Lesefrühling Strahlende Gesichter bei „Nachtleuchten“

Illingen · Im Rahmen der Literaturtage war die Argentinierin zu Gast in Illingen.

 Die Schriftstellerin María Cecilia Barbetta (Mitte) mit den Organisatoren der Veranstaltung „erLesen“ im Illinger Rathaus.

Die Schriftstellerin María Cecilia Barbetta (Mitte) mit den Organisatoren der Veranstaltung „erLesen“ im Illinger Rathaus.

Foto: Maria Boewen-Dörr

Bei den Literaturtagen im Saarland, die am 30. März gestartet sind, finden rund 40 Lesungen und sonstige Veranstaltungen rund um das Thema Buch statt. Veranstaltungsort ist auch Illingen. Hier gastierte im Rathaussaal María Cecilia Barbetta, die 1972 in Buenos Aires geboren wurde und dort im Einwanderviertel Ballester aufwuchs. Sie rezitierte aus ihren Roman „Nachtleuchten“, der mit dem Alfred-Döblin-Preis geehrt wurde. Sie wurde von Bürgermeister Armin König herzlich empfangen, der sich „wie ein Schneekönig“ auf diese Lesung seit der Frankfurter Buchmesse, bei der er die Autorin kennen lernte, freute. Gute Unterhaltung an dem literarischen Abend wünschte Andreas Schorr als Vertreter des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der das Festival „erLesen“ zum zweiten Mal organisierte.

Die Schriftstellerin begeisterte von jetzt auf gleich mit wunderbaren Geschichten, traurigen Geschichten und spannenden Geschichten die Hörerschaft, zum einen mit ihren grandios vorgetragenen Textpassagen und zum anderen durch ihre spürbare Herzlichkeit. Die Handlung von „Nachtleuchten“ ist in ihrer Heimatstadt Buenos Aires angesiedelt, im Viertel Ballester zu Zeiten politischer Verwerfungen und Umbrüche. Es herrscht die gespenstische Atmosphäre am Vorabend eines politischen Umsturzes. María Cecilia Barbetta greift zurück auf ihre Erlebnisse als Kind, als in ihrer Heimat eine Militärdiktatur herrschte und die Angst der Erwachsenen allgegenwärtig war. „Der Roman ist die Momentaufnahme eines Landes, das von aufkeimenden Ängsten und Ahnungen geprägt wird und sich im Spannungsfeld zwischen Aberglauben, religiösen Werten und politischen Chaos befindet“, fasst die Autorin zusammen und bestätigt, dass „Nachtleuchten“ eine Liebeserklärung an all die Figuren sei, die darin vorkommen: Teresa und ihre Klassenkameradinnen, die eine katholische Mädchenschule besuchen; Celio, der Friseur aus dem Salon „Zur ewigen Schönheit“; die Mechaniker der Autowerkstatt „Autopia“ und weitere einfache Leute sowie ein Priester, die progressive Nonne, der Zeitungsverkäufer und die Katzenliebhaberin.

Nicht zuletzt spielt die fluoreszierende Plastikreplik einer Madonna eine wichtige Rolle. Die erleuchtete Statuette wird wöchentlich von Haushalt zu Haushalt getragen. Es werden ihr fast magische Kräfte nachgesagt. Nach mehr als 500 Seiten allerdings kippt die Figur versehentlich von einer Ladefläche und zerschellt. Die Liebe der Autorin gilt der deutschen Sprache und sie spielt mit der Sprache – kunstvoll, lustvoll, humorvoll. Sie erspürt verborgene oder mögliche Doppel- und Dreifachbedeutungen deutscher Wörter und spielt virtuos mit ihren verschiedenen Dimensionen. Sie konstruiert immer wieder ungewöhnliche Assoziationsketten.

Ellen Küneke, eine begeisterte Zuhörerin, erfreute sich an den Neologismen, mit denen die Schriftstellerin die argentinische Lebensart mit der deutschen Lebensart verbindet. „Mir gefallen die ungeheure Sprachgewalt und das Spiel mit der Ironie“, fasste Ellen Küneke (Schulleiterin am Hochwald-Gymnasium) zusammen. Die Schriftstellerin spricht von der deutschen Sprache als eine Art „Schutz“. Dank der deutschen Sprache erzeuge sie eine gewisse Distanz, die eine Annäherung an die Geschichte möglich mache. Die Autorin, die in Berlin lebt, sammelt dort Eindrücke. „Mit der Kraft der Fantasie und dem Schwung der deutschen Sprache mache ich mir mein Argentinien schöner“, sagte sie. „Ich wollte auch nicht die klassischen Helden haben. Meine Helden sind Leute wie du und ich. Es ist ein Buch, bei dem man viel lachen muss, trotz des ernsten Hintergrundes.“

Genau 100 Kapitel weist das Buch auf, gegliedert in drei große Teile á 33 Abschnitte. Es ist beim S. Fischer Verlag erschienen, ISBN: 978-3-10-397289-4, hat 528 Seiten und kostet 24 Euro.

SR 2 KulturRadio sendet einen Mitschnitt der Veranstaltung in „Literatur im Gespräch“ am Dienstag, 28. Mai, 20:04 Uhr.

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