Gedenkfeier in Neunkirchen Erinnerung an die dunkle Nazi-Zeit

Neunkirchen · Gedenkstunde in Neunkirchen anlässlich des 76. Jahrestags der Befreiung vom Faschismus.

 Eine Mahnwache zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und gegen Rechts fand am Samstag in Neunkirchen statt. Am Mikrofon Neunkirchens Oberbürgermeister Jörg Aumann.

Eine Mahnwache zum Jahrestag der Befreiung vom Faschismus und gegen Rechts fand am Samstag in Neunkirchen statt. Am Mikrofon Neunkirchens Oberbürgermeister Jörg Aumann.

Foto: Anja Kernig

Es waren nicht die anderen. Auch in Neunkirchen folgten die Menschen unreflektiert den Versprechungen der Nationalsozialisten. Auch in Neunkirchen wurde fleißig überwacht und denunziert, wurden politisch Andersdenkende, Kranke, Behinderte, Juden und letztlich jeder, der nicht ins verzerrte Weltbild des Nazis-Regimes passte, systematisch verfolgt, vertrieben, ermordet. Neunkircher schickte man als Kanonenfutter an die Front, während Neunkircherinnen im Eisenwerk die Rüstungsindustrie im Eisenwerk am Laufen halten mussten. 1944 geriet die Stadt auch deshalb besonders stark unter Beschuss. Als die Amerikaner am 21. März von der Spieserhöhe kommend in Neunkirchen einmarschierten, lag 80 Prozent der Stadt in Trümmern.

Sieben Wochen sollte es noch dauern, bis die Waffen endlich ganz europaweit schwiegen. Am 8. Mai 1945 kapitulierte die deutsche Wehrmacht, zum 76. Mal jährte sich am Samstag der Tag der Befreiung vom Faschismus. Was das Neunkircher Forum für Freiheit, Demokratie und Antifaschismus in guter Tradition zum Anlass nahm, gemeinsam mit der Stadt Neunkirchen und der IG Metall Neunkirchen zu einer Kundgebung einzuladen. Rund 20 Teilnehmer fanden sich dafür am Mahnmal für Zwangsarbeiter an der Stummschen Reithalle ein.

Die Bronzeskulptur des in Wiebelskirchen lebenden Künstlers Seiji Kimoto erinnert eindrücklich an jene 3000 zwangsdeportierten Zivilisten und Kriegsgefangene, die man in 22 im Neunkircher Stadtgebiet verteilte Lager internierte. Bis Kriegsende kamen etwa 400 dieser Frauen und Männer ums Leben. Als Ausdruck des an ihnen begangenen Unrechts schuf Kimoto die Gestalt eines ausgemergelten Menschen, angekettet an eine meterhohe Metallsäule, die ihn zu erschlagen droht, gleichsam aber von ihm gestützt werden muss. Eine vage, gesichtslose Gestalt steht daneben, ohne einzugreifen, ohne zu helfen.

„Wie konnte sich der Nationalsozialimus so schnell durchsetzen, wie konnte eine Mehrheit diesen kruden Ideen zustimmen?, fragt sich Oberbürgermeister Jörg Aumann, seit er denken könne. Es gehe nicht ums Moralisieren, nicht um Schuld: „Aber wir Deutschen müssen Verantwortung für die dunkelste Seite unserer Historie übernehmen“, gerade in Anbetracht „der erschreckenden Erstarkung rechtsradikaler, rassistischer und antisemitischer Tendenzen“, die aktuell in Aktivitäten der sogenannten „NSU 2.0“ gipfelten. Die letzte katastrophale Selbstüberhöhung des deutschen Volkes kostete 55 Millionen Menschen das Leben, zwei Drittel aller Juden fielen dem Rassen- und Vernichtungswahn zum Opfer, erinnerte Gastgeber Georg Jung.

Sich kollektiv und öffentlich darauf zu besinnen, wird nie gegenstandslos sein. „Der 8. Mai ist ein wichtiger Tag, weil er uns daran erinnert, dass der Zweite Weltkrieg einen ganzen Kontinent in Schutt und Asche gelegt hat“, schloss Aumann seine Ansprache. „Aber der Tag gibt uns auch Hoffnung“, weil mit ihm die Schreckensherrschaft ein Ende fand. Das Mindeste, was man tun könne, ist 76 Jahre später innezuhalten, ergänzte Georg Jung, um an die Greuel der damaligen Zeit zu denken und unsere gewonnene Freiheit zu verteidigen. „Die Pandemie ist die Probe aufs Exempel: Ob wir mit dieser Freiheit diszipliniert umgehen können.“ Demokratieverweigerer, Nationalisten, Rassisten und Antisemiten nutzen die Situation, um autoritäre Strukturen zu schaffen, wie die Morde der jüngeren Vergangenheit in Chemnitz, Kassel, Hanau und Halle zeigen. Wichtig sei, „miteinander zu reden“ und aktiv für Frieden zu kämpfen. Dies eingedenk, fordert das Forum gemeinsam mit der Saarländerin und Vorsitzenden des Auschwitz-Komitees, Ester Bejarano, sowie Außenminister Heiko Maas die Landesregierung auf, den 8. Mai in einen offiziellen Gedenktag umzuwandeln.

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