Schlaglicht der Vergangenheit Das Ende einer historischen Sieglos-Serie

Neunkirchen/Berlin · 31 Spiele in Folge blieb die Mannschaft von Tasmania Berlin in der Saison 1965/66 der Fußball-Bundesliga ohne Sieg. Diese Serie endete ausgerechnet gegen Borussia Neunkirchen. Die Neunkircher Erinnerungen an Tasmania sind trotzdem nicht negativ. Denn der Weg der Borussen ins Fußball-Oberhaus führte ebenfalls über Berlin.

  Ihn trugen die Borussen auf Händen: Elmar May erzielte im Juni 1964 im Glutofen des Saarbrücker Ludwigsparks den goldenen Treffer beim 1:0-Sieg gegen Tasmania Berlin. Neunkirchen stieg in die Bundesliga auf. Doch zwei Jahre später besiegelte eine Niederlage gegen den gleichen Gegner den Abstieg.  Foto: Frisch/Mythos Ellenfeld

Ihn trugen die Borussen auf Händen: Elmar May erzielte im Juni 1964 im Glutofen des Saarbrücker Ludwigsparks den goldenen Treffer beim 1:0-Sieg gegen Tasmania Berlin. Neunkirchen stieg in die Bundesliga auf. Doch zwei Jahre später besiegelte eine Niederlage gegen den gleichen Gegner den Abstieg. Foto: Frisch/Mythos Ellenfeld

Foto: Chronik Mythos Ellenfeld

Zuletzt waren sie wieder in aller Munde: die Fußballer von Tasmania Berlin. Mit zehn Punkten abgeschlagen Letzter der „ewigen“ Bundesliga-Tabelle, nur 15 Tore in 34 Spielen, mit 31 sieglosen Partien hintereinander der (negative) Rekordhalter des deutschen Profifußballs.

Doch diese scheinbar für die Ewigkeit gedachte Horror-Serie geriet zuletzt in Gefahr. Nur weil der FC Schalke 04 nach 30 sieglosen Spielen in Serie dann doch jüngst die TSG Hoffenheim bezwang, sind die Berliner weiter alleiniger Rekordhalter.

Die Geschichte der Tasmania, die 1965 nur in die Bundesliga aufstieg, weil Hertha BSC Berlin wegen Finanzverstößen von der Teilnahme ausgeschlossen wurde – aus politischen Gründen aber weiter ein Berliner Verein in der Bundesliga antreten sollte – ist in Fußballdeutschland mittlerweile wieder bestens bekannt.

Dass es ausgerechnet die Borussen aus Neunkirchen waren, die für das Ende der historischen Sieglos-Serie sorgten, wissen aber die wenigsten. Mit 2:1 gegen Neunkirchen feierten die Berliner am vorletzten Spieltag der Saison 1965/66 ihren zweiten Saisonsieg. Den ersten hatten sie gleich zum Auftakt beim 2:0 gegen den Karlsruher SC gelandet – und das vor 81 000 Zuschauern. Größer konnte der Kontrast zur Partie gegen die Borussen kaum sein, als sich nur noch 2000 Fans auf den gähnend leeren Rängen des Olympia-Stadions verloren.

Diese sahen zu Beginn eine engagierte Neunkircher Mannschaft, die die Partie unbedingt gewinnen musste, um noch eine Chance auf den Klassenverbleib zu haben. In der Anfangsviertelstunde vergaben die Borussen Werner Görts und Günter Kuntz gute Torchancen zur Führung. Dann kamen die Tasmanen in einem von Fehlpässen und Ungenauigkeiten geprägten Spiel ein wenig stärker auf – und trafen prompt zum 1:0: Lothar Zeh überwand Borussia-Torhüter Horst Kirsch. Doch nachdem Neunkirchens Stürmer Kuntz noch vor der Pause per Strafstoß zum Ausgleich getroffen hatte, keimte bei den Hüttenstädtern wieder Hoffnung auf.

Auch nach dem Seitenwechsel blieb die Partie schwach, hatte „in keiner Phase Bundesliga-Niveau“, wie es in einer Zeitung hieß. Achim Melcher hätte der Held auf Seiten der Borussia werden können. In der 83. Minute verfehlte er das Tor der Berliner knapp. Und so kam es, wie es kommen musste: Wolfgang Neumann traf für die Tasmania aus dem Gewühl heraus zum 2:1-Endstand. Somit stand fest: Die Borussen mussten die Berliner als Vorletzter in die Regionalliga begleiten, der 1:0-Sieg am letzten Spieltag gegen den Karlsruher SC kam für die Saarländer zu spät.

Die Tasmanen waren zur Teilnahme an der Bundesliga gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Die Entscheidung fiel so kurzfristig, dass Teile des Kaders kurz vor dem Saisonstart Mithilfe der AD­AC-Reiserufe aus dem Urlaub zurückbeordert werden mussten. Viele Spieler mussten aufgrund der Umstellung zum Vollprofi ihre Arbeitsstelle ganz oder teilweise aufgeben. Insofern war der Sieg gegen Neunkirchen für die Berliner ein versöhnlicher Saisonabschluss. Der damalige Berliner Kapitän Hans-Günter Becker, heute 82, erinnert sich: „Da haben wir voller Ironie gesagt: Der Knoten ist geplatzt, jetzt rollen wir das Feld von hinten auf.“

Zumindest das Hinspiel hatte Neunkirchen im Dezember 1965 im Ellenfeld noch mit 3:1 gewonnen. Elmar May brachte Neunkirchen per Elfmeter in Führung. Angeführt von Nationalspieler Horst Szymaniak, den die Berliner kurzfristig verpflichtet hatten, gelang den Gästen der Ausgleich. Doch Neunkirchens Linksaußen Werner Görts führte die Hausherren auf die Siegerstraße. Zuerst bereitete er das Kopfballtor von Jürgen Wingert mit einer mustergültigen Flanke vor. Und auch beim dritten Treffer von Heinz Simmet leistete er die Vorarbeit.

Überhaupt hatten die Borussen und die Tasmanen trotz deren Zugehörigkeit zur Regionalliga Berlin in den 60er und 70er öfters die Klingen gekreuzt. Dreimal hatten dabei die Neunkircher die Nase vorn, vier Mal die Berliner.

Der höchste Sieg der Borussen datiert aus dem Jahr 1972: 10:0 hieß es für Neunkirchen. Allein Jürgen Papies schoss fünf Tore, drei weitere steuerte Horst Brand bei, Jürgen Pontes und ein Eigentor machten das zweistellige Ergebnis perfekt.

Eine bittere Niederlage kassierten die Hüttenstädter allerdings 1962 im Rahmen der Endrunde um die deutsche Meisterschaft, als die Tasmanen mit 1:0 gewannen. Und 1964 kamen die Neunkircher am ersten Spieltag der Aufstiegsrunde gar mit 1:5 unter die Räder. Die Bundesliga-Träume der Borussia schienen rasch ausgeträumt. Doch es kam anders: Als sich beide Mannschaften Ende Juni im Glutofen des Saarbrücker Ludwigsparks zum Finale wiedertrafen, hieß der Aufsteiger nach hochspannenden 90 Minuten und dem „goldenen Tor“ von Elmar May Borussia Neunkirchen. 42 000 Fans feierten ihr Team, den Sieg – und den Bundesliga-Aufstieg. Ein unvergessliches Erlebnis, das die Erinnerungen an Tasmania Berlin für immer auch in einem positiven Licht erstrahlen lassen. Auch wenn die Berliner zwei Jahre später ihre historische Sieglos-Serie ausgerechnet gegen Neunkirchen beendeten.

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