Jammern ist keine Option

Dirmingen · Den Juni 2016 werden etliche Menschen in der Region nicht vergessen: Heftigste Regengüsse am 4. Juni und – noch schlimmer – am 7. Juni sorgten vor allem in Dirmingen und mehreren Illinger Ortsteilen für Wassermassen, Schlamm und Geröll in vielen Häusern und Straßen. Familie Ludwig aus Dirmingen hat die SZ zur „Katastrophen-Nachschau“ eingeladen.

 Mit Sandsäcken versucht Familie Ludwig ihr Anwesen in Dirmingen vor neuerlichen Wasser-Katastophen zu schützen. Hündin Nele hält davon offensichtlich eher wenig. Von links: Laura, Heike und Werner Ludwig. Foto: Andreas Engel

Mit Sandsäcken versucht Familie Ludwig ihr Anwesen in Dirmingen vor neuerlichen Wasser-Katastophen zu schützen. Hündin Nele hält davon offensichtlich eher wenig. Von links: Laura, Heike und Werner Ludwig. Foto: Andreas Engel

Foto: Andreas Engel

Eigentlich hatten wir Menschen erwartet, die angesichts der Heimsuchung durch die Naturgewalten und den Schäden an Haus und Hof der Verzweiflung nahe sind und sich mit lautem Lamento Luft machen wollen. Doch weit gefehlt. Heike und Werner Ludwig samt ihren erwachsenen Kindern Laura und Fabian wirken auch nach Wochen des Aufräumens, Saubermachens und dem Bau von Schutzmaßnahmen gegen neuerliche Regen-Ereignisse der extremen Art ziemlich entspannt.

Ihr Haus steht in Dirmingen an der Tholeyer Straße, dort wo ein asphaltierter Feldweg von der Straße in Richtung Birkenhof abzweigt. Links des Weges dehnt sich ein gewaltiger Hügel, bepflanzt mit Getreide, aus. An den beiden Tagen, an denen der große Regen kam, fand das Wasser auf dem abschüssigen Gelände keinen Halt beziehungsweise keine Möglichkeit zum versickern und machte sich in einem mächtigen Schwall in Richtung Tholeyer Straße auf den Weg.

Das eher mickrige Rohr, das Regenwasser unter dem Asphalt durchleiten sollte in Richtung der Bebauung auf dem Rothenberg, versagte, verstopft mit Geröll, den Dienst. Was dem Wasser wohl ohnehin egal war. Das Haus der Ludwigs bildete unglücklicherweise eine Art Sperr-Riegel für die ungebändigten Massen.

"Am Samstag, dem 4. Juni, hatten wir zum ersten Mal den kompletten Keller voll mit der Brühe", erzählt Laura Ludwig. Auch andere Dirmingen hätten an diesem Tag die ersten Erfahrungen mit den üblen Auswirkungen des Starkregens gemacht. Die Ludwigs schafften es mit etlichen Helfern wieder einigermaßen "klar Schiff" im und ums Haus herum zu machen. Bis am Dienstag, 7. Juni, dann erneut alle "Dämme" brachen. Von den Kellerfenstern ist nichts mehr übrig geblieben, stabile Türen mussten dem Wasserdruck weichen, Teile von dem, was hinten reinlief, schossen vorne im Hof durch die Lichtschächte wieder raus. "Als die Brühe an der Unterkante der obersten Stufe der Treppe in den Keller stoppte, waren wir fast erleichtert, schließlich wurden die Wohnräume nicht überflutet", geben die Ludwigs zu Protokoll.

Statt einer Aufzählung der Dinge, die im Keller ein Opfer der Dreckbrühe (ein Landwirt hatte auf den Feldern erst wenige Tage zuvor Gülle ausgefahren) geworden sind, folgt von Heike Ludwig ein Riesenlob auf all die vielen Helfer und Spender. Sie hätten es ermöglicht, das Haus wieder bewohnbar zu machen. "Da sind auch Leute gekommen, die selbst betroffen waren", ist Heike Ludwig stolz auf die Dirminger Dorfgemeinschaft mit dem rührigen Ortsvorsteher Manfred Klein. "Auch die Eppelborner Gemeindeverwaltung war mehrfach hier", sagt Werner Ludwig, der bei der Regenwasser-Führung oberhalb seines Hauses Defizite sieht. Zurzeit zieren jetzt fast 1000 Sandsäcke ("haben wir alle mit Freunden und Helfern selbst gefüllt") die gefährdeten Grundstücks-Bereiche. Die Kellerfenster- und Türen sind zugemauert, vor dem Wohnzimmer-Fenster soll eine Stahlplatte etwaige neue Fluten aufhalten. Mittlerweile läuft auch die Heizung wieder halbwegs stabil. Etliche Trocken-Lüfter pusten permanent, dennoch ist das Mauerwerk weiter klitschnass, im ganzen Haus riecht es feucht-modrig. 129 Schadensmeldungen hat es alleine in Dirmingen gegeben, dazu kommen noch etliche aus den Illinger Ortsteilen. Alle Betroffenen hoffen jetzt auf Hilfen von der Landesregierung, in Eppelborn gibt es dazu noch einen Spenden-Fonds von rund 60 000 Euro, den der Ortsrat verwaltet. Wie so viele hat auch Familie Ludwig keine so genannte Elementar-Versicherung gehabt, die die Unwetter-Schäden abdecken würde. "Wir hoffen, das wir das ersetzt bekommen was wir wirklich brauchen", sagt Werner Ludwig und hat im Geiste wohl schon die kürzlich erst in den Keller geräumte, aber intakte Küche ebenso abgeschrieben wie Couch, Bett und Fernseher sowie die Kindersachen, die dort unten lagerten.

Familie Ludwig verabschiedet das SZ-Team mit einem Lächeln im Gesicht. Jammern ist für sie, wie für so viele andere betroffene Dirmingen auch, keine Option. Man blickt nach vorne. Die Dirminger und ihre Freunde werden sich an diesem Wochenende zu Feiern treffen. Von Freitag bis Sonntag geht das Folxfeschd im Turbo-Festzelt über die Bühne. Dabei ist dann auch die Kölner Gruppe Brings. Die wurde bekannt durch den Ohrwurm "Superjeilezick" (Super geile Zeit).

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