Seit 15 Jahren gibt es das Museum Eintauchen in ein Meer von Farben und Fantasie

Eppelborn · Es ist am 13. August genau 25 Jahre her, dass der heutige Dekan Matthias Marx den Künstler Jean Lurçat für sich entdeckte.

 Blick in den großen Ausstellungsraum.

Blick in den großen Ausstellungsraum.

Foto: Jörg Jacobi

Dieses Kleinod hat sich gut getarnt. Von außen ist es noch ganz die ehemalige Mädchenberufsschule. Auch der vorsichtige Gang durch die Tür, durch die vor vielen Jahren die jungen Damen schnatternd Richtung Klassensaal marschierten, verrät noch wenig. Aber dann: Wer sich nach links wendet und durch die Tür ins Lurçat-Museum tritt, der wird kurz innehalten und durchatmen. Es ist ein Meer von Farben, das ihn umfängt. Die ehrenamtlichen Helfer kennen das schon und lassen dem Eintretenden gerne Zeit, sich in dieser unerwarteten Schönheit und Vielfalt langsam zu orientieren. Als die SZ zu Besuch ist sind Marlene John und Marlene Burkhardt mit von der Partie. Katja von Bünau kommt einen Augenblick später. Und natürlich nimmt sich der Mann Zeit, dem das alles hier zu verdanken ist: Der Dekan Matthias Marx.

Gerne erzählt der Geistliche, wie ein Museum voller solch ungewöhnlicher künstlerischer Werke nach Eppelborn kam. 1992 war es, als Marx gemeinsam mit Vikar Paul Ludwig während eines Frankreichaufenthaltes auf den Künstler Jean Lurçat aufmerksam wurde. Die Sammelleidenschaft wird geweckt. Als Paul Ludwig stirbt, gründet Marx die Paul-Ludwig-Stiftung Jean Lurçat mit Sitz in Eppelborn. 2002 im September wird das Museum mit inzwischen rund 400 Werken eröffnet. Alle vier Monate wird umgehängt auf den rund 250 Quadratmetern, sodass sich immer mal wieder ein neues Bild ergibt. Erstmals seit 15 Jahren ist die aktuelle Ausstellung themenzentriert, will sagen: Verschiedene Themen sind an verschiedenen Stellen des Museums zusammengefasst. Malerei, Wandteppiche, Keramiken, Lithografien, Aquarelle – die Auswahl ist groß. Wer zurzeit den großen Saal betritt, um seinen Rundgang zu machen, der wird gleich links an der Wand ein ganz besonderes Schmuckstück nicht übersehen können – Lieblingsstück von Marlene Burkhardt. „Die vier Elemente“ lautet der Titel des sechs auf 2,60 Meter großen Wandteppichs, Leihgabe der Levo-Bank. Am Tisch gegenüber sammeln sich wunderbare Keramiken. Eine Reihe von Meeresbildern bildet ein Thema. Und natürlich immer wieder die Tiere. Besonders Hähne hat Lurçat geliebt und immer wieder gerne abgebildet.

Marx, der immer wieder die Augen aufhält, wo es denn vielleicht das ein oder andere Stück zur Sammlung geben könnte, ist stolz auf das, was hier zusammengetragen wurde. Die neueste Errungenschaft sind drei Entwürfe. „Die könnten vermutlich für einen Wandteppich eventuell in einem Musikzimmer gewesen sein.“ Gefunden hat Marx die Entwürfe ganz zufällig. Die Teppiche sind das, was die meisten Kunstinteressierten mit dem Künstler verbinden. Dabei hat der am 1. Juli 1892 in Bruyères in den Vogesen geborene Künstler zwischen den Weltkriegen rund 700 Ölbilder, Gouachen und Aquarelle und eben Wandteppiche gefertigt. Mit Anfang 20, als Lurçat vor Verdun lag, hat er mit dem Tusche-Zeichnen angefangen.1919 gab es die erste große Ausstellung nach dem Krieg. Die Werke sind damals zu sehen in Paris und New York. Die Wandteppiche aber bleiben das Besondere, Ungewöhnliche, das, was man als erstes mit dem Künstler verbindet. Rund 1000 werden nach seinen Entwürfen weltweit in verschiedenen Ateliers gefertigt. Später, ab Ende der Dreißiger. Anfangs hat seine Mutter die Teppiche nach seinen Zeichnungen hergestellt, später die Ehefrau. Ein Beispiel hängt in Eppelborn, der Wandteppich „Metamorphose“ aus dem Jahr 1939. Die Vorlage, die war im Übrigen exakt genauso wie das spätere Endprodukt: in Größe, Farbe, Strich. Bis ins Jahr 1946/47 ist so maßstabsgetreu vorgefertigt worden. 56 Farben hat Lurçat verwendet. Anfangs hat er die Vorlagen bemalt, dann die Farben in die Vorlage hineingeschrieben. Wie das ausgesehen hat, das kann man anhand von Fragmenten in Eppelborn sehen. „Das wäre schön, wenn man das anhand der Vorlagen nachweben lassen könnte“, wünscht sich Marx.

