„Fahr mal wieder U-Bahn“

Eppelborn · Im Berliner Untergrund, genauer gesagt, in der U-Bahn, spielt das Stück „Linie 1“. Hier findet eine Ausreißerin aus der Provinz nicht nur Abenteuer in der großen Stadt, sondern auch echte Freundschaft.

 Das Lübecker Figurentheater eröffnete mit der Geschichte einer jungen Ausreißerin, die in Berlin auf skurrile Typen trifft. Foto: Anika Meyer

Das Lübecker Figurentheater eröffnete mit der Geschichte einer jungen Ausreißerin, die in Berlin auf skurrile Typen trifft. Foto: Anika Meyer

Foto: Anika Meyer

Halb leere Stuhlreihen gehören bei der Nischenkultur ja fast zum Flair. Es geht aber auch anders: 300 Besucher versammelten sich am Samstag im Big Eppel zum Auftakt der Eppelborner Figurentheatertage, der dadurch nichts von seiner Aura des Besonderen und Alternativen einbüßte. Kulturamtsleiter Aloysius Scholtes freute der Andrang, den er hauptsächlich der Zugkraft des Eröffnungstücks zuschrieb: "Die 'Linie 1' ist ja ein sehr bekanntes Musical der 80er Jahre."

Bei der Gemeinde war man stolz, die erste Figurentheaterversion der "Linie 1", die das Grips-Theater Berlin exklusiv dem Kobalt-Figurentheater Lübeck genehmigt hat, an Land gezogen zu haben. Und Bürgermeisterin Birgit Müller-Closset versprach noch viele weitere Leckerbissen: "Sie zeichnen sich durch hohen künstlerischen Anspruch aus und regen unsere Fantasie an." Acht Gruppen aus ganz Deutschland präsentieren Klassisches und Modernes, zumeist für Kinder.

Doch erst einmal irrte vor den Erwachsenen ein Mädchen durch den Berliner Untergrund. Eine Ausreißerin ohne Identität oder besser gesagt, mit mehreren. Denn allen, mit denen sie in der U-Bahn-Linie 1 ins Gespräch kommt, nennt sie einen anderen Namen. Und mal erzählt sie von einem Verlobten, mal von Verwandten, die sie abholen wollen. Dabei ist sie wie berauscht von den Eindrücken: "Es riecht nach Großstadt, Ruß und Abenteuer, nach Kino, Weltkrieg und Benzin, nach Schicksal und Pisse. Wahnsinn, das isse: die Luft von Berlin!"

Gesang, Dialoge, Puppen- und Schauspiel wechselten sich ab und es war geradezu fantastisch, wie die Darsteller Silke und Franziska Technau und Stephan Schlafke die Zuschauer mit spärlichen Requisiten in die Großstadtatmosphäre hineinzogen. Köstlich amüsierte man sich beispielsweise über die auf das Nötigste reduzierte U-Bahn-Fahrt: Passagiere , die sich im Takt wackelnd mit ihrer Zeitung von der Welt abschirmen und Passagiere , die durch die sich schließende Tür hechtend nach einer Haltestange greifen. "Du bist mir mal sympathisch und mal ne Qual. Du bist'n Stückchen U-Bahn , du bist mir scheißegal", so das Lied der sich gegenübersitzenden Fahrgäste. Doch trotz aller Kälte und obwohl zunächst alle Gespräche auf "Haste mal ne Mark?" hinauslaufen - das Mädchen erliegt dem Charme des Untergrundes. Und sie nähert sich dem Panoptikum seiner skurrilen Gestalten an: Punks, Dealer, Alkis, Arbeitslose, Spießer, Teenies und Träumer. Es ist gut, dass sie da sind, denn das Mädchen wird nicht abgeholt. Ihr Traumprinz, der Rocksänger, erweist sich als ebenso aufgeplustert wie seine 80er-Jahre-Ärmel. Die skurrilen Gestalten hingegen erweisen sich als Freunde. Getragen wurden sie vom waschechten Berlinerisch der Darsteller.

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Auf einen BlickWeiteres Programm der 27. Figurentheatertage: Montag, 29. Februar: 10 Uhr, Pfarrsaal Humes: "Die Olchis - Wenn der Babysitter kommt" (Wodo Puppenspiel ); Dienstag, 1. März: 9 und 10.30 Uhr, Big Eppel : "Conni kommt" (Wodo Puppenspiel ); 9 und 10.30 Uhr, Wiesbachhalle: "Frau Holle " (Dresdner Figurentheater, Piccolo Theater Cottbus); 16 Uhr, Big Eppel : "Petterson und Findus - Aufruhr im Gemüsebeet" (Dresdner Figurentheater); Mittwoch, 2. März: 10 Uhr, Big Eppel : "Ferdinand im Müll - ein Abenteuer in den Schlamms" (Buchfink-Theater Göttingen); Donnerstag, 3. März: 10 Uhr, Big Eppel : "Ferdinand im Müll"; 10 Uhr, Borrwieshalle Dirmingen: "Pippi Langstrumpf " (Dagmar Selje Puppenspiele Bielefeld); 15 Uhr, Borrwieshalle Dirmingen: "Hase und Igel" (Dagmar Selje Puppenspiele Bielefeld); Freitag, 4. März: 20 Uhr, Big Eppel : "Münchhausen - der wahre Fall" (Zauberbühne Rottweil). Für viele Veranstaltungen sind die Karten bereits knapp. Info: Telefon (0 68 81) 96 26 28. ani

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