Risiken für die Kinder sind enorm: Sucht der Eltern ist eine Gefahr für Kinder

Neunkirchen/Eppelborn · Fachtagung in Eppelborn zur bundesdeutschen Aktionswoche. Ziel ist eine möglichst frühe Unterstützung.

 Haben die Fachtagung „Früh gefährdet – immer gefordert“, die am 6. Februar im Big Eppel stattfindet, mit vorbereitet (v.l.): Markus Zimmermann (LPH), Dr. Lieselotte Simon-Stolz sowie Janina Meeß und Carina Oswald vom Sucht-Projekt Wiesel des Caritasverbandes für die Region Schaumberg-Blies.

Haben die Fachtagung „Früh gefährdet – immer gefordert“, die am 6. Februar im Big Eppel stattfindet, mit vorbereitet (v.l.): Markus Zimmermann (LPH), Dr. Lieselotte Simon-Stolz sowie Janina Meeß und Carina Oswald vom Sucht-Projekt Wiesel des Caritasverbandes für die Region Schaumberg-Blies.

Foto: Heike Jungmann

„Deutschlands vergessene Kinder“ könnte man sie in Anlehnung an einen amerikanischen Spielfilm nennen, der gerade dieser Tage wieder im Fernsehen lief. Denn erst in den vergangenen  Jahren sind die Risiken, den Kinder von Alkohol oder Drogen abhängigen Eltern ausgesetzt sind, in Deutschland mehr in den Fokus gerückt. Mit dazu beigetragen haben Projekte wie „Wiesel“, ein Angebot des Caritasverbandes für suchtbelastete Familien in den Landkreisen Neunkirchen und St. Wendel. In  Gruppenstunden für die betroffenen Kinder, Einzel- und Fallberatungen für die Familien, Schulungen für Fachkräfte und Öffentlichkeitsarbeit wird der Problematik in umfassender Weise begegnet.

Bundesweite Aufmerksamkeit erfährt das Thema anlässlich der jährlichen Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien, die vom 10. bis 16. Februar stattfindet. Eine große Resonanz über die Landesgrenzen hinaus haben die Organisatoren einer Fachtagung erfahren, die im Vorfeld der Aktionswoche am Mittwoch, 6. Februar, im Big Eppel stattfinden wird. „Ausgebucht“ können Carina Oswald und Janina Meeß (Suchthilfe Caritasverband), die Kinder- und Jugendärztin Dr. Lieselotte Simon-Stolz (Deutsche Gesellschaft für Kinderschutz in der Medizin) und Markus Zimmermann (Landesinstitut für präventives Handeln) für die ganztägige Fachtagung „Früh gefährdet – immer gefordert“ vermelden. Im Gespräch mit der SZ machten die vier Vertreter der Kooperationspartner, die Landkreise Neunkirchen und Saarpfalz sind ebenfalls mit im Boot, deutlich, welchen Belastungen und Entwicklungsrisiken die Kinder von Eltern ausgesetzt sind, die Suchtmittel konsumieren.

Obwohl das Problem zunehme, gebe es im Vergleich zu den USA und Kanada noch relativ wenige wissenschaftliche Untersuchungen über die Gefahren für die Entwicklung der Kinder, berichtet Dr. Simon-Stolz. Mehr als drei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland – vermutlich deutlich mehr – haben laut Studien mindestens einen suchtkranken Elternteil. Verstörend sind etwa die Folgen für Neugeborene, deren Mutter während der Schwangerschaft Heroin oder ein Substitut gespritzt hat. Fast 90 Prozent der Babys haben massive Entzugserscheinungen, sind extrem auffällig, schreien, lassen sich nicht füttern, schwitzen und können nicht schlafen. „Die Babys bekommen Morphintropfen und müssen in einen geschützten Raum“, berichtet Simon-Stolz. Solche gesundheitliche Schäden durch suchtbelastete Eltern sind offensichtlich und deshalb „leichter“ zu behandeln. Schwieriger wird es, berichtet die ehrenamtlich tätige Kinderärztin, wenn Kinder Symptome zeigen, die nicht richtig eingeordnet werden können, weil die Vorgeschichte nicht bekannt ist. Etwa weil die Mutter aus Scham nicht zugibt, von Alkohol oder Drogen abhängig zu sein. „Um die Kinder entsprechend zu schützen ist ein offener Umgang notwendig“, weiß auch Carina Oswald. Und eine gute Vernetzung der Hilfseinrichtungen und derer Angebote. Die Fachtagung in Eppelborn, zu der sich rund 230 Teilnehmer angemeldet haben, soll unter anderem zu einer besseren Kooperation führen. „Die Zusammenarbeit ist absolut notwendig“, bekräftigt Markus Zimmermann. „Einer allein schafft es nicht.“

Wie der Schutz und die Versorgung der Kinder aus suchtbelasteten Familien so früh wie möglich gelingen kann, wird Thema der Fachtagung sein. So wird unter anderem Professor Dr. Michael Zemlin vom Universitätsklinikum des Saarlandes über den „Substanzkonsum in der Schwangerschaft“ referieren und Henning Mielke, selbst in einer suchtbelasteten Familie aufgewachsen, Einblicke aus der Kinderperspektive bis zur Politik geben. Selbst einbringen kann sich das Teilnehmerfeld bei verschiedenen Foren, in denen Vorschläge für die Praxis erarbeitet werden.

Für junge Leute, nämlich Schüler der neunten Klasse der Albert-Schweitzer-Gemeinschaftsschule in Spiesen-Elversberg, wird eine zweite Veranstaltung innerhalb der Aktionswoche organisiert. In Kooperation mit dem Cinetower und der Schoolworkerin Christina Klein wird am 14. Februar ein Spielfilm über das Leben der 14-jährigen Zoey gezeigt, die mit dem Rückfall ihres alkoholkranken Vaters zu kämpfen hat. Örtliche Hilfesysteme stellen sich danach vor, damit die Jugendlichen mögliche Ansprechpartner kennen lernen.

Für die Schulklassen besteht zusätzlich die Möglichkeit, das Thema „Jugendliche/r in suchtbelasteter Familie“ in einer weiteren Einheit an ihrer Schule aufzugreifen und zu bearbeiten. „Wenn sich Jugendliche Sorgen um ihre Eltern machen und sich gerne jemanden anvertrauen möchten, sind sie bei uns richtig“, betont Janina Meeß von „Wiesel“ abschließend.

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