Naturerlebnis in Neunkirchen Orchis und Schmetterlinge direkt vor der Stadt

Neunkirchen · Ein Spaziergang mit den Experten von Lik-Nord durch das Alte Hüttenareal. Dort gibt es bedrohte Pflanzen und Insekten.

 Auf der Wanderung fällt der Argus-Bläuling ins Auge.

Auf der Wanderung fällt der Argus-Bläuling ins Auge.

Foto: Rainer Ulrich

Wer mit Ulrich Heintz und Rainer Ulrich in die Natur geht, darf vor Zecken keine Angst haben. Der Geschäftsführer von Lik-Nord und der Schmetterlings-Experte verlassen den breiten Weg an diesem schwülen Juni-Tag im Neunkircher Alten Hüttenareal rasch und stapfen hinein ins hüfthohe Gras. Ulrike Holzer-Hilpert von der Neunkircher Stadtverwaltung (beim Bauamt zuständig für Umwelt und Naturschutz) und der Mann von der Zeitung laufen hinterher. Und wer sich ein paar Meter weiter alle Pflanzen- und Insektennamen merken möchte, die die beiden Experten aufzählen, der sollte auch noch ein sehr gutes Gedächtnis sein Eigen nennen. Es geht vorbei an der zart wirkenden Moschus-Malve, am sattgelben zottigen Klappertopf, an weißen Margeriten und hübschen blauen Wiesenglockenblumen. Dort, wo die Wiese niedrig ist, wird es richtig bunt. Nährstoffarme, warme Böden brauchen die Pflanzen, und auf dem ehemaligen Hüttengelände, wo die Industrie vor Jahrzehnten alles mögliche abgeladen hatte, finden sie dies. Keine Naturlandschaft also im eigentlichen Sinne, aber ein Gebiet, das einer bestimmten Flora und Fauna einen Lebensraum schafft, der zunehmend verloren geht. Denn der Mensch mit seinen Emissionen sorgt dafür, dass die Böden immer Nährstoff-gesättigter werden. „Stickstoffaufdünnung“ nennt Heintz dies. Gut zu erkennen an Brennnesselfeldern oder Brombeer-Landschaften, die damit kein Problem haben. Das Lik-Nord-Projekt (das Kürzel heißt ausgeschrieben Landschaft der Industriekultur Nord) sorgt dafür, dass die Bedingungen in dem Projektgebiet den Überwucherern das Leben schwer machen und gefährdeten Arten Lebensraum erhalten bleibt.

Die Suche nach Schmetterlingen ist beim Rundgang durch den Park schon schwieriger. Das Insektensterben macht auch vor geschützten Arealen nicht halt. Dennoch weist Ulrichs Finger auf wunderschöne kleine Flattermänner. Dickkopffalter, Brombeerfarbener Perlmuttfalter, Taubenschwänzchen. Einen „Leuchtturm“ nennt Rainer Ulrich den Argus-Bläuling. Seine Flügel haben nämlich rundum einen hübschen schwarz-weißen Rand. Beeindruckend!

Und das alles direkt vor den Toren der Stadt, ein paar Meter vom Gasometer entfernt zwischen Bildstockerstraße, Grubenstraße und Königsbahnstraße. Also in unmittelbarer Nähe zum künftigen Globus-Markt, der gebaut wird, wenn der Stadtbild-prägende Turm aus dem Stadtbild verschwunden sein wird. Den Hüttenpark, im hinteren Teil augenscheinlich wildes Gelände, bezeichnet Schmetterlingsexperte Ulrich als „vergessenes, zum Glück vergessenes Areal“. Womit er meint, dass nach der industriellen Phase keine Renaturierung im herkömmlichen Sinne stattfand. Es ist genau dieser karge Boden, erklären die Experten, die den besonderen Pflanzen und Insekten dort einen Lebensraum bieten. Natürlich greift Lik-Nord ein. Er schiebt zum Beispiel nährstoffreicheren Boden, der sich nach und nach bildet, auf kleineren Flächen zur Seite, um so die gewünschten Bedingungen wiederherzustellen.

Und das soll natürlich sein? Mit dem massiven Eingreifen des Menschen gibt es die unberührte Natur im eigentlichen Sinne nicht mehr, sagt Heintz. Will der Mensch auch nur ein Stück der Artenvielfalt erhalten, muss er eingreifen. Und natürlich seine Emissionen senken. Die kleine Gruppe stapft durch das fast unberührte Gelände in Richtung Heinitz. Die Arbeiten auf dem Hof eines Getränkehändlers werden lauter. Und dort hinten (wo allerdings auch schon eine Atemschutzmaske am Boden zeigt, dass auch in der jüngsten Vergangenheit dort Menschen gewesen sind) verspricht Schmetterlingsexperte Ulrich den Höhepunkt der kleinen Exkursion. Auf einer Magerwiese reckt dieses Highlight den zarten Kopf zwischen den Gräsern. „Ein Pyramidenspitz-Orchis“, sagt Ulrich, auch Hundswurz genannt. eine „absolute Rarität, die es im Kreis Neunkirchen sonst wohl nirgends gebe. Zu finden seien sie in der Nähe nur im Bliesgau.

 Eine Blumenwiese vor den Toren der Stadt im Alten Hüttenareal mit dem Gasometer im Hintergrund, der schon bald Geschichte ist. Die zarte Blume im Vordergrund ist die Moschus-Malve.

Eine Blumenwiese vor den Toren der Stadt im Alten Hüttenareal mit dem Gasometer im Hintergrund, der schon bald Geschichte ist. Die zarte Blume im Vordergrund ist die Moschus-Malve.

Foto: Michael Beer
 Der Brombeer-Perlmuttfalter ist auch auf dem Areal zu finden.

Der Brombeer-Perlmuttfalter ist auch auf dem Areal zu finden.

Foto: Rainer Ulrich
 Eine Rarität: Pyramiden-Spitzorchis.

Eine Rarität: Pyramiden-Spitzorchis.

Foto: Rainer Ulrich
 Schmetterlings-Experte Rainer Ulrich aus Wiesbach weiß genau, welche Pflanzen und Insekten im Alten Hüttenareal zu finden sind.

Schmetterlings-Experte Rainer Ulrich aus Wiesbach weiß genau, welche Pflanzen und Insekten im Alten Hüttenareal zu finden sind.

Foto: Michael Beer

Ob zarte Orchidee, filigraner Schmetterling, Tümpel für Gelbbauchunken - es gibt vieles zu entdecken im Alten Hüttenareal, zehn Minuten entfernt von der Neunkircher Innenstadt. Wobei Besucher in dem Gelände durchaus erwünscht sind, wie die Lik-Nord-Vertreter betonen. Denn nur was der Mensch kennt, das vermag er zu schätzen und auch zu schützen.

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