Überleben – aber wie?

Dirmingen · Am Rande des Seminars sprach die SZ mit Veranstaltungsleiter Martin Rebel von der Ehrenamtsbörse des Landkreises Neunkirchen. Wie entwickeln sich solche Fortbildungs-Angebote für die Vereine? Und warum waren jetzt in Finkenrech nur zwei Frauen unter den Vereinsvertretern?

 Jörg Hellbrück und Sohn Marcel setzen sich für den Natur- und Vogelschutzverein Uchtelfangen ein. Fotos: Ehrenamtsbörse

Jörg Hellbrück und Sohn Marcel setzen sich für den Natur- und Vogelschutzverein Uchtelfangen ein. Fotos: Ehrenamtsbörse

Michael Gillmann ist sich am Ende des Tages sicher: Er wird seinem Vorstand Konkretes und Hilfreiches berichten können. Der 18-Jährige Ju-Jutsu-Kämpfer vom PSV Neunkirchen war von der Vereinsspitze zum Seminar "Verein mit Zukunft" ins Landhotel Finkenrech entsandt worden. Eine Fortbildungsveranstaltung der Ehrenamtsbörse des Landkreises Neunkirchen . Rechtsanwalt Patrick Nessler aus Neunkirchen referierte zu rechtlichen Grundlagen für Vorstands- und Vereinsarbeit. PR-Berater Thomas Schommer aus Kleinblittersdorf sprach über effizientes Management von Sitzungen sowie Personalentwicklung im Ehrenamt.

Altersdurchschnitt 60 plus

Denn, so das Ergebnis einer Umfrage der Ehrenamtsbörse: Was Vereine in einer sich wandelnden Gesellschaft und eines wirkenden demografischen Wandels umtreibt, sind Überaltern, vakante Vorstandsposten, Nachwuchssorgen.

Das bestätigen im Gespräch mit unserer Zeitung auch Vereinsvertreter "Wir haben 300 Mitglieder, Altersdurchschnitt über 60. Unsere Herausforderung ist es, junge Leute in den Verein zu holen und zu motivieren, sich im Verein zu engagieren", sagt Jörg Hellbrück (51), 2. Vorsitzender des Natur- und Vogelschutzvereins Uchtelfangen. Gekommen ist er mit seinem Sohn Marcel (29), Jugendleiter und einer der Jüngsten. 360 Mitglieder waren es mal, aber in den nächsten Jahren, so die Befürchtung, könnte die Zahl drastisch sinken. "Einmal im Monat machen wir samstags ein Angebot für Kinder und Jugendliche", berichtet Jörg Hellbrück, zum Beispiel Wasseranalyse: "Früher kamen da zwischen zehn und 15 Kinder, heute vielleicht noch drei." Die Probleme kennt auch Marco König (36), Kassierer beim ASV Bubach-Calmesweiler: "Von 102 Mitgliedern - aktive Angelsportler und Nicht-Aktive - sind 15 unter 18 Jahren."

Günter Meffert (60) ist Vorsitzender der Briefmarkenfreunde Schiffweiler. Er vertritt 30 Mitglieder, alle zwischen 46 und 90: "Vor fünf Jahren waren es doppelt so viele." Mitglieder sterben weg. Meffert rechnet mit einer Konzentration der Vereine: "Jetzt haben wir saarlandweit noch 21. In den nächsten zehn Jahren werden sich einige zusammenschließen. Dann haben wir vielleicht noch zehn."

Der Förderverein für die ambulante Alten- und Krankenpflege in Ottweiler zählte mal über 1000 Mitglieder, jetzt noch 380 - "Tendenz fallend" - mit einem Altersdurchschnitt von über 80, berichtet der Vorsitzende Wolfgang Neuhäuser (70). Weniger und zunehmend ältere Mitglieder - das wirkt sich auch auf die Vorstandarbeit aus: "Wie motiviere ich, Verantwortung im Vorstand zu übernehmen, wie gewinnen wir neue Mitglieder?", fragt Neuhäuser. Versucht haben sie schon einiges: Stand auf dem Wochenmarkt, Flyer verteilen im Neubaugebiet -"Ergebnis ziemlich gegen null." Mehr als 500 Mitglieder zählt die Nabu-Ortsgruppe Köllertal. Natur- und Umweltschutz sei schon en vogue, spürt der Vorsitzende Hans-Joachim Schmidt (64): "Wir brauchen Ideen, wie man die Leute behält und wie man sie motivieren kann mitzumachen, etwa in Projekten."

Zwang zur Zusammenarbeit

"Manche Vereine verdrängen die Probleme. Manche Vereine stellen sich", berichtet Referent Schommer von seinen Erfahrungen. Nicht alle würden überleben. "Ich halte das Ehrenamt für zukunftsfähig, wenn die Strukturen angepasst werden", so Schommer weiter. Vereine müssten sich bewegen, Mut zum Verändern zeigen: "Vereine, die ein großes Beharrungsvermögen haben, werden zuerst gehen." Und klar, der Zwang zum Zusammenarbeiten, zum Zusammengehen treffe im demografischen Wandel auch die Vereine: "Kooperation lässt sich planen."

