So sehen die Verwaltungschefs im Kreis Neunkirchen 2021 „Wir müssen Änderungen annehmen“

Wie die Verwaltungschefs auf das neue Jahr blicken. Auftakt mit der kleinsten Gemeinde im Kreis, Merchweiler.

 Patrick  Weydmann.

Patrick Weydmann.

Foto: Andreas Engel

2020 war so ziemlich für jeden Einzelnen, aber auch für die Kommunen ein Jahr zum Vergessen. Was waren die größten Herausforderungen für das Rathaus?

Weydmann Corona natürlich. Daneben haben wir trotz dienstbedingten Ausfällen sehr viel bearbeitet bekommen. Projekte wie Merchtalblick (Seniorenresidenz des Arbeiter-Samariter-Bundes), Kunterbund (Kinderzentrum in der Wolfskaul durch privaten Träger), Neubau Grundschule im Allenfeld (Grundsteinlegung Ende Januar 2021) sind angestoßen und werden in nächster Zukunft vollendet. Durch den Beitritt zum Saarlandpakt sind die Liquiditätskredite quasi halbiert worden. Das Neubaugebiet Kässeiters II wurde vollendet. Fast alle 29 Baustellen sind schon bebaut. Das Neubaugebiet Auf´m Sonnenhügel mit zehn Baustellen ist im Vorstufenausbau schon fertig. Die ersten Bauten entstehen im Frühjahr 2021.

Ist es für Mitarbeiter des Ordnungsamtes psychisch belastend, wenn sie in der Öffentlichkeit Dinge wie Maskentragen oder Abstand halten durchsetzen müssen über Monate hinweg?

Weydmann Ja sicherlich. Aber in Merchweiler und Wemmetsweiler sind die meistens Menschen sehr diszipliniert. Es gab diesbezüglich kaum Verstöße. Belastend sind aber vor allem die zahlreichen Hinweise, nicht selten Denunziationen, denen man im Regelfall doch nachgehen muss.

Die öffentlichen Haushalte waren zuletzt auf dem Weg der Konsolidierung. Der Saarland-Pakt hatte dazu beigetragen. Was wird daraus jetzt? Wann schlagen einbrechende Gewerbesteuern richtig durch?

Weydmann Die Erträge sind nach jetzigem Stand zirka eine Million Euro niedriger als der Haushaltsansatz 2020 vorsah. Die Mindereinnahmen könnten wir in Teilen durch Minderausgaben ausgleichen. Da wir aber noch keine fixen Zahlen haben, bewegen wir uns da auf wackeligem Boden.

Kultur, Veranstaltungen, Altennachmittage – viele Dinge des öffentlichen Lebens haben massiv gelitten. Wie lässt sich das in den kommenden Monaten wieder in unser Leben zurückbringen?

Weydmann Derzeit sehe ich da keine Möglichkeit. Im Gegenteil. Es wird sich viel, insbesondere auch im Hinblick auf Feste, ändern. Ich kann mir persönlich nicht vorstellen, dass es in diesem Jahr beispielsweise Dorf- und Volksfeste mit herkömmlichem Ausschank, also Gezapftes vom Fass und Industriespülmaschinen, geben wird. Auch die Altennachmittage mit bis zu 200 Personen in den Sälen auf engstem Raum sind derzeit nicht vertretbar. Bezüglich des Kulturprogramms wollen wir, sofern die Zahlen sich stabilisieren, im zweiten Halbjahr wieder forcieren. Diesbezüglich hatten wir im Spätherbst noch Konzerte, die unter strengen Auflagen durchgeführt wurden. Im Großen Kuppelsaal in Wemmetsweiler durften 50 Personen anstatt 200 Veranstaltungen besuchen. Sie hatten einen festen Sitzplatz, es gab keinen Ausschank, aber Masken- und Desinfektionspflicht. Diese Veranstaltungen kamen positiv an.

