Sie wollen den Anfang machen

Kreis Neunkirchen · Zum neuen Schuljahr machen auch drei weiterführende Schulen aus dem Landkreis Neunkirchen mit beim Pilotprojekt „inklusive Schule“. Über die Beweggründe sprach unsere Zeitung mit den Schulleitern Clemens Wilhelm (GGS Neunkirchen), Burkard Maurer (GemS Illingen) und Frank Prianon (Max-von-der-Grün-Schule Merchweiler).

Es ist beschlossene Sache: Der saarländische Landtag hat das Gesetz verabschiedet, das gemeinsamen Unterricht für Schüler mit und ohne Behinderung ermöglicht - Inklusion (siehe "Stichwort"). Zum neuen Schuljahr starten die Grundschulen im Land. Die weiterführenden Schulen folgen in zwei Jahren. Für sie läuft bis dahin Inklusion als Pilotprojekt weiter (siehe "Hintergrund"). Mit dabei sind zum neuen Schuljahr auch drei Schulen aus dem Landkreis Neunkirchen : Die Ganztags-Gemeinschafts-Schule (GGS) Neunkirchen , die Gemeinschaftsschule (GemS) Illingen und die Gebundene Ganztagsgemeinschaftsschule Merchweiler (Max-von-der-Grün-Schule).

Das sei auch ein "Signal nach außen", betonen im Gespräch mit unserer Zeitung die Schulleiter Clemens Wilhelm, Burkard Maurer und Frank Prianon: "Die Schule zeigt, dass sie offen ist für Menschen mit unterschiedlichen Begabungen, mit unterschiedlichen Handicaps."

In der zweijährigen Modellphase entwickeln die Schulen ihr Inklusions-Konzept. Dafür sind jeder Schule auch vier Deputatsstunden genehmigt. Am Ende verfassen die Schulen ihre Erfahrungsberichte. Aus ihnen will das Ministerium Empfehlungen für die nachfolgenden Schulen ableiten. Zudem wird das Pilotprojekt wissenschaftlich begleitet.

Die sieben Pilotschulen werden sich regelmäßig austauschen. Da könne man voneinander lernen, sagen die Schulleiter. "Es wird ein Herantasten", formuliert es der Illinger Burkard Maurer und betrachtet die zwei Jahre als "spannenden Prozess". Seine Schule habe vor dem Mitmachen auch kritische Fragen zur Inklusion offen diskutiert, so Maurer weiter. Etwa die Frage "Werden wir dann auch den guten Schülern noch gerecht?" Das habe man eindeutig mit Ja beantwortet. Und sei sich zudem sicher, dass auch die "Guten" vom inklusiven Miteinander profitierten. Und so hätten die Schulgremien die Entscheidung mitgetragen, am Pilotprojekt "inklusive Schule" teilzunehmen.

Als Modellschule stehen dem Gesamtkollegium zusätzliche "pädagogische Tage" (Fortbildung) zu. Zusätzliche Förderschullehrer sind jetzt in Illingen , Merchweiler und Neunkirchen nicht zu erwarten. Aber - so die Schulleiter - die Förderschullehrer könnten jetzt "freier" im Team mit den Fachlehrern, der Schulleitung, den Schoolworkern arbeiten, fest einem Standort zugeordnet.

"Die Entscheidungen bleiben an der Schule", fasst es der Neunkircher Clemens Wilhelm zusammen und nennt es einen "Paradigmen-Wechsel": Bislang sei sonderpädagogischer Förderbedarf in einem aufwändigen, starren Verfahren diagnostiziert worden, hätten Fördergutachten und Förderkonzepte übers entfernte Bildungsministerium beantragt werden müssen. Jetzt könnten Pilotschulen eigenständig arbeiten - Diagnostik auf den Standort bezogen leisten, einen individuellen Förderplan aufstellen (Fachaufsicht bleibt beim Förderzentrum). Burkard, Wilhelm und der Merchweiler Frank Prianon sind sich einig: "Das bedeutet weniger Bürokratie und mehr Zeit für die Arbeit mit dem Kind."Die Gemeinschaftsschulen in Illingen , Merchweiler und Neunkirchen Haspelstraße machen mit beim Modellprojekt "inklusive Schule". Eine kluge Entscheidung. Zum Schuljahr 2016/17 kommt Inklusion für alle weiterführenden Schulen verpflichtend. Die Drei machen es jetzt freiwillig. Und nehmen dabei als Pilotschule Vorteile mit wie Erfahrungsaustausch der Pilotschulen untereinander, Fortbildung fürs Kollegium, Chance zum Ausprobieren. Und sie gewinnen Zeit. Zwei Jahre. Wenn die andere sich aufstellen, steht ihr Konzept bereits. Strategie "sehr gut".

Zum Thema:

HintergrundZum Schuljahr 2011/12 war das Pilotprojekt "inklusive Schule" im Saarland mit sieben Grundschulen und vier weiterführenden Schulen gestartet. Sinn des Modellversuchs: den Ausbau des inklusiven Schulsystems systematisch vorbereiten. Für Grundschulen gilt jetzt: Zum neuen Schuljahr werden alle Kinder automatisch in einer Grundschule eingeschult. Wollen Eltern ihr Kind auf eine Förderschule schicken, müssen sie einen Antrag stellen. Bisher war es umgekehrt. Mit sieben zusätzlichen weiterführenden Schulen geht das Pilotprojekt zwei Jahre weiter. Zum Schuljahr 2016/17 wird die Inklusion dann auch an allen weiterführenden Schulen eingeführt. cle

Zum Thema:

StichwortInklusion setzt die UN-Behindertenrechtskonvention um: Ein inklusives Bildungssystem ermöglicht Schülern unabhängig von ihren Fähigkeiten, Beeinträchtigungen oder Behinderungen sowie von ethnischer, kultureller oder sozialer Herkunft einen gleichberechtigten Zugang zu den Bildungsangeboten der Regelschulen. red

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