Klassiker ist noch immer aktuell

Wemmetsweiler · Als Schullektüre ist Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ so manchem begegnet. Die Akteure des Theatervereins Wemmetsweiler fesselten das Publikum mit ihrer Darbietung. Am Wochenende gibt es noch zwei Aufführungen.

 Engelglaube oder Vernunft? Nathan (Gerd Kessler) diskutiert mit Adoptivtochter Recha (Maike Puhl, Mitte) und deren Gesellschafterin Daja (Hannelore Seiffert). Foto: Anika Meyer

Engelglaube oder Vernunft? Nathan (Gerd Kessler) diskutiert mit Adoptivtochter Recha (Maike Puhl, Mitte) und deren Gesellschafterin Daja (Hannelore Seiffert). Foto: Anika Meyer

Foto: Anika Meyer

Wären doch alle Menschen so weise wie Nathan, dann wäre die weltpolitische Lage so entspannt wie der Theaterabend am Sonntag im Rathaus Wemmetsweiler . Nathan (Gerd Kessler), der reiche, in Jerusalem lebende Jude, macht keine Unterschiede zwischen Völkern und Religionen. Dem Al-Hafi (Martin König), Anhänger des Zarathustra, ist er eng verbunden und auch mit dem moslemischen Sultan Saladin (Achim Fuchs) und dem christlichen Tempelherrn (Philipp Heinz) schließt er bald Freundschaft. Er versteht es, entwaffnend zu reagieren. "Jud ist Jud" sagt der Tempelherr anfangs noch und kann sich nicht vorstellen, dass ein Jude versteht, wie ein Christ denkt. "Ich weiß, wie gute Menschen denken, weiß, dass alle Länder gute Menschen tragen", sagt Nathan. "Sind denn Christ und Jude eher Christ und Jude als Mensch?"

Topaktuell - leider - sind die Konflikte, die Gotthold Ephraim Lessing schon vor 250 Jahren in "Nathan der Weise" anprangerte. Deshalb hatte sich Gerd Kessler, Vorsitzender und Regisseur des Theatervereins, für den Klassiker entschieden und damit seit langem gegen eine Komödie. Feinsinniger Humor war trotzdem dabei, außerdem entpuppte sich die Geschichte als eine jener, in denen man sich so richtig verlieren kann. Allein zwei Treppen, die mal Wände, mal Fenster oder Terrassen andeuteten, bildeten das Bühnenbild. So blieben Haus, Palast und Palmenhain der Fantasie überlassen, wirkte das Spiel ohne feste Konturen ein wenig wie traumhaftes Geschehen. Orientalische Musik und Schummerlicht auf der Bühne taten ihr Übriges, wenn Letzteres auch so nicht beabsichtigt war: Kurz vor der Premiere hatten zwei Scheinwerfer den Geist aufgegeben.

Der Theaterverein brauchte ohnehin nicht mehr als sein hervorragendes Spiel, um das Publikum zu fesseln. Dass der in fünfhebigen Jamben geschriebene Text höchste Aufmerksamkeit forderte und keine Improvisation zuließ, merkte man kaum. Locker sprudelte sie dahin, die Geschichte, mischten auch Saladins Schwester (Heike Cupelli), der Patriarch (Hendrik Dörr) und der Klosterbruder (Georg Holzapfel) noch mit.

Ein bisschen schwer lastet Nathans Vernunft auf Adoptivtochter Recha (Maike Puhl) und ihrer Gesellschafterin Daja (Hannelore Seiffert), die zu gerne geglaubt hätten, Recha wäre beim Brand in Nathans Haus von einem Engel gerettet worden. Nathan tröstet sie: "Es ist Arznei, nicht Gift, die ich dir reiche." Schließlich löst er auch noch Rechas kleines Drama aus: Er findet heraus, dass sie und ihr angebeteter Tempelherr Geschwister sind. Doch beide finden auf neue Art zueinander.

Das Stück wird wiederholt am Samstag und Sonntag, 12. und 13. Dezember.

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