Bürgermeister besprechen sich untereinander oder besuchen Aufsichtsräte mittlerweile digital am Bildschirm. Hat das mehr Vor- oder Nachteile?

Weydmann Die digitalen Besprechungen empfinde ich als gut. Es werden weniger Ressourcen verschwendet. Zeit wird eingespart. Fahrtkosten fallen geringer aus. Die Umwelt wird weniger belastet. Allerdings ist die Verbindlichkeit von Rats- und Ausschusssitzung wegen technischer Probleme derzeit noch nicht gegeben. Das muss in den nächsten Wochen unbedingt abgestellt werden, um auch verbindlich und gesetzeskonform zu tagen, zu diskutieren und vor allem Beschlüsse fassen zu können.

Homeoffice ist von der Randerscheinung zu einem Modell für viele Arbeitnehmer geworden. Wird in den Verwaltungen damit auch gearbeitet, wenn die Pandemie-Problematik vom Tisch sein sollte?

Weydmann Ja. Absolut. Wir sind die einzige Gemeinde im Landkreis, die komplett in der heißen Pandemiephase im April und jetzt seit Mitte November auf Schichtdienst umgestellt hat. In der Verwaltung und im Bauhof gibt es zwei Teams. Team A kommt am Montag und Team B kommt am Dienstag. So setzt sich das ein über den anderen Tag fort. Die Mitarbeiter in Homeoffice haben nicht frei, sie sind in Bereitschaft. Sie müssen ständig telefonisch erreichbar sein. Des Weiteren wurden 20 Homeoffice-Arbeitsplätze eingerichtet. Das System funktioniert zu meinem eigenen Erstaunen sehr gut. Daneben werden Termine vorher vergeben. Im Merchweiler Rathaus, hier ist der meiste Publikumsverkehr, werden Besucherinnen und Besucher, nachdem sie geklingelt haben, von einer Bediensteten zum Sachbearbeiter geführt. Vorher erfolgt die Handdesinfektion und die Kontrolle der Einhaltung der Maskenpflicht. Die Termine werden sehr genau – von den Bürgerinnen und Bürgern und von den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern – eingehalten. Es entstehen keine Staus. Das Infektionsrisiko ist gering.

 Das Rathaus Merchweiler mit der EU-Flagge.

Das Rathaus Merchweiler mit der EU-Flagge.

Foto: Patrick Weydmann

Was ist Ihr ganz persönlicher Wunsch für dieses 2021?

Weydmann Wir müssen die Pandemie besiegen. Aber wir müssen auch Änderungen annehmen, die wir jetzt schon in der Pandemie leben. Insbesondere der in den letzten Jahren völlig ausgeartet Flug- und Reiseverkehr, zum Beispiel für zehn Euro nach „Malle“, Kreuzfahrten und „Saufkreuzfahrten“ zum Spaß muss im Sinne der Ressourcenschonung und der Umwelt zu liebe ein Ende haben. In diesem Pandemie-Sommer war ich wieder sehr viel in der Natur. Täglich besuchte ich zu Fuß das Projekt „Vogelzug und wilde Weiden“ – „Habichtsweiden“ rund um den Absinkweiher Hahnwiese. Jedes einzelne der neuen Tiere habe ich so kennengelernt. Und die mich auch, da ich immer meine auffällige Sportkleidung anhatte. Meine Frau Anja war noch öfters dort. Ulli Heintz hat sie mal als die „Patin“ der Rinder, Ponys und Wasserbüffel bezeichnet. Und wissen sie, was wir besonders genossen haben? Den lärmfreien Himmel und das tiefe Blau, das nicht mehr durch hunderte von Kondensstreifen verschwinden musste. Man sah richtig, was wir uns und der Natur in den letzten Jahren angetan haben. Ganz zu schweigen von den Hunderten von Tonnen Kerosin, die auch im Saarland jedes Jahr auf uns alle runterrieseln und die schlimme Atemwegserkrankungen und Krebs auslösen.

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