Suchtprävention bei der Caritas Neunkirchen Aufgeputscht in Richtung Abgrund

Neunkirchen · Jahresbericht von Brigg und Psychosozialem Dienst des Caritasverbandes. Großer Augenmerk auf die Drogen-Prävention.

 Thomas Heib, Leiter des Beratungs- und Behandlungszentrums Caritasverband Schaumberg-Blies.

Thomas Heib, Leiter des Beratungs- und Behandlungszentrums Caritasverband Schaumberg-Blies.

Foto: Willi Hiegel

Den meisten Neunkirchern muss man nicht groß erklären, was „Die Brigg“ ist. Wenn junge Leute Probleme mit Drogen haben, gehen sie zur Brigg, ist doch klar. Doch hält man den Jahresbericht des Beratungs- und Behandlungszentrums des Caritasverbandes Schaumberg-Blies in Händen, wird schnell deutlich: Das Aufgabenprofil der Brigg und des Psychosozialen Dienstes ist sehr viel komplexer als „nur“ die Beratung und Behandlung von Jugendlichen und Erwachsenen mit Suchtproblemen. Thomas Heib, seit Anfang 2017 Leiter des Fachdienstes, erläuterte beim Redaktionsbesuch die Schwerpunkte des 59-Seiten-Berichts.

Am bekanntesten ist die Fachstelle Beratung und Behandlung für Jugendliche und junge Erwachsene. 2303 Beratungsgespräche – sowohl einzeln als auch in Gruppen – hat das Team im vergangenen Jahr geführt und stellt beim Konsum der Suchtmittel fest: „Cannabis festigt seinen Spitzenplatz mit 64 Prozent souverän.“ Tabak dagegen verliert gegenüber den letzten Zahlen wieder etwas an Bedeutung. Alkohol stagniert auf relativ hohem Niveau (36 Prozent, siehe Grafik). Keine Überraschung für das Beraterteam der Brigg ist der kontinuierlich ansteigende Konsum von Stimulanzien, also Amphetaminen. Die gehen auch bei den älteren Konsumenten „hoch wie eine Rakete“, weiß Thomas Heib. In dieser Hinsicht sei eine breite, gesellschaftliche Entwicklung festzustellen, auch wenn die Beratungsstellen der Caritas in ihren Statistiken nur die abbilden können, die Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Für sich selbst als Betroffene oder für ihre Angehörigen. Denn die Brigg hat sich in den vergangenen Jahren gerade für die Angehörigen von Suchtkranken zum wichtigen Ansprechpartner entwickelt. „WIESEL“ zum Beispiel, das Angebot für Kinder und Jugendliche, die in einer suchtbelasteten Familie aufwachsen, existiert seit 13 Jahren. In dieser Zeit hat das Psychologie- und Pädagogik-Team Methoden und Materialien selbst entwickelt, die insbesondere in der Gruppen-, aber auch in der Einzelarbeit zum Einsatz kommen: Bücher, Filme, Theater, Spiele, Kartensätze und so weiter. Im Jahr 2018 wurde nun das Augenmerk darauf gelegt, den breiten Fundus an Wissen und Materialien zu sichten und zu ordnen. Die Teilnahme an Veranstaltungen wie etwa der Fachtagung „Das Kindergesicht von Armut – Gesundheitsförderung und soziale Benachteiligung“ im September in Eppelborn dienten zum Erfahrungsaustausch und zur weiteren Vernetzung. Thomas Heib betont: „Es hat viele Vorteile, dass wir so breit aufgestellt sind mit den unterschiedlichen Fachstellen und sowohl intern als auch extern so gut vernetzt sind.“

Wie wichtig die frühe Intervention bei pathologischem Glücksspiel ist, zeigt sich in den Zahlen der Fachstelle Suchtprävention. 434 Beratungsgespräche sind im vergangenen Jahr geführt worden, wobei 87 Prozent der Hilfesuchenden männlich waren. Das Beratungsteam spricht von einer „gelingenden Anbindung“ und vor allem: „Viele sind beziehungsweise bleiben dauerhaft oder zumindest sehr lange spielfrei.“

