Kolumne Ach was?! Mit Stefan Mross nach Myanmar

Endlich hat man mal Zeit, den Denkapparat auf Vordermann zu bringen und Klavierspielen zu lernen. Oder Gälisch. Oder halt nichts.

 Marc Prams

Marc Prams

Foto: SZ/Robby Lorenz

Hallo und ein fröhliches „main g lar naeaihkainn par“! Noch vor wenigen Wochen hätte man mir bei dieser Begrüßung dazu geraten, die Füße hochzulegen und Fieber zu messen. Oder einen Dönerteller ohne Krautsalat serviert, in der Annahme, ich hätte diesen Wunsch geäußert. Jetzt, nach gut sechs Wochen in den eigenen vier Wänden, strahlt die Kassiererin in der Tanke hinter ihrer Maske und gibt mir zu verstehen: „Naykaungglarr“. Denn selbstverständlich hat auch sie die Corona bedingte Auszeit vom gesellschaftlichen Leben dazu genutzt, endlich mal ihre Kenntnisse in Birmanisch aufzufrischen. Natürlich erst, nachdem online sämtliche europäischen Sprachen nebst Ablegern wie Gälisch, Bretonisch, Merzigerisch und anderem schwierigen Zeug abgehakt waren. Dann noch flott Japanisch für Anfänger und Business-Chinesisch, bevor es zu den Exoten ging. Man möchte sich schließlich auch in Myanmar gepflegt unterhalten, sollte das Leben einen mal dahin verschlagen. Vielleicht für ein Konzert. Immerhin haben wir doch alle die Zeit genutzt und dank Youtube-Kursen den Traum vom Klavierspielen erfüllt. Mit den schönsten Melodien von Richard Claydermann an Weihnachten die Familie erfreun. Das wär’s. Oder die Heimwehmelodie von Stefan Mross auf der Trompete zu dudeln. Ja, die Corona-Krise hat dazu geführt, dass soziale Kontakte und Muskeln pfundweise abgebaut wurden, aber in der Birne sind Regionen erblüht, in denen sich bislang nur Triviales tummelte wie sämtliche Figuren aller Simpsons-Folgen oder die Hobbys der Playmates von Juni 84 bis heute. Tschüss, pornografisches Gedächtnis. Irre, wozu ein Mensch intellektuell in der Lage ist, wenn er mal ein paar Wochen nicht ins Fitness-Studio geht, an All-You-Can-Eat-Buffets in der Schlange steht oder die Bundesliga-Ergebnisse des kommenden Wochenendes tippen kann. Da ist man auf einmal froh, sich mit dem Werk von Tolstoi auseinanderzusetzen oder mit der Mechanik eines Fluxkompensators oder dem Balzverhalten des Nacktmulls.

Es hat eben immer alles auch etwas Gutes. Sogar die Corona-Krise. Also zumindest in der Theorie. . . Denn mal Hand aufs Herz: Birmanisch? Trompete? Tolstoi? Keinen Schimmer. Aber wenn ich in der ARD-Mediathek mit allen Folgen der Lindenstraße durch bin, geh ich das an. Ganz sicher. Vielleicht.

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