Fachtagung in Illingen am 17. Mai #freilenker: Wie nur ein Joint zum Verhängnis werden kann

Illingen · Eine Fachtagung nimmt am kommenden Dienstag in Illingen das Thema „Cannabis im Straßenverkehr“ unter die Lupe. Neben zahlreichen Experten ist auch das saarlandweite Präventionsprojekt #freilenker mit von der Partie.

 Die beiden Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamts im Regionalverband, Iris Klein (links) und Verena Tittelbach, vom saarlandweiten #freilenker-Projekt.

Die beiden Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamts im Regionalverband, Iris Klein (links) und Verena Tittelbach, vom saarlandweiten #freilenker-Projekt.

Foto: David Lemm

Manuel (der Name ist erfunden) kann es nicht fassen. Zitternd hält der Zwanzigjährige einen Brief der hiesigen Fahrerlaubnisbehörde in der Hand. Darin wird ihm schriftlich mitgeteilt, dass er eine Ordnungswidrigkeit (Fahren unter Drogeneinfluss) begangen habe und dafür eine Strafe von 500 Euro zahlen, seinen Führerschein für einen Monat abgeben, eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) ablegen sowie via Urin-Abgaben (Screenings) seine Drogenfreiheit über einen Zeitraum von neun Monaten nachweisen müsse. Alles, um seinen Führerschein behalten zu dürfen. Was ist passiert? Vor sechs Wochen geriet Manuel an einem Dienstagnachmittag in eine Routine-Polizeikontrolle. Der Schnelltest schlug bei Cannabis positiv an, was den Gelegenheitskonsumenten überraschte. Am Freitagabend hatte er sich „nur“ einen kleinen Joint gegönnt und davor eine Woche lang nichts geraucht. Doch der Test schlug an, Manuel musste sein Auto stehen, sich Blut abnehmen lassen – und steht nun am Anfang einer langen und vor allem kostspieligen Prozedur, um seinen Fahrerlaubnis behalten zu dürfen.

Kein Einzelfall

So wie Manuel ergeht es in Deutschland vielen Autofahrern. Laut der Bundesanstalt für Straßenwesen wurden 2020 knapp 84 000 medizinisch-psychologische Untersuchungen durchgeführt, zirka 25 Prozent im Zusammenhang mit Drogen und Medikamenten. Vor allem betroffen ist die Gruppe der sogenannten jungen Fahrer, der 18- bis 25-Jährigen. In dem Irrglauben, dass nur unmittelbarer Cannabis-Konsum zum Verlust des Führerscheins führen könne, setzen sie sich hinters Steuer. Doch bekanntermaßen schützt Unwissenheit vor Strafe nicht. Diese späte Einsicht kommt den Betroffenen buchstäblich teuer zu stehen. Aufklärung tut Not, wie die Ansprechpartner der saarländischen Suchtberatungsstellen aus jahrelanger Erfahrung wissen. In Kooperation mit dem „GKV Bündnis für Gesundheit“ und dem saarländischen „Ministerium für Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie“ veranstalten die saarländischen Gesundheitsämter am 17. Mai in der Illinger Illypse eine Fachtagung zum Thema „Cannabis im Straßenverkehr“. Mit der Fachtagung wollen die Koordinatorinnen der gemeindenahen Suchtprävention im Saarland darüber aufklären, welche (rechtlichen) Maßnahmen bei auffälligem Cannabiskonsum drohen, auf welcher Grundlage die Maßnahmen umgesetzt werden und welche psychosozialen Folgen der Konsum haben kann.