Auch 2018 nahmen viele junge Inhaftierte das Angebot der fortlaufenden Beratung der Brigg in Anspruch. Damit ist gemeint, dass die Mitarbeiter der Fachstelle Suchtberatung in der Justizvollzugsanstalt Ottweiler die Jugendlichen beratend begleiten, auch wenn keine stationäre Therapie geplant ist. Sehr häufig sei es sogar vorgekommen, dass die jungen Menschen ihr Konsumverhalten sowie dessen Hintergründe reflektieren wollten, um auf diese Weise den Konsum von Drogen einzuschränken beziehungsweise nicht rückfällig zu werden.

Der Psychosoziale Dienst ist nicht nur Ansprechpartner für Erwachsene mit Suchtproblemen. Ambulant betreutes Wohnen für psychisch kranke Menschen und begleitetes Wohnen für psychisch kranke Menschen in Gastfamilien finden ebenfalls unter dem Dach statt. Im Bereich der Geschäftsstelle Neunkirchen gab es im Berichtsjahr 17 Gäste in 13 Gastfamilien. Die Geschäftsstelle St. Wendel betreute 56 Gäste in 38 Gastfamilien. Die Beratungsgespräche beliefen sich auf insgesamt 617, davon waren 212 Hausbesuche und 405 sonstige Kontakte wie zum Beispiel Arztbesuche oder Behördengänge.

Unter dem Dach der Brigg arbeitet auch die Fachstelle Freiwillige Ganztagsschule an der Maximilian-Kolbe-Schule Wiebelskirchen. Bis 17 Uhr werden berufstätige Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder unterstützt. Sie machen ihre Hausaufgaben, lernen oder erhalten Freizeitangebote, auch in den Ferien. Gerade im Bereich der Grundschule ist hier die Nachfrage von Jahr zu steigend. „Mit 120 Plätzen für die Grundschule ist die räumliche Machbarkeitsgrenze erreicht“, sagt das Team. Weitere 18 Familien standen zu Beginn des neuen Schuljahres auf der Warteliste. Dazu komme der geplante Umbau des Schultrakts, der ein neues Konzept der Gruppenaufteilung notwendig mache.

Großes Thema gerade im Suchtbereich ist die Prävention. Bei der Brigg ist eine eigene Fachstelle Suchtprävention-Frühintervention angesiedelt. Im Jahr 2018 wurden insgesamt 163 Veranstaltungen durchgeführt, in denen 1475 Personen erreicht wurden. Alkohol, Drogen, aber auch Mediennutzung, die bei Kindern im Alter von zehn bis elf Jahren stark zunimmt, stehen hier im Blickpunkt. So startete 2018 das Projekt „Max Min@“. An der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule in Spiesen-Elversberg lernten die Schüler entlang der Geschichte der Zwillinge einen sicheren Umgang mit den Neuen Medien. Weiteres Beispiel ist das Projekt HaLT – Hart am Limit. Dank der guten Zusammenarbeit mit der Klinik Kohlhof seien hierbei 14 Jugendliche an die Beratungsstelle verwiesen worden. Für 2019 stellt die Fachstelle einen leichten Rückgang der stationären Behandlungen wegen Alkoholproblemen fest.

Ein breites Spektrum an Aufgaben decken die Brigg und der Psychosoziale Dienst ab. Noch mehr zu wachsen – das ist derzeit keine Option, betont Fachdienstleiter Thomas Heib. „Wir wollen Bewährtes auf jeden Fall erhalten. Und wenn etwas gestärkt werden sollte, dann die Prävention.“ Denn im Bereich Sucht und Psyche könne man in der Prävention gar nicht genug machen.

 Gebrauch von Suchtmitteln im Kreis Neunkirchen

Gebrauch von Suchtmitteln im Kreis Neunkirchen

Foto: SZ/Müller, Astrid
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