Ausstellung im Neunkircher Kult Über die Schönheit des Lebens

Neunkirchen · Bis 9. August sind die „Spiegelungen“ von Bettina van Haaren im Kult zu sehen.

 Bis 9. August sind die „Spiegelungen“ von Bettina van Haaren im KULT präsent. Foto: Anja Kernig

Bis 9. August sind die „Spiegelungen“ von Bettina van Haaren im KULT präsent. Foto: Anja Kernig

Foto: Anja Kernig

Von Anja Kernig

Es gibt wohl kaum etwas trostloseres als einen Weihnachtsbaumtorso: Gerade noch stolzes Symbol des christlichen Hoffnungsfestes, bleibt von Glanz und Gloria nur ein entastet-nackiger Stamm mit ein paar Restnadeln zurück. Auf Bettina van Haarens so verstörenden wie faszinierenden Bildern im „Kult“, dem Kulturzentrum Neunkirchen, sieht man etliche dieser pflanzlichen Torsi zwischen naturalistischen Tieren und Früchten, Madonnen und Soldaten, bunten Plastiktüten und Kirmes-Luftballons. Was sich aber noch weitaus häufiger, meist sogar mehrfach auf jedem der 60 Exponate der am Samstag eröffneten Ausstellung „Spiegelungen“ der Städtischen Galerie Neunkirchen finden lässt, ist Bettina van Haaren selbst: ihr Gesicht, ihr Körper, ihre Extremitäten – in immer neuen Varianten und Bezügen. Da dehnen sich Gliedmaßen weit über ihre natürliche Länge hinaus oder ragt schon mal ein Fuß aus dem Schambereich.

In einem Interview erklärte Bettina van Haaren: „Zentral ist mein Körper, weil das für mich die authentischste Sicht ist. Ich stelle mich mir möglichst schonungslos und offen, in dem ich mich auch nicht bekleidet darstelle. Die Gesellschaft lehnt das ab und wird oft auch wütend, wenn ich auch den inzwischen alternden Körper zeige, der jedoch auch schön sein kann. Ich wende mich eben dem Leben zu. Ich stelle mich ein Stück gegen diesen Neuheits- und Schönheitswahn. Das Gewebe von Adern ergibt einen wunderbaren Grünton in der Haut. Falten zeigen etwas von Lachen, manchmal von Bitterkeit, aber all das gehört dazu.“ Diese Schau ermöglicht ein Wiedersehen mit der im Ruhrpott lebenden Künstlerin und ihren Werken. „Sie hatte ja 2010 eine große Einzelausstellung bei uns“, erinnert Galerieleiterin Nicole Nix-Hauck. „Jetzt war es interessant zu sehen, was seit dieser Zeit bis heute entstanden ist. Als sie fragte, ob wir Kooperationspartner für ,Spiegelungen’ und den begleitenden Katalog sein möchten, waren wir neben dem niederländischen CODA-Museum Appeldorn und dem Kloster Bentlage im Münsterland gerne mit dabei.“

Die Galerie-Leiterin weiter: „Bettina van Haaren ist in ihrer Radikalität und in der Konsequenz, mit der sie ihren Weg geht, ebenso wie in ihrer künstlerischen Qualität eine absolute Ausnahmeerscheinung.“ Dass ihre Bilder so unbequem, sperrig und von vielen schwer aushaltbar sind, kommt nicht von ungefähr: „Die Künstlerin konfrontiert uns mit vielem, dem wir uns eigentlich nicht stellen wollen: Vergänglichkeit, unsere Ängsten, Altern, Tod. Dass sie diese Themen durch ihre grandiose realistische Malweise so präsent macht und im Grunde nicht nur sich selbst, sondern auch uns den Spiegel vorhält, führt dazu, dass wir uns diesen Bildern nur schwer entziehen können.“

Sehen wollten das am ersten Tag 14 Menschen. „Was für einen Samstag an Pfingsten gut ist“, betonte Markus Müller, Chef der Kulturgesellschaft Neunkirchen. „Damit ist nun auch unsere dritte Abteilung wieder am Start. Nach Bildung - mit VHS und Musikschule – steht nun die Kunst wieder im Mittelpunkt.“

Darüber freute sich nicht zuletzt das Ehepaar Andres. Von Schiffweiler aus kamen sie „relativ regelmäßig“ in die städtische Galerie, so auch Pfingstsonntag. „Wir haben schon sehr gute Sachen hier gesehen“, lobte Angelika Andres. An das Tragen der Masken in der fast menschenleeren Galerie und den per Absperrseilen und Schildern geregelten Rundgang musste man sich gewöhnen – ebenso wie die Darstellungen van Haarens. Angelika Andres fiel es zunächst „sehr sehr schwer, Zusammenhänge zu finden.“ „Verblüfft“ sei sie über die täuschend echte Malweise. Dinge, „die am künstlichsten sind, wirken am echtesten“ – ein Phänomen. Als hilfreich erlebte Heinzjosef Andres die im Nebenraum gezeigte, im Mai 2020 gedrehte Dokumentation. „Da gibt es eine Menge Infos.“

So verriet Bettina van Haaren beim Dreh in ihrem Atelier, dass sie „extrem lang“, sprich bis zu 1500 Stunden, an einem Bild arbeitet. „Das kann gar nicht schnell zu entschlüsseln sein.“ Erst mit genügend Geduld können sich ihre „Bildromane“ dem Betrachter offenbaren. Was Hannelore Seiffert ähnlich sieht: „Eine absolut phantastische Ausstellung, die so schnell nicht mehr aus dem Kopf gehen wird“, schrieb sie ins Gästebuch. „Ein Muss zum Mehrfach-Sehen.“ 

 Bis 9. August sind die „Spiegelungen“ von Bettina van Haaren im Kult zu sehen. Auf unserem Foto schauen sich Angelika und Heinzjosef Andres die Bilder an.

Bis 9. August sind die „Spiegelungen“ von Bettina van Haaren im Kult zu sehen. Auf unserem Foto schauen sich Angelika und Heinzjosef Andres die Bilder an.

Foto: Foto: Anja Kernig

(> ausführliche Kritik zur Ausstellung auf der B 4)

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