feinsten.

Foto: Anja Kernig

Und dann kam Robin Hood. Oder vielmehr Bryan Adams, der dem gleichnamigen Kinofilm und Komponist Michael Kamen die erfolgreichste Platz-eins-Single der britischen Charts verdankt: „Everything I Do“. Zauberhaft optisch umgesetzt wurde „Alles was ich tue, tue ich für Dich“ von Antje Pode und Dieter Becker. In ihren mittelalterlichen Gewändern zeigte das Duo spektakuläre Zwei-Personen-Artistik. Was zusammen mit dem symphonischen Arrangement der eingängigen Rockballade Gänsehaut pur erzeugte.

Was fehlte noch? Der Walzer aller Walzer. Besinnlich bis forsch offerierte das Capitol Symphonie Orchester final „An der schönen blauen Donau“ und, natürlich, den Radetzky-Marsch, enthusiastisch unterstützt von dem auf Zuruf mal piano, mal fortissimo mitklatschenden Publikum. Mit Standing Ovations bedankten sich die Gäste für ein weiteres originelles Neujahrskonzert, das mit einem letzten Déjà-vu und gemeinsamen Gesang endete. In bester New Yorker Tradition, wo der Jahrhunderte alte Gassenhauer „Auld Lang Syne“ vom 1929 bis 1976 an jedem Silvesterabend im Waldorf Astoria gespielt wurde, entließen die Offenbacher die strahlende Zuhörerschaft.

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