Neunkircher Kutscherhaus Vom Sänger zum Texter

Neunkirchen · Rouven Wildegger Bitz ist ein Neunkircher Original. Seine Stimme ist stadtbekannt. Doch was macht er eigentlich im Kutscherhaus?

 Rouven Wildegger Bitz arbeitet in seinem Büro im Kutscherhaus an Musiktexten.

Rouven Wildegger Bitz arbeitet in seinem Büro im Kutscherhaus an Musiktexten.

Foto: Jörg Jacobi

Eine Fußmatte. Über die muss man, wenn man ins Büro von Rouven Wildegger Bitz will. Es ist die einzige ihrer Art im ganzen Kutscherhaus. Danach überrascht es nur noch marginal, dass der Musiker, Stimmlage Rocktenor, drinnen als erstes die Turnschuhe gegen zwei Pantoffel tauscht. Den Schreibtisch lässt Wildegger Bitz links liegen, „der gehört Hannah“ Neumann – mit der Fotografin teilt er sich das winzige Räumchen –  und hockt sich aufs graue Sofa, das, schöner Kontrast, auf einem grasgrünen Teppich steht. Dazu ein Couchtisch, fertig ist die Kreativschmiede des gebürtigen Neunkirchers. „Das reicht völlig“, meint er zufrieden, „ein Schreibplatz zum Texten.“

Wie jetzt, Texten? „Normalerweise kennt man mich nur vom Theaterspielen und Singen“, bestätigt er. Wildegger Bitz ist seit Ewigkeiten Mitglied der „kulisse“ und gehört zu den Urgesteinen des Musicalprojektes Neunkirchen. Sein König Artus in „Merlin“ ist legendär, damals noch als Laie interpretiert. Gesangsstunden nahm er seinerzeit bei Francesco Cottone. Anno 2019 komponiert dieser hinter der Wand gerade am nächsten Neunkircher Musical herum – und experimentiert mit Bitz zusammen an einem Kammermusical mit nur vier Darstellern. Wenn Wildegger Bitz im Kutscherhaus ankommt, simst er „Servus, bin im Nachbarraum“. Hat Cottone terminlich eine Lücke, wird was zusammen geschafft. Textlich steht das Werk schon, „es geht um eine Gerichtsverhandlung, in der jemand versucht, seine verkaufte Seele zurückzubekommen.“

Was Cottone betrifft, hat sich der biographische Kreis mit dem Zehn-Meilen-Schritt vom Schüler zum Kollegen also schon geschlossen. Kurioser Weise wohnen sie in Wiebelskirchen nur 50 Meter voneinander entfernt, laufen sich dort aber nie über die Füße. Wildegger Bitz stammt von hier, seine Ausbildung zum Buchhändler absolvierte er in Neunkirchen. Mit 30 Jahren hängte er seinen Job bei einer Autovermietung an den Nagel und wagte den Schritt in die Selbständigkeit. Liest man die kapitale Liste aller seiner Rollen, Gastspiele und Projekte, die darauf fußten, drängt sich der Verdacht auf, dass hier einer alles richtig gemacht hat. Genannt seien nur mal Frank Nimsgerns „Paradise of Pain“, die „West Side Story“ und „Jesus Christ Superstar“ oder, zuletzt, „Die Päpstin“ nebenan in der Gebläsehalle. In Kürze wird man ihn dort als Eddie in der Rocky Horror Show erleben können: „Für mich geht da ein kleines Träumchen in Erfüllung.“

Regelmäßig leiht der 44-Jährige der Band 6ct Humour (nicht nur) seine Stimme: „Da bin ich auch Texter, Produzent und mixe die Songs.“

Dann gibt es da noch Cinetique, ein Stummfilmprojekt, für das er ebenfalls komponiert, und die Krimi-Diners. Parallel unterrichtet Wildegger Bitz seit fast 15 Jahren Gesang im Bereich Pop, Rock und Musical. Und er ist Chorleiter, wie man jüngst bei der Veranstaltung „Altersbilder im Wandel“ erleben konnte, als seine rockenden Senioren vom „HeartChor Saar“ das Publikum von den Stühlen riss.

So bunt also ist eine Künstlerexistenz. Wildegger Bitz nennt es „Patchwork Geldverdienen Modell“. Wollte er das so? Einerseits ja. Aber „die andere Seite des Musizierens hat sich völlig verändert.“ Zu schaffen macht ihm die „Billig, billig“-Mentalität in der Branche, „das ist eine Katastrophe“. Leider gibt es „genug Leute, die für 30 Euro am Abend zwei Stunden auf der Bühne stehen“. Ein weiteres Standbein kann da jedenfalls nicht schaden. „Ich habe ein Fernstudium zum Werbetexter begonnen.“ Das macht „ziemlich viel Spaß“, mit Bildern und Worten umgehen liegt ihm halt. Schon in frühen Jahren schrieb Wildegger Bitz Lieder und Gedichte. Entsprechend ehrgeizig geht er das Studium an: „Das ist die erste Ausbildung, wo ich mich über eine Eins minus aufrege. Das gab’s noch nie.“

Doch zurück zum Kutscherhaus. Hier, mit den Mitbewohnern und der Stadt als Träger, sind „viele kleine Sachen“ geplant. Unter anderem wird Wildegger Bitz bei den City-Spieltagen auf dem Lübbener Platz Karaoke-Singen anbieten. Angedacht ist, mit den Jugendzentren zusammenzuarbeiten, zudem will er einen Schreib-Workshop installieren. Auf dem Sofa wird es dann allerdings etwas eng.

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