Kinder- und Jugendhilfe wird weiter entwickelt Das Jugendamt als strategisches Zentrum

Neunkirchen · Steigende Kosten machen ein Überdenken der Strategien notwendig. Mainzer Institut stellt Empfehlungen für den Landkreis vor.

 Vom Kleinkind bis zur Ausbildung: Das Jugendamt sollte nach Möglichkeit durchgängige Konzepte erarbeiten, um ein ganzheitliches Netz der Unterstützung   zu geben.

Vom Kleinkind bis zur Ausbildung: Das Jugendamt sollte nach Möglichkeit durchgängige Konzepte erarbeiten, um ein ganzheitliches Netz der Unterstützung   zu geben.

Foto: picture-alliance/ dpa/Gero Breloer

Sie mag eine kleine Enttäuschung gewesen sein für so manchen Zuhörer an diesem Abend im Landratsamt in Neunkirchen. Sie war eben ehrlich, die Aussage: „Es wäre unredlich, zu versprechen, dass die Kosten der Kinder- und Jugendhilfe im Landkreis Neunkirchen zurückgehen werden.“ Getroffen hat sie der Leiter des Instituts für Sozialpädagogische Forschung Mainz (ism), Heinz Müller, vor einem Publikum, das sich aus Kommunalpolitikern des Kreises sowie Akteuren der Kinder- und Jugendarbeit zusammensetzte. Die, die gekommen waren – etwa 30 Personen – erlebten einen engagierten und anschaulichen Vortrag, der die Ergebnisse des Abschlussberichts über den Istzustand und die angestrebte Weiterentwicklung der Hilfen zur Erziehung im Landkreis Neunkirchen zusammenfasste. Landrat Sören Meng, der die Erläuterungen und die anschließende Diskussion mit Sozialdezernentin Birgit Mohns-Welsch und dem Leiter des Jugendamts, Joachim Brill, begleitete, „hätte sich gewünscht, dass das Thema mehr Interesse geweckt hätte.“ Lasten doch die stetig steigenden Kosten für Kinder- und Jugendhilfe und die damit verbundene Erhöhung der Kreisumlage wie ein Stein auf den sieben Städten und Gemeinden des Kreises Neunkirchen. Innerhalb von 14 Jahren, von 2001 bis 2015, haben sich die Ausgaben der öffentlichen Jugendhilfe von 19,2 Millionen Euro auf über 40 Millionen Euro gar verdoppelt.

Vor drei Jahren wurde deshalb damit begonnen, den Bereich der Hilfen zur Erziehung zu hinterfragen und neue Wege aufzuzeigen. Grundlage dafür ist eine Untersuchung von 1400 Fällen aus dem Jahr 2014 und die Erkenntnis, so Heinz Müller, dass „alle Familien im Landkreis Angebote der Kinder- und Jugendhilfe wahrnehmen“.Vor allem die Ausgaben für die Betreuung in Kitas und Kindergärten sind stark angestiegen. Müller stellt deshalb etwas flapsig klar: „Nicht die bösen Buben sprengen die Ausgaben.“ Es gelte vielmehr die Formel: Es kommen wieder mehr Kinder auf die Welt, also wird auch mehr Hilfe benötigt, in welcher Form auch immer. Müller forderte die Weiterentwicklung des „Sozialraumkonzepts“ mit freien Trägern, das vor 20 Jahren im „Neunkircher Modell“ der Kinder- und Jugendhilfe seinen Ursprung fand. In der Konsequenz brauche der Landkreis Neunkirchen ein „starkes Jugendamt“, sprich mehr Mitarbeiter. Die Fachkräfte im Saarland müssten mehr Fälle bearbeiten als in anderen Bundesländern. Einer der Gründe dafür: Das Saarland weist im Vergleich aller Bundesländer den höchsten Anteil an von Scheidungen betroffenen Kindern auf. Die Baustelle Alleinerziehende und deren Unterstützung müsse man deshalb als erstes angehen, betont Müller.

Die Empfehlung des Mainzer Institut lautet: Das Jugendamt Zug um Zug mit zehn neuen Stellen auszustatten. Ziel sei es, dass das Jugendamt sich zu einem strategischen Zentrum für die Gestaltung des Aufwachsens junger Menschen im Landkreis entwickele. Sprich: Es soll durchgängige Konzepte erarbeiten vom Kleinkind bis zur Ausbildung. Das Mainzer Institut hat hierfür einen Fünfjahresplan aufgestellt, der nicht nur die Aufstockung des Personals, sondern auch die Verbesserung der fallbezogenen Steuerung und eine engere Begleitung der Familien vorsieht. Engere Begleitung bedeutet: Die Mitarbeiter arbeiten quartiersbezogen. Zum Beispiel sollen Schoolworker als Türöffner für Vereine, die Jugendarbeit betreiben, in den Grundschulen dienen und Erzieherinnen in den Betreuungseinrichtungen für Fragen der Eltern geschult werden.Denn es gebe bereits eine große Anzahl von Hilfen für Familien, aber die müsse besser organisiert zu den Menschen gebracht werden.

Die Empfehlungen des Instituts haben nach Angaben  von Landrat Sören Meng  bereits erste Umsetzungen in diesem und im kommenden Haushaltsjahr zur Folge. Denn, wie Heinz Müller sagte: „Es geht hier nicht um ein Einsparmodell, sondern, wie gehen wir mit den öffentlichen Geldern besser um?“ Tue man nichts, so werde die Jugendhilfe in der Zukunft weiter sehr stark ansteigen.

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