Kolumne Apropos Setz Dich doch einfach dazu

Abstand halten, den anderen nicht zu nahe kommen: Das war in Corona-Zeiten das Gebot der Stunde. Aber das tun wir sowieso. Manchmal mit kuriosen Folgen.

Kolumne über Paul Watzlawick
Foto: Robby Lorenz

Was passiert, wenn ein Südamerikaner einem Nordamerikaner zu nahe auf die Pelle rückt? Richtig, der Ami fällt vom Balkon. Schlimmstenfalls. Glauben Sie nicht? Die Geschichte hat sich tatsächlich mehr als einmal so in einem Reit-Klub in Sao Paolo zugetragen, wie der Kommunikationswissenschaftler Paul Watzlawick berichtet. Der Grund ist kultureller Natur, nämlich unterschiedliches Territorialverhalten. Nordamerikaner und Europäer halten einen natürlichen Abstand zum Gegenüber von einer Armlänge ein. Das ist ihr persönlicher Schutzraum. Bei Südamerikanern ist dieser Abstand kürzer, somit rücken sie im Gespräch näher aneinander heran. Der Nordamerikaner ist dagegen immer weiter zurückgewichen, um seinen „richtigen“ Abstand einzuhalten und schließlich vom Balkon geplumpst.

Dieses Territorialverhalten hat jeder von uns. In Bus oder Bahn setzen wir uns automatisch da hin, wo frei ist. Manch einer grenzt seinen Raum mit Mantel oder Tasche auf dem gegenüberliegenden Sitz ab, um sein Territorium zu markieren und zu verteidigen. Damit sich niemand dazu setzt.

Ganz anders läuft das in einem Café in Saarbrücken. Dort gibt es einen „Setz-dich-dazu-Tisch“. Das bedeutet, man kann und darf sich ohne Scheu zu anderen Personen dazu setzen, die vorher schon da waren. Das ist vor allem dann praktisch, wenn alle anderen Tische belegt sind, man aber trotzdem gern einen Kaffee trinken würde. Darüber hinaus fördert es die Kommunikation. Man kommt mit anderen ins Gespräch, plaudert, tauscht sich aus und erfährt Neues. Und macht nebenbei nette Bekanntschaften.

In Sao Paolo hat man übrigens reagiert, nachdem die Klubbetreiber verstanden hatten, was die Unfälle auslöst. Das Balkongeländer wurde daraufhin erhöht.

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