Western-Klamauk als Kammerspiel

Wemmetsweiler · Ursprünglich sollte das Stück „Wind in den Zweigen des Sassafras“ bereits vergangene Woche auf der Rathausbühne gezeigt werden. Dann erkrankte Regisseur Gerd Kessler und musste ins Krankenhaus, weshalb man die Premiere absagte. Inzwischen befindet sich der Spielleiter des Theatervereins Wemmetsweiler wieder auf dem Weg der Besserung.

Wenn das kein vielversprechender Auftakt war: "Herr, ich war nicht immer hinterfotzig zu dir", beginnt der hemdsärmelige Patriarch im Kreise seiner Lieben das Tischgebet. Vom ersten Moment an lässt der herrlich grantelnde Klaus Krämer in dieser ihm wie auf den Leib geschnittenen Rolle keinen Zweifel daran, wer hier die Hosen - samt Hosenträgern - anhat. Gefühlte zehn Minuten später schließt er sein Gebet ab mit Wünschen à la "beschütze die Weiber und die Schwachsinnigen . . . dann werde ich, John-Emery Rockefeller, nicht allzu schlecht von dir denken." Es wird nicht der letzte epische Monolog bleiben. Was soll man auch viel tun, wenn man in so einer Blockhütte auf engstem Raum zusammenlebt und wartet, dass einen die Rothäute massakrieren.

Während im "echten" Western die endlose Prärie, kitschige Sonnenuntergänge und staubige Straßen die Hauptrolle spielen, verlegte Autor René de Obaldia die Handlung seines Kammerwestern in die, genau, Kammer, sprich ins rustikale Wohnzimmer der Rockefellers: mit rohen Holzwänden und einfachen Holzmöbeln bis ins Detail stilgerecht ausgestattet.

Die irgendwo in Kentucky spielende Geschichte ist in wenigen Sätzen erzählt: Indianer bedrohen die Ranch. Ihre Absicht: sengen und morden. Der alte Raubauz mit den gotteslästerlichen Flüchen verteidigt sich mit Hilfe eines edlen, zu Unrecht der Komplizenschaft mit Gangstern verdächtigten Sheriffs (Achim Fuchs), einer Hure mit goldenem Herzen (Anika Krämer), eines nicht minder edlen, aber versoffenen Quacksalbers (Georg Holzapfel) und seiner Familie mit vielen gut gezielten Flintenschüssen aus den Fenstern, bis endlich die herbei gesehnte Unterstützung aus dem nahen Fort eintrifft. Ende. Das kann langweilig sein, muss es aber nicht: Die spielfreudige Truppe des Theatervereins Wemmetsweiler jedenfalls hatte einen Heidenspaß an diesem Klamauk, was sich auf die Zuschauer übertrug. Besonders viel komödiantisches Talent zeigte Martina Thewer-Zimmer in ihren spiritistischen Sitzungen, in denen sie sich von der Kristallkugel in Trance versetzen ließ.

Herrlich überdreht auch der hummerrot angemalte Philipp Heinz in seiner Bruder-Doppelrolle als "guter" Häuptling Hühnerauge und "böses" Luchsauge. Wild gestikulierend und sich dabei einen herrlich schrägen Kauderwelsch-Schlagabtausch mit Rockefeller Senior liefernd, sprang er wie ein Flummi herum, wofür ihm jeder Kinderarzt sofort Ritalin verordnet hätte.

Als Feministin mit ernst zu nehmenden musikalischen Ambitionen outete sich Rockefellers Töchterchen Pamela, ausdrucksstark gespielt von Lisa Jochum. Da kamen Erinnerungen hoch: 1968 und 1975 hatte der Verein bereits die Westernkomödie auf die Bühne gebracht. Als Einziger vom damaligen Ensemble ist Klaus Krämer wieder dabei - seine einstige Rolle des Taugenichts der Familie vererbte er an Emil Mura, der den Tom mit jugendlicher Lässigkeit gab.

Von Ferne aus dem Krankenbett konnte Regisseur Klaus Kessler stolz auf seine Mannschaft sein. Die belohnte Autor Obaldia in seinem Stück, das er ebenso gut "Wind in den Zweigen des Nelkenzimtbaumes" hätte nennen können, am Ende übrigens noch mit diversen Erdölvorkommen unter dem Grundstück der Rockefellers - der Anfang einer anderen, typisch amerikanischen Geschichte.

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