Die "Chefin" räumt ihr Kino

Neunkirchen. "Wir gehen in den Turm" oder "ins Eden" sagt die Neunkircher Jugend, wenn sie Lust auf Kino hat. Wenn es heißt "Wir gehen zur Chefin" ist klar: Das Corona ist angesagt. Den Ehrentitel Chefin hat sich dort in mehr als drei Jahrzehnten Irene Holbach erworben

Neunkirchen. "Wir gehen in den Turm" oder "ins Eden" sagt die Neunkircher Jugend, wenn sie Lust auf Kino hat. Wenn es heißt "Wir gehen zur Chefin" ist klar: Das Corona ist angesagt. Den Ehrentitel Chefin hat sich dort in mehr als drei Jahrzehnten Irene Holbach erworben. Sie habe immer einen guten Draht zur Jugend gehabt, sagt die 72-jährige Kinobetreiberin im SZ-Gespräch: "Ich habe die Neunkircher Stöpsel groß werden sehen."Nun wird Irene Holbach "ihr Kino" räumen - am kommenden Mittwoch sind die letzten Vorstellungen in den beiden Vorführsälen (260 und 80 Plätze) angesagt. Ein stiller Abschied soll's werden, denn schwer fällt ihr verständlicherweise der Abschied von Neunkirchen: "Von allen Kinos, die ich bis jetzt gehabt habe, lag mir keines so am Herzen wie das Corona." In immerhin fünf Städten der Region hat die Dillingerin bereits Lichtspieltheater gemanagt. Und trotz ihres Alters will sie auch jetzt nicht die Hände in den Schoß legen. "Ich habe bereits neue Pläne", deutet sie an.Nicht in Neunkirchen ("Die Konkurrenz ist hier zu groß"), aber natürlich in der Kinobranche. "Wer an dem Geschäft gerochen hat, kommt einfach nicht mehr raus, obwohl es ein Knochenjob ist", gesteht Irene Holbach. .Dass es mit dem Corona zu Ende geht, zeichnete sich bereits seit geraumer Zeit ab. Der Pachtvertrag war laut Irene Holbach bereits seit Monaten abgelaufen. Der Besitzer Peter Ruffing, der offenbar in Verkaufsverhandlungen steht, habe ihr aber eingeräumt, sie könne vorerst weitermachen. Überhaupt seien ihr viele Zugeständnisse gemacht worden, lobt die Pächterin den Vermieter. Sie hatte 2005 einiges in die Renovierung des Kinos gesteckt, das sie 2002 vorerst aufgegeben hatte. Nachdem der Interims-Inhaber Andreas Simon das Corona im März 2005 dicht gemacht hatte, griff sie wieder zu und eröffnete im Mai neu.Das Corona war schon den Neunkircher Urgroßvätern und -müttern ein Begriff. Nicht lange, nachdem die Bilder laufen lernten, eröffnete in fahrender Theatermann neben dem damaligen Hotel Halberg "Hirdt's Kinematograph". Das Neunkircher Stadtbuch gibt das Jahr 1907 an, nach anderen Quellen soll es 1903 gewesen sein. Der Name Corona-Theater wurde laut Stadtbuch erstmals 1910 eingeführt, nachdem die aus Karlsruhe stammende Familie Allmang, die auch das Hotel betrieb, die Spielstätte übernommen hatte. Dass Lina Allmang als "Madame Cinema" die Seele für den Aufschwung des Corona gewesen sei, wird von den Stadtbuch-Autoren als Legendenbildung betrachtet.Jedenfalls erlebte das Corona mit von Orchestern begleiteten Stummfilmdramen und in der anbrechenden Tonfilmzeit glorreiche Zeiten. Stars wie Hans Albers, Magda Schneider und Heinz Rühmann sollen zu Premieren vor Ort gewesen sein. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurden die umliegenden Gebäude zerstört, nicht aber der Theaterraum. 1949 konnte das Corona wieder eröffnen. "Von allen meinen Kinos lag mir keines so am Herzen wie das Corona."Irene Holbach

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