Kultur als Lebensmittel

Illingen · Los ging alles mit dem Gumbo – Eintopf und Jazz im Foyer der Illipse. Die Idee dazu hatten Jochen Krämer, Peter Kleiß und Pierre Thomas. Der tischte auch die Suppe auf. Nach dem zu frühen Tod Krämers im Jahr 2009 übernahm Elfie Kleiß das Booking, Armin König als Kulturamtsleiter und Bürgermeister ist verantwortlich für die Reihe. Vor dem Feierwochenende zum ersten runden Geburtstag sprach SZ-Redakteurin Elke Jacobi mit Elfie Kleiß über das, was ist, was war und was kommt und darüber, was die Besucher am 4. und 5. Oktober erwartet.

Sie haben 2009 das Booking für die Jazz Lounge übernommen. Wie viel Zeit hängen Sie da dran, wie haben Sie das für sich organisiert? Haben Sie Helfer?

Elfie Kleiß: Die Arbeit beginnt mit dem Hören der aktuellen CDs und parallel dem Anschauen von Videos auf YouTube . Natürlich besuche ich Konzerte, denn nur live kann ich spüren, ob diese Band die Zuhörer erreicht. Natürlich ist es toll, wenn frau das Glück hat, einen seit Kindertagen jazzbegeisterten Mann (Peter Kleiß, Jazzredakteur SR2) an der Seite zu haben und die Ideen zu diskutieren und weiterzuentwickeln. Danach kommt erst die Organisationsarbeit, Telefonate, Mails, Termine, Gagen. Vieles davon passiert parallel und gleichzeitig, denn Armin König ist Kulturamtsleiter und mein Chef, er und sein Team müssen den Ideen zustimmen. Dann steht einem außergewöhnlichen Konzert nichts mehr im Wege. Natürlich gibt es viele Helfer, das Team der Jazz Lounge besteht aus dem Kulturamt, dem Team der Illipse und Thomas Keller.

Wie stellen Sie das Programm zusammen?

Kleiß: Für mich muss das Programm über das ganze Jahr einen roten Faden enthalten, ich denke in der gesamten Reihe und nicht in einzelnen Konzerten, ich möchte die Spannung von Konzert zu Konzert halten und, wenn es gelingt, steigern.

Gehen Sie auf Wünsche ein und haben Sie selbst auch welche?

Kleiß: Ich empfinde es als großes Vertrauen, wenn die Zuhörer mir ihre Wünsche erzählen. Wenn die Wünsche auch unseren Vorstellungen entsprechen, dann können wir auch einen Wunsch erfüllen. Mein Wunsch ist es: eine einzigartige Konzertatmosphäre für die Zuhörer zu schaffen, Künstler zu finden, die mit dem Publikum kommunizieren. Dann freue ich mich, wenn die Menschen glücklich nach Hause gehen und gerne wieder nach Illingen kommen.

Woher kommen die Musiker?

Kleiß: Die Musiker kommen aus der Großregion, aus Köln, Berlin, Hamburg, München, Stuttgart, aus Schweden, Polen, Norwegen, um einige zu nennen.

Gibt es Musiker, auf deren Verpflichtung für Illingen Sie besonders stolz sind?

Kleiß: Natürlich gibt es die: Nils Landgren , Tingvall Trio, Iiro Rantala, Michael Wollny, Wolfgang Haffner, Pablo Held Trio. Aber ich freue mich auf jede Verpflichtung, denn jeder ist einzigartig und die musikalische Leistung auf dem höchsten Niveau.

Was ist Ihr persönliches Fazit für zehn Jahre Jazz in Illingen ?

Kleiß: Illingen hat es geschafft, seit zehn Jahren eine kontinuierliche Jazzreihe anzubieten. Die monatlichen Konzerte haben sich bewährt. Wir erreichen die Menschen aus Illingen , dem Kreis, dem Saarland, Trier, Luxemburg und Frankreich, wir versuchen, einzigartige Konzerterlebnisse zu schaffen. Das Publikum weiß das zu schätzen und umgekehrt schätzen die Musiker die Atmosphäre der Illipse. Das wunderbare Instrument, den Steinway und die Wertschätzung. Die persönliche Betreuung und das jederzeit mögliche offene Gespräch. Sie schätzen das interessierte Publikum. Sie fühlen sich willkommen und in der Zusammenarbeit mit dem Team der Illipse gut aufgehoben und verstanden.

Wieso hat man vor zwei Jahren den Gumbo in die Jazz Lounge gewandelt?

Kleiß: Wir wollten den Namen mehr an Illingen binden: "Illinger Jazz Lounge", dann weiß jeder, wo die Jazzreihe hingehört.

Was sind die Gründe für die Einführung eines Artist in Residence?

