Flüchtlinge in Neunkirchen Freie Wohnungen dringend gesucht

Neunkirchen · Neunkirchens Beigeordneter Thomas Hans sendet einen Hilferuf: Für die Flüchtlinge wird dringend Wohnraum gebraucht – und das sofort. Notunterkünfte können seiner Meinung nach nicht die Lösung sein.

 Gertrud Backes, Leiterin des Amtes für Soziale Dienste, Kinder, Jugend und Senioren.

Gertrud Backes, Leiterin des Amtes für Soziale Dienste, Kinder, Jugend und Senioren.

Foto: Elke Jacobi

Manchmal, so erzählt Gertrud Backes, wacht sie nachts auf und sucht nach Lösungen, denkt möglicherweise an ihren Schrank im Büro. Dort hat sie Aufzeichnungen hängen, so erzählt die Leiterin des Neunkircher Amtes für Soziale Dienste, Kinder, Jugend und Senioren. Flüchtlinge auf der einen, Unterkünfte auf der anderen Seite. Und sinniert, wie sie beides zusammenbringen könnte. Während sich Menschen längst mehr mit den Folgen des Ukraine-Krieges, vor allem seinen Auswirkungen auf die eigene Energieversorgung, beschäftigen, als mit dem Krieg selbst und was er für die Menschen in diesem europäischen Land bedeutet, sind die Mitarbeiter im Rathaus in Neunkirchen teils an den Grenzen ihrer Belastbarkeit. „Wir haben längst ähnliche Zahlen wie in den Jahren 2015/2016, als die syrischen Flüchtlinge zu uns kamen“, erzählt der Beigeordnete der Stadt Neunkirchen, Thomas Hans.

Betreuung wichtig

Backes hat die Zahlen parat. Mit 439 in 2015 war dies das stärkste Jahr, 2016 kamen 210 Menschen. In diesem Jahr sind es bereits 277 Flüchtlinge, die der Stadt zugewiesen wurden: 203 Ukrainer, 59 Syrer, sieben Aussiedler und acht Afghanen. Und die müssen alle untergebracht werden. Und betreut. Für Letzteres arbeitete man schon früh mit den Wohlfahrtsverbänden Caritas, Diakonisches Werk, Rotes Kreuz sowie mit Landkreis und Jobcenter zusammen. „Das hat auch sehr gut funktioniert“, sagt Hans. Auch mit den Kirchen hat man sich vernetzt. Letzten Endes haben Caritas und Diakonisches Werk Mitarbeiter für die Betreuung bereitgestellt.

Viele unterschiedliche Konstellationen

Bleibt das Problem der Unterbringung. „Die“, so erklärt Hans, „regeln das Land und die Kommune.“ Der Kreis sei nur für die Auszahlungen zuständig. „Und das Land ist verteufelt schnell“, sagt der Beigeordnete. Über eine Quote werden die Flüchtlinge verteilt im Landkreis, gemessen an der Einwohnerzahl der Städte und Gemeinden. Nach Neunkirchen kommt rund ein Drittel der für den Landkreis vorgesehenen Flüchtlinge. War es damals bei Ankunft der Syrer so, dass etwa einmal im Monat die Ankunft neuer Menschen angekündigt wurde, so ist es heute so, dass fast täglich mit Neunankömmlingen gerechnet werden muss. „Manchmal bekommen wir drei Mal die Woche Meldungen“, sagt Backes. „Die Vorlaufzeit ist sehr kurz“, ergänzt Hans. Und der Wohnraum knapp. Da sei Neunkirchen nicht mit anderen Gemeinden im Landkreis vergleichbar. Anfangs war es noch einfach, da konnte man auf die Leerstände der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft (GSG) zurückgreifen. Das ist schon länger vorbei. Längst ist das Robinsondorf dauerbelegt, ebenso das Karl-Ferdinand-Haus. Das leerstehende Gebäude hat die Stadt angemietet. „Da war ja Gott sei Dank noch möbliert“, erinnert sich Backes. Herde, Waschmaschinen mussten noch angeschafft werden.

Seit Monaten im Robinsondorf

Denn das ist der wichtige Punkt: Die Menschen sollen eigentlich Selbstversorger sein. Deshalb will man an Hotelanmietungen noch nicht denken und möchte auch gerne vor allem aus dem Robinsondorf raus. Das sollte eigentlich nur eine Übergangslösung sein. Mittlerweile gibt es Menschen, die hier seit Monaten leben.

Das heißt im Klartext: Es wird dringend Wohnraum benötigt. Gibt es den nicht, kommt es zu dem, was Hans als letztes will: der Belegung von Hallen. Hans kennt das noch, schließlich kommt er aus der Wohlfahrt, war 30 Jahre bei der Caritas. Er erinnert sich an Hallenbelegungen. „Das ist menschenunwürdig“, sagt er. Und bringe zusätzlich Verärgerung bei den Bürgern, die die Gebäude dann nicht mehr nutzen können. Und es kostet Geld, schließlich braucht so eine Halle dann Trennwände, Spielecken. Essen und Wäsche-Waschen müssen außerdem geregelt werden.

Am liebsten möblierte Einzimmerwohnungen

Super ist es, wenn Wohnungen schon möbliert sind. Gerne Ein-Zimmer-Wohnungen. Ein Glücksfall, wenn eine Wohnung sonst nur zeitweise genutzt war oder wegen Einzug ins Seniorenheim frei wird. Insgesamt 105 Wohnungen hat die Stadt bereits angemietet, dazu kommen zwei Häuser und private Anmietungen durch die Flüchtlinge selbst. Was die Sache schwierig macht: Während die syrischen Flüchtlinge damals überwiegend Männer waren, die gemeinsam ein Haus mit Einzelzimmern und gemeinsam genutzter Küche beziehen konnten, gibt es jetzt jede denkbare Konstellation: Einzelpersonen, Ehepaar mit Schwiegermutter, eine Frau mit fünf Kindern . . .

Alle Wohnungen guckt sich Gertrud Backes an. Dann wird organisiert, was noch gebraucht wird. Das alles bindet viel Arbeitskraft. Zumal das Amt längst Ansprechpartner in allen Lebenslagen für die Flüchtlinge geworden ist. „Wir übernehmen ja die Verantwortung für die Menschen“, sagt Backes. „Ich appelliere an alle Menschen guten Willens“, hofft Hans, dass sich noch geeigneter Wohnraum findet, sich die Lage für die Mitarbeiter, aber auch für die aus dem Krieg geflüchteten Menschen entspannt.

 Der Beigeordnete Thomas Hans sorgt sich wegen fehlender Flüchtlingsunterkünfte.

Der Beigeordnete Thomas Hans sorgt sich wegen fehlender Flüchtlingsunterkünfte.

Foto: Elke Jacobi

Wohnraum kann man melden per E-Mail: soziales@neunkirchen.de oder unter Telefon (0 68 21) 202-415.

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