Kolumne Das Nudelsieb im Jutebeutel

Hätte mir vor 40 Jahren jemand einen Flaschenöffner in die Hand gedrückt und gesagt: „Hüte diesen Flaschenöffner! Er ist selten und kostbar“, ich wäre zitternd mit dem Ding davongerannt und hätte es in meiner Kiste mit ausländischem Münzgeld, Hanuta-Sammelbildchen und Kronkorken aus dem Urlaub versteckt.

 Kommentarkopf, Foto: Robby Lorenz

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Foto: SZ/Lorenz, Robby

Was man als Kind halt so an wertvollem Zeug hat. Heute weiß ich, dass es keinen Grund zur Panik gab. Zum einen, weil Flaschenöffner zu den Dingen gehören, die niemals kaputt gehen. Zum anderen, weil Dutzende davon mit Parteilogo, Biermarke und Vereinsfarben bedruckt, in diversen Schubladen landen. Ob man will oder nicht. Dass man nie einen findet, wenn man mal einen braucht, ist ein anderes Thema. Hinzu kommt, dass der Flaschenöffner in unserem Kulturkreis hohes Ansehen genießt und daher nicht mal eben so im Mülleimer endet. Und das, obwohl ein einziger ausreicht, um sämtliche Flaschen, die während eines Lebens so gebechert werden, zu öffnen. Mit Jutebeuteln verhält es sich ähnlich. Reich wäre ich, wenn man damit bezahlen könnte. Dabei hole ich doch immer nur den selben mit. Den, der mal schön war, von irgendeiner Band. Die von Gewerkschaften und Drogeriemärkten erfüllen immerhin gute Dienste, um darin Turnschuhe in der Waschmaschine zu waschen. Dennoch: Ein Jutebeutel reicht für ein Leben. Nudelsieb: das gleiche. Das rote aus Plastik, das man beim Einzug in die erste eigene Bude beim Billigheimer gekauft hat, befindet sich zwar mittlerweile in Gesellschaft eines Edelstahl-Angeber-Nudelsiebs, aber ich wette, darin schütte ich noch Nudeln ab, wenn ich 105 bin. Und dazu trinke ich dann ’ne Cola. Wo ist eigentlich der Flaschenöffner?

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