Ein weiterer großer Schaffensteil von Lurçat sind die Keramiken. Welch ungewöhnliche Werke mit Katzen, Kobolden, Nixen und anderen fabelhaften Wesen in teils ungewöhnlichen Ausgestaltungen da entstanden sind, auch das kann man in der Eppelborner Straße Auf der Hohl verfolgen. Manchmal hat er selbst Hand angelegt – einen Teller gibt es in Eppelborn. Meist hat der Künstler die Schablonen gefertigt. „Er fand es lächerlich, dass er das selbst machen sollte, wo die anderen das viel besser konnten“, weiß Marx. Und er weiß auch, dass es unter anderem diese Arbeit war, die den Künstler abgelenkt haben in schwierigen Zeiten. Beispielsweise als sein Sohn, Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg, im KZ starb. Bis zu 100 Keramiken am Tag hat er in schwierigen oder freien Momenten zur Ablenkung oder Entspannung hergestellt.

Wer sich dem Künstler ganz nah fühlen möchte, der hat in diesem außergewöhnlichen Museum auch eine außergewöhnliche Möglichkeit. Am Ende des großen Raumes, dort, wo kleine Atelier-Stühlchen zum Verweilen einladen, da sitzt schon einer. Hier ist der Künstler selbst verewigt. Seit 2014 sinniert er hier vor sich hin, 180 Kilo schwer zwar, aber total lebensecht. Geschaffen von Sebastian Kaps als Überraschungsgabe von Matthias Marx anlässlich des Museumstages 2014. Zu ihm kann man sich gesellen und den Blick durch den Saal schweifen lassen, kann baden in diesem Meer von Farben. Kann sich gut vorstellen, wie der Künstler Kollegen wie Pablo Picasso und Henri Matisse dazu animiert hat, sich mit der Tapisserie-Kunst auseinanderzusetzen. Lurçat war ein unermüdlicher Schaffer, ein kreativer Künstler, der sich nicht auf eine Gestaltungsart beschränkt hat. „Noch mit 70 Jahren ist er die Leiter hoch und runter, um an seinen bis sieben Meter hohen Teppichen zu arbeiten“, erzählt Marx. Auch Bodenteppiche soll es im Übrigen geben. „Vermutlich 30 bis 40 aus den 20er Jahren – unbezahlbar.“

Damit das Museum funktionieren kann, gibt es einen Förderverein. 90 Mitglieder hat die Jean-Lurçat-Gesellschaft, wurde 1999 gegründet. Berühmte Gäste hat das Museum auch aufzuweisen, gerade vor kurzem war Bischof Stephan Ackermann zu Besuch. Ansonsten sind die Besucherzahlen noch immer eher bescheiden. 400 waren es im vergangenen Jahr, weiß Katja von Bünau. 15 Jahre gibt es das Museum inzwischen – im Rahmen der Ortskernsanierung, so verrät Marx, soll es möglicherweise neue Räumlichkeiten geben. „800 bis 900 Quadratmeter, die würden wir schon brauchen.“

Bis dahin gibt es aber auch in der ehemaligen Mädchenberufsschule noch viele Seiten des 1966 verstorbenen Künstlers zu entdecken, sei es die Sammlung von Harlekin-Bildern oder die ironischen Radierungen – Lieblingsstücke von Marx. Und das immer wieder aufs Neue, wenn umgestaltet, thematisch neu gefasst wird. Demnächst, da wird man sich ganz den Hähnen widmen. Die neue Hängung ist vermutlich schon am 13. August zu sehen, dann, wenn es 25 Jahre genau her ist, seitdem Marx gemeinsam mit Paul Ludwig den Künstler Lurçat entdeckt hat. Dann macht Cousin Michael Marx Musik. Los geht das Fest um 19.30 Uhr.

Öffnungszeiten: Mittwoch und Sonntag, 14.30 bis 18 Uhr, Führungen auf Anfrage: Telefon (0 68 81) 89 78 88 (während der Öffnungszeiten) oder (0 68 81) 96 26 28

 Links das Fragment einer Zeichnung mit Zahlen für die Farben, rechts Ausschnitt aus einem fertigen Werk.

Links das Fragment einer Zeichnung mit Zahlen für die Farben, rechts Ausschnitt aus einem fertigen Werk.

Foto: Jörg Jacobi
 Matthias Marx mit der Künstlerfigur. Sie wurde von ihm 2014 beim Künstler Sebastian Kaps in Auftrag gegeben.

Matthias Marx mit der Künstlerfigur. Sie wurde von ihm 2014 beim Künstler Sebastian Kaps in Auftrag gegeben.

Foto: Elke Jacobi
 Marlene Burkhardts (r) vor ihrem Lieblingsstück, links Marlene John.

Marlene Burkhardts (r) vor ihrem Lieblingsstück, links Marlene John.

Foto: Jörg Jacobi
  Beliebtes Motiv: Hähne. Ihnen ist die nächste Ausstellung gewidmet.

 Beliebtes Motiv: Hähne. Ihnen ist die nächste Ausstellung gewidmet.

Foto: Jörg Jacobi
 Ein großes Foto zeigt den Künstler in den 50er Jahren. Daneben Gebrauchs-Keramiken nach Lurçat-Entwürfen.

Ein großes Foto zeigt den Künstler in den 50er Jahren. Daneben Gebrauchs-Keramiken nach Lurçat-Entwürfen.

Foto: Jörg Jacobi
  Katja von Bünau

 Katja von Bünau

Foto: Jörg Jacobi
 Skizze mit Zahlen für die Farben. Foto: Jörg Jacobi

Skizze mit Zahlen für die Farben. Foto: Jörg Jacobi

Foto: Jörg Jacobi

www.jean-lurcat.de

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