Weniger Verpflichtung, mehr Spaß bei der Vereinsarbeit, fordert Referent Thomas Schommer ein. Vor allem mehr Effizienz mit Blick aufs Zeitbudget. "Wir haben inzwischen eine andere Lebenswelt: Früher kam man von der Arbeit, hatte kein Internet und vielleicht ein Fernsehprogramm: Was wollte man da anders tun, als einen Verein zu gründen und Vereinsleben zu pflegen? Heute haben wir die Medienvielfalt und jede Menge Freizeitangebote. Zudem ist die Lebenssicherheit - einen Arbeitsplatz fürs ganze Berufsleben - weg." Da überlege einer, ob er Zeit und Energie in Vereinsarbeit steckt: "Gerade die 30 bis 50-Jährigen stellen für einen Verein nur dann ein Zeitbudget zur Verfügung, wenn sie glauben, dass der Verein effektiv arbeitet."

Wen haben wir denn?

Effektive Vorstandarbeit, das hat dann auch Michael Gillmann notiert. Sitzungen lassen sich strukturieren: Ergebnisprotokoll statt Erlebnisprotokoll. Maßnahmenplan festhalten: Wer macht was mit wem bis wann. Neue Medien einsetzen. Gillmanns zweite Notiz: Sich schlau machen, wer mit welchen Fähigkeiten im Verein ist. Schommers Beispiel: "Einen Steuerberater kann ich doch für Steuerfragen nutzen. Wenn ich weiß, dass ich einen im Verein habe." Auf Finkenrech waren bei vertretenen 15 Vereinen lediglich zwei Frauen dabei, auch noch aus dem gleichen Verein. Typische Vorstands-Realität oder Zufall?

Rebel: Nach meiner Erfahrung leider Realität. Ich war schon überrascht, dass zwei Frauen dabei waren. Frauen engagieren sich in der Regel sehr viel, sind in vielen Projekten vertreten und leisten viel gute Arbeit. Doch in einem Vorstandsamt fest binden auf Jahre lassen sich nur wenige. Man kann nicht sagen, dass das Ehrenamt männlich oder weiblich ist. Das hält sich sicherlich die Waage. Aber die Formen des Engagements sind sehr unterschiedlich verteilt.

Beobachten Sie eine steigende Bereitschaft bei Vereinen, ihre Verantwortlichen fortzubilden?

Rebel: Die Lage der Vereine wird immer schwieriger und komplexer. Deshalb steigt auch das Bewusstsein dafür, die Mitarbeiter fortzubilden. Dennoch ist es immer noch nur ein geringer Prozentsatz, der bereit ist, an Fortbildungsmaßnahmen teilzunehmen. Das Angebot ist hoch und vielfältig. Viele Organisationen machen mittlerweile passgenaue zielgerichtete Angebote. Beispielsweise die Ehrenamtsbörse, die Landesarbeitsgemeinschaft, der Landessportverband und diverse politische Stiftungen.

Und was fragen Vereine besonders nach?

Rebel: Es sind in der Regel rechtliche oder versicherungstechnische Fragen, die für die tägliche Arbeit relevant sind. Aber auch die Suche nach neuen Mitarbeitern und Mitgliedern wird zum Dauerthema.

Meinung:

Qualitätin die Vereine

 Michael Gillmann

Michael Gillmann

 Martin Rebel

Martin Rebel

 Hans-Adolf Klein (links) hat gute Erfahrungen mit Angeboten der Neunkircher Ehrenamtsbörse gemacht. Er überredete drei Mitstreiter von der Nabu-Ortsgruppe Köllertal zum Seminar – Hans-Joachim Schmidt, Anke Scherer und Christel Altmeyer (von links).

Hans-Adolf Klein (links) hat gute Erfahrungen mit Angeboten der Neunkircher Ehrenamtsbörse gemacht. Er überredete drei Mitstreiter von der Nabu-Ortsgruppe Köllertal zum Seminar – Hans-Joachim Schmidt, Anke Scherer und Christel Altmeyer (von links).

Von SZ-RedakteurinClaudia Emmerich

Ehrenamt und Professionalität - geht das überhaupt zusammen? Aber ja doch. In leistbarem Umfang. Nicht nur die Ehrenamtsbörse, auch andere Institutionen bieten heute ein breit gefächertes Angebot, sich fit zu machen: Rhetorik, Mitarbeiterführung, Zeit-Management, Rechtsgrundlagen, Haftungsfragen, Neue Medien. Das Angebot muss nur wahrgenommen werden. Man wünscht den Vereinsvorständen den Mut und die Weitsicht, sich selbst und vor allem auch potenzielle Nachrücker in solche Fortbildungsveranstaltungen zu schicken. Finanziell ist das zu stemmen. Und es wird sich rechnen. Mit der Chance, den Verein zukunftsfit zu machen - sei es auch in Kooperation mit anderen Vereinen, die gleiche Probleme zu lösen haben.

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