Kleiß: Für mich ist es die wichtigste Weiterentwicklung der Jazz Lounge. Die Idee des "Artist in Residence" ist, einen Künstler in Illingen zu etablieren, der die Reihe mit seinem Namen und seinem Netzwerk unterstützt und persönlich prägt. Musiker sind ja keine Musikmaschinen, sie sind Menschen wie du und ich. Mit einem Freundeskreis, Familien, und gerade weil sie immer viel unterwegs sind, sind sie froh, wenigstens für eine kurze Zeit ein Stück Heimat zu finden. Diese Möglichkeit geben wir dem Artist in Residence, ich bin sehr froh, dass unser erster Artist, Roman Wasserfuhr, im Illinger Rathaus eine solche Heimat für ein Jahr gefunden hat. Das Publikum hat ihn angenommen wie einen Bruder, ich denke, das wissen beide Seiten zu schätzen. Weiterhin verhilft der Artist durch seine persönliche Ausstrahlung Illingen zu einer Leuchtturmstellung im Saarland und darüber hinaus. Dieses Merkmal beibehalten und ausbauen, den "Artist in Residence" für Illingen und den Jazz zu etablieren, das ist mir wichtig.

Woher stammt die Idee und wie kommt es an?

Kleiß: Die Idee entstand bei uns zu Hause am Küchentisch und ich fand es großartig, dass das Kulturamt mit Armin König und Gabi Steuer mich darin bestärkten. Mit Roman Wasserfuhr konnte ich dem Kulturamt einen jungen Jazzer präsentieren, der seine Kommunikation, sein Netzwerk und auch gerne seinen Bruder Julian mitbringt, den Rathaussaal füllt und in eine ganz besondere Atmosphäre taucht.

Auf was freuen Sie sich am meisten in Bezug auf die beiden Konzert-Tage zum Jubiläum?

Kleiß: Auf ein Publikum, das alle Musiker mit einem herzlichen Applaus willkommen heißt. Auf Jacob Karlzon. Sein Lächeln und seine Musik haben auf mich eine sehr warme und anziehende Wirkung, gelegentlich hat es was Erotisches. Ich freue mich, dass wir einen Termin gefunden haben und er seine neue CD in Illingen vorstellt.

Was ist noch zu tun, was steht an Arbeit noch an?

Kleiß: Das Team der Illinger Jazz Lounge mit Unterstützung von SR2 arbeitet bis zur letzten Minute vor der Show, während der Konzerte und die Techniker bis spät in die Nacht. Damit die zwei Tage ein unvergessliches Erlebnis werden.

Wie ist Ihr Bezug zum Jazz ? Mochten Sie den schon immer?

Kleiß: Mein Interesse am Jazz und dieser Lebensart begann mit 17 Jahren, ich war begeistert von der Art der Musik, der Improvisation, der Energie und den Künstlern. Die Energie und die Kommunikation, die von den Musikern über die Bühne zum Publikum reicht, hat mich berührt und durch diese sehr persönliche Erfahrung, wurde ich Teil dieses Prozesses, fühlte mich der Jazzszene zugehörig. Zu dieser Zeit konnte man an der Uni in Saarbrücken alle Größen des Jazz und der experimentellen Musik hören. Diese Musik hat mich nicht mehr losgelassen, damals ahnte ich allerdings noch nicht, dass ich 20 Jahre später einen Saxofonisten und Jazzredakteur heiraten würde.

Welche Richtung mögen Sie am liebsten?

Kleiß: Für mich ist der Jazz sehr weit gefächert, ich kann mich für Free Jazz begeistern und für den absoluten Mainstreamjazz. Die Grenzen sind fließend. Mir ist wichtig, dass die Musik mich anspricht, die Musiker mit mir kommunizieren. Die Musik muss mich im Herzen treffen, der Groove muss stimmen.

Hören Sie zu Hause/im Auto auch mal was anderes?

Kleiß: Ich höre gerne im Auto die aktuellen CDs , ich kann beim Fahren in die Musik eintauchen. Wenn ich nicht alleine im Auto bin, höre ich auch gerne Radio. Die Musik ist immer anders, denn jeder Musiker ist individuell und ein Künstler in seiner Musik.

Blick in die Zukunft: Wie geht es nach dem Zehnjährigen weiter?

Kleiß: Das Programm für 2015 steht schon seit dem Sommer, auch für 2016 gibt es schon Ideen und Absprachen. Wir werden die Reihe des Artist in Residence in 2015 in der Illipse mit drei Konzerten fortführen, der Artist für 2015 wird am 4. Oktober von Roman Wasserfuhr bekannt gegeben. Meine Visionen sind folgende: monatliche Konzerte in der Illipse anbieten zu können. Die Rathausreihe, wie im nächsten Jahr, als "Frau am Klavier" in Kooperation mit saarländischen Winzern weiterentwickeln. Den Artist in Residence in Illingen zu etablieren. Sponsoren zu finden, damit Kultur für jeden unabhängig von seiner finanziellen Situation erlebbar wird. Freier Eintritt für Schüler und Studenten und Menschen mit geringem Einkommen. Und dass ein Zitat von Johannes Rau in Illingen Wirklichkeit werden könnte: "Kultur ist kein Luxus, Kultur ist Lebensmittel."

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