„Friday for Future“ im Kreis Neunkirchen Schüler-Protest erreicht Neunkirchen

Kreis Neunkirchen · Umwelt-Aktivisten planen im April Demo. Vorwurf des Schulschwänzens ärgert die jungen Leute.

 Schüler gehen wie hier in Mainz für besseres Klima auf die Straße. Auch in Neunkirchen hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet.

Schüler gehen wie hier in Mainz für besseres Klima auf die Straße. Auch in Neunkirchen hat sich eine Arbeitsgruppe gegründet.

Foto: dpa/Peter Zschunke

Das Klima unseres Planeten ist seit Jahren Anlass für Gipfeltreffen von politischer Elite und Wissenschaft. Eine radikale Kehrtwende in der Umweltpolitik, um prognostizierte Schäden durch den Klimawandel zu vermeiden, ist bislang eher in Ansätzen erkennbar. Aber genau das, eine aktive und starke Veränderung, fordert die Initiative „Friday for Future“, bei der junge Leute freitagmorgens anstatt zum Unterricht auf die Straße gehen zu Schülerstreiks. Im Saarland ist bislang Saarbrücken das Zentrum der Schülerdemos. Zuletzt sind auch erste Gehversuche jenseits der Landeshauptstadt zu beobachten. In Neunkirchen, immerhin zweitgrößte Stadt im Land, war es bislang ruhig um die Kampagne.

Das soll sich ändern. Im Februar hat sich eine Ortsgruppe der Initiative in Neunkirchen gegründet. Die treffe sich regelmäßig, sagt Santino Klos. Er besucht das Neunkircher Steinwald-Gymnasium, ist Mitglied der Schülervertretung. Zunächst habe er die saarlandweite Gruppe kennengelernt. Das motivierte ihn, auch eine Ortsgruppe in Neunkirchen auf die Beine zu stellen. Das Organisationsteam, neun bis zehn Köpfe stark, plane für April eine Demo in Neunkirchen, erzählt er weiter. Denn auch in Neunkirchen wollen die Schüler einen klaren Impuls setzen. Auch Danilo Frikel ist Schülervertreter am Steinwald-Gymnasium. Die Friday-for-Future-Kampagne, erläutert er, sei ein Thema auf dem Schulhof. Die Schülervertretung wolle aber nicht offen Werbung dafür machen, freitags in den Klimastreik zu treten, weil die Demos ja während der Unterrichtszeiten sind. Er selbst findet die Schulstreiks richtig. Einige Schüler waren auch in Saarbrücken bei den ersten Demos. Die Schulleiterin fordere ein, dass der Unterrichtsstoff nachgeholt wird. „Das ist ja auch legitim“, sagt der Schülervertreter.

Elaine Holzer, zehnte Klasse, besucht die Neunkircher Ganztagsgemeinschaftsschule (GGSNK) und ist ebenfalls eine Sprecherin an ihrer Schule. Besonders in ihrem Jahrgang werde der Klimawandel viel diskutiert. Die Bewegung betrachtet sie als ein aktives Einbringen, nicht als Möglichkeit, sich einen lockeren Vormittag zu machen. Es gehe schließlich um die Zukunft derer, die für eine besser Klimapolitik auf die Straße gingen. Elaine Holzer: „Mit Schulschwänzen hat das gar nichts zu tun. Die Streiks sind ein Appell an die Politik, etwas zu ändern.“ Das findet auch Santino Klos: „Wer Schule schwänzen will, kann das auch montags, dienstags, mittwochs und donnerstags machen.“

Die Umwelt-Kampagne trifft auf engagierte Schüler in Neunkirchen. Wer sich auf der Straße umhört, trifft allerdings auch auf andere Eindrücke. Fridays for Future? Eine 16-Jährige auf dem Stummplatz nimmt umständlich die Stöpsel ihrer Kopfhörer aus den Ohren. „Das ist gar nicht mein Thema“, sagt sie. Im Saarpark-Center winkt ein junges Pärchen ab. Beide 16, sind sie beim Diakonischen Werk in der Ausbildung. „Kein Thema“, meint der 16-Jährige cool. Seine gleichaltrige Freundin schiebt hinterher, sie achte aber schon darauf, nicht zu viel Müll zu machen. Drei Schüler der Gemeinschaftsschule Neunkirchen Stadt-Mitte haben unterschiedliche Gedanken zu Klima und Schüler-Kampagne. Cheima, 16, hat von den Demos gehört und gerade erst mit einer Freundin darüber geredet. Umweltschutz sei für sie und ihre Familie natürlich ein Thema. Das fange auch bei der eigenen Ernährung an. Vegetarisch leben sei gut. Die Demos betrachtet sie als gute Sache. Aber ob sich in Neunkirchen dafür viele Mitstreiter fänden? Sie ist skeptisch. Abderahmene, 15, fürchtet, die meisten seiner Altersklasse interessiere das Thema nicht besonders. Und Giuseppe bringt eine düstere Meinung ein: „Es wird uns viel vorenthalten. Die Welt ist nicht mehr zu retten.“

Wie gehen die Schulen mit den Schülerstreiks um? Clemens Wilhelm, Leiter des GGSNK in der Haspelstraße, sagt dazu: „Grundsätzlich stellt sich die Frage, was das Ziel von Schule ist. Das lässt sich letztlich nur damit beantworten, dass sie Kinder und Jugendliche zu mündigen Menschen erziehen möchte.“ In dem Wort mündig stecke das Wort Mund, den man mithin auch aufmachen müsse. Zugleich sei die Schulpflicht an sich ein sehr hohes Gut. Denn sie beinhalte das Recht, zur Schule zu gehen. Wer sich von den Schülern der GGSNK an den Klima-Protesten beteilige, brauche eine schriftliche Entschuldigung der Eltern. Das werde offen behandelt. Zugleich thematisiere die Schule die Proteste auch im Unterricht in verschiedenen Fächern. Wilhelm selbst habe diese Woche im Religionsunterricht mit Achter- und Neunerklassen die Rede der jungen schwedischen Umweltaktivistin Greta Thunberg in Kattowitz beim UN-Klimagipfel angehört, die Schüler haben daraufhin die zentralen Thesen zusammengetragen. Die Schule habe sich schon länger auf den Weg gemacht, ein neues Umweltbewusstsein zu leben: Zum Beispiel mit dem Sammeln von Plastikmüll, Unterricht im Wald, Fair-Trade-Schule oder Theater, das die Problematik aufgreife. Die Zahl der GGSNK-Schüler, die bei den Freitagsdemos dabei seien, sei noch überschaubar, sagt Wilhelm. Es seien Schüler der zehnten Klasse. Wenn eine Friday-for-Future-Demo in Neunkirchen laufe, wäre das Interesse sicher größer.

Christoph Schreiner, Leiter des Illtal-Gymnasiums, sagt, Engagement seiner Schüler unterstütze er. Aber er habe noch keine nachvollziehbaren Argumente bekommen, warum die Demonstrationen nicht auch am Freitagnachmittag laufen könnten. Er habe drei Fragen: Was werde konkret gefordert? An wen wendeten sich die Forderungen genau? Wie werde festgestellt, wann sie erfüllt seien. Wer auf die Fridays-for-Future-Veranstaltungen gehe, fehle unentschuldigt im Unterricht. Schülervertreter Santino Klos kann zumindest an einer Stelle weiterhelfen: Die Kampagne sei dabei, konkrete Forderungen zu erarbeiten.

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