Serie Menschen im Landkreis Neunkirchen Auf diesen Schüler ist auch die Schule stolz

Merchweiler · In den sieben Städten und Gemeinden des Landkreises Neunkirchen leben 131 000 Menschen, 64 500 Männer und 66 500 Frauen (Info: Kreis). Und jeder von ihnen ist etwas ganz Besonderes. In dieser Serie stellen wir in lockerer Folge Menschen vor und das, was sie so besonders macht. Heute: Ibrahim Abdo aus Merchweiler.

 Ibrahim Abdo will nach dem Abitur gerne Jura studieren.

Ibrahim Abdo will nach dem Abitur gerne Jura studieren.

Foto: Sibille Sandmayer

Für einen gesunden, jungen Menschen ist es völlig normal, morgens aufzustehen, seiner Morgenroutine nachzugehen und sich danach auf den Weg zur Schule zu machen. Dort angekommen schlendert er durch die Schulflure, trifft Freunde, sucht sich seinen Platz im Klassensaal und folgt dem täglichen Unterricht. Doch was wäre, wenn einer seiner fünf Sinne ihn plötzlich im Stich lässt? Ibrahim Abdo besucht zurzeit die zehnte Klasse an der Ganztagsgemeinschaftsschule (GGS) in Neunkirchen und arbeitet zielstrebig auf sein Abitur hin. Was sich hier als völlig normale Situation eines jungen Mannes darstellt, ist aber alles andere als normal: Denn Ibrahim Abdo besitzt nur noch zwei Prozent seiner Sehkraft.

Im Alter von drei Jahren begann sich die Netzhaut seiner Augen abzulösen und stahl dem Kind so den Großteil seiner Sehkraft. Als eines von vier Kindern der Abdo-Familie besuchte er die Grundschule in Merchweiler und kam später an die Förderschule für Blinde und Sehbehinderte in Lebach.

„Dort habe ich mich nie richtig wohlgefühlt und auch die Förderung hat mir leider nicht wirklich viel gebracht. Nachdem ich meinen Hauptschulabschluss abgelegt hatte, wollte ich unbedingt noch auf eine andere Schule, um mein Abitur zu machen.“ Mit viel Nachdruck erklärt der gebürtige Saarländer, dass er sich bei seinem Ziel von niemandem aufhalten ließ und auf eigene Faust die Schulen im Saarland anrief. „Hier an der GGS wurde ich dann zu einem Kennenlerngespräch eingeladen und wurde daraufhin an der Schule angenommen. Ich habe zwei bis drei Wochen gebraucht, um mich einzugewöhnen und die Schule kennenzulernen. Heute fühl ich mich wirklich wohl hier und brauche auch nicht mehr Hilfe von anderen, um mich durch die Schule zu bewegen.“

Sowohl seine Integrationshelferin Nadine Hassel als auch seine Mitschüler helfen ihm im Unterricht, beim Wechsel von Klassensälen oder bei Schulausflügen. So ist es dem 18-Jährigen möglich, einer normalen Schullaufbahn bis zum Abitur zu folgen. Im Unterricht benutzt er meist ein iPad zum Arbeiten, mit dem er zum Beispiel Arbeitsblätter mehrfach vergrößern und so besser lesen kann. „Blindenschrift habe ich nie gelernt, was aber wahrscheinlich besser gewesen wäre. Aber ich komme auch so gut mit im Unterricht und auch das Homeschooling macht mir keine Probleme.“

Normalerweise fährt der in Merchweiler wohnende Ibrahim mit dem Taxi zu Schule und zurück, was in den letzten Monaten durch den Lockdown aber nicht nötig gewesen ist. Das Modell des Homeschoolings ist für ihn sogar einfacher, da er sich seine Zeit für die verschiedenen Aufgaben selbst einteilen und so individueller arbeiten kann. Wenn es dann doch einmal Probleme geben sollte, hilft ihm seine ältere Schwester. Politik und Geschichte interessieren ihn als Schulfächer am meisten, doch auch in Mathe, Englisch und Deutsch schreibt er gute Noten, wie Nadine Hassel hinzufügt. Ibrahim: „Ich würde gerne später mal Jura studieren und habe auch gehört, dass das schon einige sehbehinderte Menschen gemacht haben. Und dafür würde ich gerne weg aus dem Saarland, zum Beispiel nach Nordrhein-Westfalen oder Berlin. Dort hat man einfach mehr Perspektiven als hier.“

In seiner Freizeit trifft sich der junge Mann mit syrischem Hintergrund normalerweise gerne mit Freunden und hört Musik. Und wenn es ihn nach draußen zieht, benutzt er zur Hilfe einen Blindenstock oder wird von seinen Freunden beim Laufen über für ihn ungewohnte Wege unterstützt.

Auch der Direktor der GGS Neunkirchern, Clemens Wilhelm, ist sehr froh, Ibrahim auf seiner Schule zu haben: „Er ist wirklich eine Bereicherung, vor allem für seine Klasse. Die Schüler sind sehr viel sensibler geworden im Umgang miteinander und Ibrahim hat einen ruhigen und besonnen Einfluss auf die Klasse. Wir sind stolz, dass alles für ihn und mit ihm so gut läuft auf unserer Schule.“

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