Kolumne Pommes-Schranke der Einsamkeit

Wenn die Sachsenklinik läuft, futtern wir Chips, weil wir schon immer Chips gefuttert haben, wenn wir uns mit Heilmann, Globisch und Brentano in der Nachtschicht um einen plumonalen Dingsbums im Torax kümmern müssen, postoperativ.

Den schönsten Grund, etwas zu essen.
Foto: SZ/Lorenz, Robby

Der Mensch isst ja in der Regel regelmäßig, weil er das nun mal machen muss. Essen, trinken und atmen sind ja die drei Dinge, an die man stets denken sollte. Nun essen wir aber nicht nur, weil wir essen müssen, sondern aus einer ganzen Reihe anderer Gründe. Wir essen zum Beispiel gerne und zu viel, weil und wenn es schmeckt. Wir essen auch am Nachmittag zur Tasse Kaffee eine Puddingbrezel, weil das nun mal dazu gehört. Wir essen auch zwei Riegel Trauben-Nuss-Schokolade, eine Handvoll Gummibärchen, ein paar Stixis und den Rest Chips, wenn wir abends auf der Couch hocken und „Tatort“ glotzen, weil das alles angebrochen ist und das Zeug ja schließlich weg muss. Und wenn am nächsten Tag die „Sachsenklinik“ läuft, öffnen wir eine neue Tüte Chips, weil die alte schon wieder leer ist und wir nun mal schon immer Chips gefuttert haben, wenn wir uns mit Heilmann, Globisch und Brentano in der Nachtschicht um einen plumonalen Dingsbums im Thorax kümmern müssen, postoperativ. Und natürlich essen wir auch, wenn alles so richtig doof ist und nix klappt, aber eine frische Tüte Treets wenigstens für ein wenig Aufheiterung sorgt. Ja, es gibt viele Gründe, etwas zu essen. Den allerschönsten Grund aber kennt man in Japan. Fast schon poetisch mutet es an, wenn dort von „kuchisabishii“ die Rede ist. Das bedeutet in etwa: „Ich esse nicht, weil ich hungrig bin, sondern weil mein Mund einsam ist.“ (Zumindest steht es so im Internet, und dann wird es ja wohl stimmen, weil alles, was im Internet steht, auch stimmt.) Ist das nicht wunderschön? Essen, damit der Mund Gesellschaft hat. „Ey Günni, du fährst dir heute wieder die Pommes-Schranke rein, als wär‘ morgen Amadeus am Letzten!“ „Nee, mampf, mampf, ich esse nur, weil mein Mund sonst so alleine ist.“ Toll. Erst „kuchisabishii“ und danach schön „shnarchipofdoesii“. So nenn ich ab sofort ein kleines Nickerchen; nicht etwa, weil ich müde bin, sondern weil die Couch sich über meinen Besuch so sehr freut. In diesem Sinne: Sayonara und gussuri oyasumi.

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