Kolumne Kunst ohne Worte, Worte ohne Kunst
Mit Museumsbesuchen ist das so eine Sache. Der Kunstinteressierte betritt den Schauraum. Und was macht er dann? Möglichkeit eins: Er schaut. Schaut sich die Objekte an, lässt sie auf sich wirken, macht sich seine Gedanken.
Möglichkeit zwei: Er sucht. Sucht nach den Texten, die erklären, was er sieht. Der Suchende findet sie an der Wand, am Werk, mitunter auch zu dessen Füßen am Boden. Und dann liest er. Es gebe Besucher, die hielten sich so lange am Text auf, bis sie jeden Buchstaben aufgesaugt hätten. Fürs Objekt, das dieser Text zu beschreiben suche, hätten sie dann noch wenige Sekunden übrig. Dies erklärt die kunstkundige Frau, die eine Gruppe nicht ganz so kunstkundiger Frauen und Männer durch den Kunstraum lotst und dabei sehr wohl suchende Blicke nach Texttafeln wahrnimmt. Und sie erklärt mit diesen Worten zugleich, warum in dieser Schau Objekt und Objekt-Text planvoll weit auseinander ihre Plätzchen gefunden haben. Erzieherische Wirkung. Angekommen. Kleine Randnotiz: Bei Gegenständlichem mag´s wortlos gehen, aber beispielsweise beim Werk eines Konzept-Künstlers?
Der Platzierungsentscheid aus erzieherischen Gründen entfernt sich allerdings von der reinen Lehre Ausstellungsgestaltung. Im Handbuch der allgemeinen Museologie (so heißt das wirklich) lesen wir: „Im Idealfall bilden Besucher, Objekte und Beschriftungen eine dreifache Beziehung, die für ein erfolgreiches Museumserlebnis zusammenwirken.“ Texte müssten leicht und schnell aufzufinden und so nahe beim Objekt wie möglich angebracht werden. Die Beschriftung sollte möglichst aus der Entfernung gelesen werden können, „die der Besucher gewöhnlich für die Betrachtung des Ausgestellten benötigt, d.h. etwa der doppelten Objektdiagonalen (was ist das???)“. Beim nächsten Museumsbesuch jedenfalls verrät die Blickrichtung unseren Kunstschau-Charakter.