Politposse ums Fledermaus-Haus

Saarbrücken/Eppelborn · Zu teuer oder alternativlos? Die Meinung des saarländischen Umweltministers Reinhold Jost (SPD) zum Fledermausquartier bei Eppelborn hatte in den letzten Wochen eine erstaunliche Bandbreite.

 Direkt neben der baufälligen Illtalbrücke wurde 2014 ein Quartier für die Mausohrfledermaus-Kolonie gebaut, die bislang in der Brücke Unterschlupf fand. Foto: Rolf Ruppenthal

Direkt neben der baufälligen Illtalbrücke wurde 2014 ein Quartier für die Mausohrfledermaus-Kolonie gebaut, die bislang in der Brücke Unterschlupf fand. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Die Große-Mausohr-Fledermaus ist ein Dickkopf. An der A 1 bei Eppelborn hat man ihr 2014 für viel Geld einen artgerechten neuen Unterschlupf gebaut, weil ihre alte Heimat in der Illtalbrücke bald nicht mehr existiert. Die Brücke wird wegen irreparabler Schäden abgerissen und 2016 neu gebaut. Gut geschützt und in bester Fledermauslage entstand ein Röhrensystem neben der alten Brücke. Doch die 90 Fledermäuse wollten dort bisher nicht einziehen und hängen lieber unter der nahen Klingenthalbrücke ab. Dort hatte sich schon früher eine Fledermaus-Kolonie gebildet, von der sich die Tiere zunächst abspalteten und nun zurückkehrten.

443 000 Euro hat das Ersatzquartier für die unter Naturschutz stehenden Großen Mausohren den Steuerzahler gekostet. Da der Erfolg des Projekts bisher ausblieb, stellen sich viele Bürger die Frage: Warum so viel Geld für ein Fledermaus-Haus, in das niemand einzieht? So auch am 24. Oktober bei einem Bürgerdialog in Saarbrücken. Konfrontiert mit dieser Frage zeigte Umweltminister Reinhold Jost (SPD ) klare Kante: Das Fledermaus-Quartier sei viel zu teuer angelegt worden. Er habe das Projekt von seiner Amtsvorgängerin aus der Zeit der Jamaika-Koalition, Simone Peter (Grüne), übernommen und keinen Einfluss auf die Planung gehabt. Das grüne Umweltministerium habe damals in der Bevölkerung nicht ausreichend um Akzeptanz für das Projekt geworben.

Die Verantwortung lag also bei den Grünen. Oder doch nicht? Der irreparable Schaden an der Illtalbrücke wurde laut Landesbetrieb für Straßenbau erst am 28. Februar 2013 festgestellt. Anfang März 2013 wurde mit der Planung einer neuen Brücke begonnen. Da war Simone Peter schon seit über einem Jahr nicht mehr im Amt. Chefin der obersten Naturschutzbehörde im Land, und somit für die Naturschutzauflagen zuständig, war nun die damalige Umweltministerin und heutige Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger , eine SPD-Parteifreundin Josts. In ihrer Amtszeit wurde das Fledermaus-Quartier geplant und beschlossen. Hat sie also durch zu hohe Naturschutzauflagen für das teure Ersatzquartier Steuergelder verschwendet?

Er habe sich in der Sache geirrt, lässt Umweltminister Jost nun über eine Sprecherin mitteilen. Die Planung des Fledermaus-Quartiers falle wohl doch nicht in die Zeit der Jamaika-Koalition. Auch in Sachen Fledermaus-Quartier hat sich die Meinung des Ministers überraschend um 180 Grad gedreht. Das Ersatzquartier sei nach bestem Stand der wissenschaftlichen Kenntnis geplant worden, teilte sein Ministerium jetzt mit. "Es hat aufgrund des Expertenwissens keine billigere Variante, die auch hätte funktionieren können, gefunden werden können. Daher wäre auf jeden Fall jede billigere Variante, die ganz sicher nicht funktioniert hätte, Verschwendung gewesen", heißt es. Aha.

Ist das Projekt "Fledermausquartier" mit dem Wegbleiben der Tiere nun gescheitert? "Nein", sagen Umweltministerium und auch Fledermaus-Expertin Christine Harbusch übereinstimmend. "Die Großen Mausohren sind Traditionalisten", erklärt die Zoologin, die das neue Quartier maßgeblich mitgeplant hat. "Sie nehmen Änderungen in ihrem Umfeld nicht gerne an." Der Wechsel der Fledermäuse in ihr neues Quartier könne noch mehrere Jahre dauern. Erste Erfolge gebe es. "Ich habe bei meinem letzten Besuch Fledermauskot in der Anlage gefunden", so Harbusch. Das bedeutet, dass zumindest zeitweise Mausohren das Quartier erkundet haben. Harbusch rechtfertigt auch die hohen Kosten. Die Fledermäuse seien nicht nur aus ethischen und ökologischen Gründen schützenswert: "Sie haben auch einen hohen ökonomischen Wert für die Landwirtschaft als biologische Schädlingsbekämpfer." So sei in den USA nach einem krankheitsbedingten Fledermaus-Massensterben der Pestizideinsatz in der Landwirtschaft stark angestiegen. "Besser mehrere 100 000 Euro in ein Ersatzquartier stecken als Millionen für Pestizide ausgeben", ist Harbusch überzeugt.

Meinung :
Das ging nach hinten los

Von SZ-RedakteurFlorian Rech

Upps, das war wohl nichts. Da wollte Reinhold Jost das unpopuläre und teure Fledermausprojekt mal schnell auf den politischen Gegner schieben und trifft mit seiner Attacke ausgerechnet Parteikollegin Anke Rehlinger , die damals tatsächlich als oberste Naturschützerin verantwortlich war. Er hätte seine Zeit wohl besser genutzt, um tatsächlich für mehr Verständnis für den Bau zu werben. Auch wenn das Fledermaus-Quartier wenig populär ist, folgte man mit dem Bau doch den strengen Naturschutzgesetzen des Bundes und der EU. Hätte man Fledermäuse und Naturschützer mit einem günstigen Erdloch abgespeist, wäre man Gefahr gelaufen, den Abriss und Neubau der Illtalbrücke durch Gerichtsprozesse zu verlängern und wesentlich zu verteuern. Der Missmut der Bürger wäre ungleich größer gewesen.

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