Sitzung des Gemeinderates Gemeinde Illingen betont ihre Weltoffenheit

Illingen · Der Gemeinderat Illingen hat sich in einer Resolution einstimmig gegen Rassismus, Hetze und Gewalt ausgesprochen. Es hatten Anträge von SPD, AfD und vom Bürgermeister zum Thema Antisemitismus vorgelegen.

 In Illingen bestand bis 1940 eine jüdische Gemeinde. Die höchste Zahl wurde 1910 mit 270 Gemeindemitgliedern erreicht. Von dieser Vergangenheit zeugt der jüdische Friedhof, hier ein Foto vom Donnerstag.

In Illingen bestand bis 1940 eine jüdische Gemeinde. Die höchste Zahl wurde 1910 mit 270 Gemeindemitgliedern erreicht. Von dieser Vergangenheit zeugt der jüdische Friedhof, hier ein Foto vom Donnerstag.

Foto: Engel

Emotionale Reden sind die Zuhörer von Guido Jost im Gemeinderat gewohnt. Doch am Mittwochabend brachte der Vorsitzende der SPD-Fraktion seine Worte mit besonderer Leidenschaft dar. Bürgermeister Armin König (CDU) hatte Jost zu Beginn der Sitzung im Rathaussaal die Gelegenheit gegeben, eine „persönliche Erklärung“ abzugeben. Thema: Die Reichspogromnacht am 9. November 1938, als auch die Synagoge in Illingen ein Raub der Flammen wurde, sowie die „aktuellen antisemitischen und fremdenfeindlichen Aussagen der führenden Repräsentanten der AfD“, von denen sich die beiden Vertreter der Partei im Illinger Rat laut Jost bisher nicht distanziert hätten. Sowohl die SPD-Fraktion als auch die AfD-Fraktion hatten dem Gemeinderat Resolutionen vorgelegt. Die SPD gegen „antisemitische und rechtsradikale Tendenzen in Deutschland“, die AfD zur „Bekämpfung des Antisemitismus“. Wörtlich heißt es hier unter anderem: „Der Gemeinderat in Illingen steht für die Bewahrung des christlich-jüdischen Abendlandes.“

AfD-Ratsmitglied Peter Walter Müller wollte auf die Erklärung von Jost antworten, was ihm der Bürgermeister gemäß Geschäftsordnung nicht erlauben konnte. Daraufhin verlas Müller ebenfalls eine „persönliche Erklärung“, die nach einiger Zeit nicht nur den Unmut des übrigen Rates hervorrief, sondern schließlich auch vom Bürgermeister abgebrochen wurde, weil sie eine nicht zulässige „Sachdarstellung“ sei. Ausführlich schilderte dann SPD-Fraktionsmitglied Christian Petry seine Erfahrungen als Bundestagsabgeordneter mit Mitgliedern der AfD in Berlin. Fremdenfeindliche Zitate von Gauland, Höcke und Weidel seien an „Unappetitlichkeit nicht mehr zu überbieten.“ Der Verwaltungschef hatte in Anbetracht des AfD-Antrages selbst eine Rede vorbereitet, die in eine Resolution mündete. Sein Hauptkritikpunkt: Die AfD bringe einen Resolutionsentwurf ein, der spalte, statt klare Abgrenzung zu schaffen gegenüber Hetzern und Hasskommentierenden und antisemitisch agierenden Spitzenpolitikern in ihren eigenen Reihen. Nach dieser außergewöhnlichen Sitzungseröffnung handelte der Gemeinderat die 13 öffentlichen Punkte der Tagesordnung ab, um nach einer von CDU-Sprecher Alfons Vogtel vorgeschlagenen Beratung über die vorgelegten Resolutionen abzustimmen. Eine Mehrheit ohne Gegenstimmen fand schließlich die etwas modifizierte Resolution des Bürgermeisters, die Claudia Ziegler von den Grünen vorlas.

Keine Diskussion gab es über die positiven Auswirkungen des Saarlandpaktes, der nach Angaben des Bürgermeisters der Gemeinde Illingen einen Schuldennachlass um die Hälfte der Kassenkredite, nämlich knapp 24 Millionen Euro, bringt. Ein weiterer Pluspunkt sei, dass es Zuweisungen für Investitionen gebe. Allerdings müsse für die Jahre 2020 bis 2023 der Haushaltsausgleich angestrebt werden. Ab 2024 seien keine jährlichen Defizite mehr zugelassen. Einstimmig passierten den Rat die Beschlüsse über einen neuen Konzessionsvertrag mit dem Gaswerk, über Bebauungspläne Am Uchtelbach in Illingen sowie in Welschbach sowie die Auflösung des Eigenbetriebs Digitalisierungsservice. Dieser war 2005 als Integrationsbetrieb gebildet worden. Der von den externen Beratern avisierte Erfolg blieb jedoch aus: Lediglich drei externe Aufträge gab es in 14 Jahren. Klarheit hat der Rat jetzt für das ehemalige Sanierungsgebiet Ortsmitte Illingen geschaffen. Da nach 30 Jahren der Verwaltungsaufwand für die Erhebung der Ausgleichsbeträge in keinem Verhältnis zu den möglichen Einnahmen stehe, verzichtet die Gemeinde auf Ausgleichsbeiträge.

(Weiterer Bericht folgt).

Die einstimmig verabschiedete Resolution des Gemeinderates Illingen im Wortlaut: „Illingen ist eine Gemeinde, in der der jüdische Glaube eine zweihundertjährige Tradition hatte, bis Nationalsozialisten und deren Helfershelfer die Synagoge niederbrannten, die jüdischen Mitbewohner deportierten und in den Tod trieben. Im Bewusstsein seiner historischen Verantwortung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, die über viele Jahrzehnte das Gemeindeleben in Illingen mit geprägt haben, spricht sich der Gemeinderat Illingen entschieden gegen Antisemitismus in jeder Form aus. Illingen ist eine weltoffene Gemeinde, in der Rassismus, Hetze und Gewalt geächtet werden. Wir wenden uns gegen jede Form von Hass und Diskriminierung gegen Minderheiten, die religiös oder ethnisch begründet sind. Wir bekennen uns vorbehaltlos zu unserer historischen Verantwortung und verurteilen jede Form offener oder versteckter antisemitischer und hetzerischer Handlungen gegen Menschen und Institutionen jüdischer Mitbürger.“

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