Für diesen interdisziplinären Rundumschlag haben sie fünf Experten aus dem Saarland eingeladen. Die Referenten beleuchten aus ihrer jeweiligen Disziplin beziehungsweise Tätigkeit heraus die virulente Problematik. Stephan Nisius, Erster Polizeihauptkommissar, stellt nicht nur die wichtigsten gesetzlichen Vorschriften zu Alkohol, Drogen und Medikamenten im Straßenverkehr vor, sondern erklärt einerseits, welche Rechte die Polizei bei der Durchführung einer Verkehrskontrolle und andererseits, welche Pflichten ein Fahrzeugführer bei einer Kontrolle hat. Sven Gottschling verschreibt als Chefarzt am Zentrum für altersübergreifende Palliativmedizin und Kinderschmerztherapie am Homburger Uniklinikum (UKS) seinen Patienten Cannabis. In seinem Vortag beurteilt er unter anderem das tatsächliche Risiko beim Fahren unter Cannabis-Einfluss. Nadine Schäfer, stellvertretende Leiterin der Forensischen Toxikologie an der UKS, begutachtet kritisch unterschiedliche Cannabiniode (THC, CBD) – vor allem die sich zunehmend verbreitenden synthetischen Cannabinoide gewinnen an Bedeutung, so ihre These. MPU-Fachberater Sven A. Schmitt, der gleichzeitig eine Fahrschule führt, klärt über Irrtümer der MPU auf. Zur Erinnerung: Die medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) wird meist aufgrund von Alkohol- und Drogendelikten angeordnet, um die Fahreignung zu beurteilen. Sie kostet nicht nur viel Geld, sondern geht bei Drogendelikten grundsätzlich mit Abstinenznachweisen einher. Da diese Anordnung, die im Volksmund oft als „Idiotentest“ bezeichnet wird, kaum anzufechten und nicht einfach so zu „bestehen“ ist, genießt sie keinen guten Ruf. Zu Unrecht, wie Schmitt zeigen wird, denn durch die MPU konnte die Unfallopferzahl signifikant gesenkt werden. Signifikant ist ebenfalls die von der Ampelkoalition geplante Freigabe von Cannabis, was logischerweise zu einem Anstieg der Fallzahlen führen wird. Der Vizepräsident des Saarländischen Oberlandesgerichts Michael Görlinger gibt deshalb in seinem Vortrag einen Überblick über die möglichen straf- und bußgeldrechtlichen Konsequenzen einer Fahrt unter Cannabiseinfluss. Sein Befund: Das Sanktionierungsrisiko ist schlechter kalkulierbar als bei Alkohol, da Grenzwerte fehlen – spätestens hier wird sich die altbekannte Diskussion um Grenzwerte entfachen.

#freilenker wollen gezielt informieren

Am Ende der von SR1-Moderatorin Verena Sierra geleiteten Tagung steht die Vorstellung des saarlandweiten #freilenker-Projekts von Verena Tittelbach und Iris Klein. Die beiden arbeiten in der Suchtberatung im Gesundheitsamt des Regionalverbandes und sind zusammen mit Kollegen aus anderen Landkreisen die „Koordinatoren der gemeindenahen Suchtprävention im Saarland“. Dieser Arbeitskreis hat es sich im Rahmen des #freilenker-Projekts zur Aufgabe gemacht, junge Fahranfänger über die Auswirkungen von Cannabis auf die Fahrtüchtigkeit zu informieren und gezielt Wissen zu vermitteln. Neben der breit lancierten Öffentlichkeitsarbeit (CityCards Gratispostkarten, Flyer, Website etc.) und Präventionsmaßnahmen in Schulen gibt es Multiplikatorenschulungen für Fahrlehrer.

„Die Fahrschüler sollen für das Thema sensibilisiert werden. Grundsätzlich geht es darum, Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen“, erläutert die systemische Therapeutin Klein den Ansatz. Ihre jüngere Kollegin Tittelbach ergänzt: „Das Unfallrisiko unter Einfluss von Cannabis und anderen Drogen ist erhöht, weil es durch den Konsum von Cannabis zu einem verlangsamten Zeiterleben kommen kann. Entfernungen und Geschwindigkeiten können deshalb falsch eingeschätzt werden. Irrelevantes rückt in den Fokus, Konzentrationsschwierigkeiten und eine verzögerte Reaktion können so die Fahrtüchtigkeit beeinflussen.“ Dass der Besitz, auch kleinerer Mengen, strafbar ist, – wobei nicht wenige Verfahren mit der Auflage von sechs Sitzungen bei der Suchtprävention fallengelassen werden – scheint vielen Jugendlichen und jungen Erwachsenen immer noch nicht klar zu sein, berichten die beiden. Auf der druckfrischen grünen #freilenker-CityCard mit den beiden in entgegengesetzten Richtungen zeigenden Schildern „Road“ und „Trip“ wird deshalb unprätentiös informiert, was passiert „Wenn Du Gras dabei hast…“. Also wenn schon, dann besser als verantwortungsvoller „Druffgänger“ zu Fuß – so eine andere Karte. Denn Jugendliche sich weiterhin ausprobieren und konsumieren werden, ist eine gesellschaftliche Tatsache, der mit den Mitteln der Aufklärung am besten zu begegnen ist.

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