Landkreis befürchtet "Hartz-IV-Chaos"

Neunkirchen. Genau 12 030 Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II betreut aktuell die Arge im Landkreis Neunkirchen. Darunter sind 3100 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. 5820 dieser Hartz-IV-Bezieher leben in so genannten Bedarfsgemeinschaften. Diese Zahlen nannte Christine Steimer, eine der beiden Arge-Geschäftsführerinnen, jetzt der SZ

Neunkirchen. Genau 12 030 Bezieher von Arbeitslosengeld (ALG) II betreut aktuell die Arge im Landkreis Neunkirchen. Darunter sind 3100 Kinder und Jugendliche unter 15 Jahren. 5820 dieser Hartz-IV-Bezieher leben in so genannten Bedarfsgemeinschaften. Diese Zahlen nannte Christine Steimer, eine der beiden Arge-Geschäftsführerinnen, jetzt der SZ. Seit November sei zu beobachten, so Steimer, dass die Wirtschaftskrise durchschlage und die Arge-Klientel zahlenmäßig vergrößere. Man rechne mit einem Anstieg um 9 bis 9,5 Prozent im Laufe des Jahres 2010.Ab 2011 wird sich diese schwächste Schicht der Gesellschaft voraussichtlich tiefer im bürokratischen Wust verstricken. Die im Sozialgesetzbuch II vorgesehene "Hilfe aus einer Hand" droht auszulaufen. Zur Vorgeschichte: Als die Hartz-IV-Reform Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenlegte, wurden ab 2005 "Jobcenter" ins Leben gerufen, in denen die Argen - ein Zusammenschluss von Fachbediensteten der Kommunen und der Agentur für Arbeit - die Langzeitarbeitslosen gemeinsam betreuten. Für diese Behördenmischform fehle die verfassungsrechtliche Grundlage, urteilte 2007 das Bundesverfassungsgericht und gab der Bundesregierung bis Ende 2010 Zeit, dies zu ändern. Die schwarz-gelbe Koalition in Berlin setzt nun auf eine lose und freiwillige Zusammenarbeit der bisherigen Partner, bei der die Arbeitsagentur die Federführung hat. Von vielen befürchtete Folge: Mehr Bürokratie, mehr Kosten. Für die Betreuten geht Orientierung verloren.Gegen die Zerschlagung der Argen haben wie berichtet jetzt die Personalräte der Landkreise bei der Landesregierung protestiert. Zu den Verfassern des Protestschreibens gehört auch Yvonne Fegert, seit drei Jahren Personalratsvorsitzende des Kreises Neunkirchen. "Wir wollen, dass alles in einer Hand bleibt", so Fegert zur SZ. Sie weiß sich der Unterstützung des Landrats sicher: "Wichtig ist, dass es für die Betroffenen kurze Wege gibt und keine bürokratischen Hürden", so Rudolf Hinsberger. Beide weisen darauf hin, dass der Kreis seinen Einfluss bei der Betreuung der Langzeitarbeitslosen weitgehend einbüßen würde, obwohl dessen Mitarbeiter die Verhältnisse vor Ort am besten kennen. Auch auf die ungewisse Zukunft des "Hartz-IV-Personals" weisen sie hin. Insbesondere müsse das Dutzend Mitarbeiter, das im Hinblick auf das Arge-Ende nur befristete Verträge habe, übernommen werden.Am liebsten wäre Yvonne Fegert und ihren Kollegen, die kommunale Ebene würde die Sache ganz übernehmen. Dieses "Optionsmodell" ist bislang auf bundesweit 69 Kreise beschränkt, im Saarland managt nur der Kreis St. Wendel Hartz IV selbstständig. Arge-Chefin Christine Steimer hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass eine Verfassungsänderung die Argen als eigene Behörde doch noch auf gesetzlichen Boden stellt. Die SPD hat dies beantragt, doch ob Schwarz-Gelb mitzieht, ist sehr fraglich. Wenn aber die Eckpunkte der Regierungskoalition Realität würden, sieht Steimer voraus, "wird das Chaos ausbrechen".

Auf einen BlickExakt 139 Beschäftigte hat zur Zeit die Arge im Landkreis Neunkirchen. 55 davon stellt der Kreis, die anderen kommen von der Bundesagentur für Arbeit. Bei der Gründung der Arge im Jahr 2005 wurden ins Personalkontingent des Kreises 44 Beschäftige aus den Sozialämtern der Kreis-Kommunen übernommen. Diese Ämter waren im Zuge der Hartz-IV-Reform aufgelöst worden. gth

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