Neujahrsempfang für Ehrenamtler Der Neujahrsempfang steht wieder im Zeichen des Ehrenamtes

Saarbrücken · Vor sechs Jahren führte die damalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) den aus Kostengründen eingesparten Neujahrsempfang wieder ein – und „schenkte“ ihn den Ehrenamtlern.

Im Fokus des Neujahrsempfangs des Ministerpräsidenten stehen heute Ehrenamtliche, die Kranke, Alte und Behinderte pflegen.

Im Fokus des Neujahrsempfangs des Ministerpräsidenten stehen heute Ehrenamtliche, die Kranke, Alte und Behinderte pflegen.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Seitdem lautet das Motto „Das Saarland sagt danke“. Der neue Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) übernimmt diese Tradition für seinen ersten Empfang, der heute in der Saarlandhalle stattfindet. 1800 Gäste werden erwartet, weitgehend die übliche „Prominenz“ aus Politik, Wirtschaft und Kultur. Doch geladen sind auch 180 Ehrenamtler – da mag man über die Quote vielleicht noch einmal nachdenken. Für die Auswahl war das Sozialministerium zuständig.

Die 180 Bürger repräsentieren die rund 80 000 von 400 000 freiwilligen Helfern, die sich im Saarland sozial engagieren. Wobei heute Abend der Fokus auf denjenigen liegt, die Kranke, Alte und Behinderte pflegen oder die Kindern helfen. Es sind Menschen wie Manfred Schmitt aus Merchweiler, dessen Verein IBSA sich seit über 30 Jahren um die heimische Betreuung Schwerstkranker und Sterbender kümmert, Beratung leistet, auch mal Nachtwachen übernimmt. Schmitt hat sich aufrichtig über die Einladung gefreut, erwartet keine bahnbrechenden neuen Botschaften fürs Ehrenamt. Er möchte den Abend zur Kontaktpflege nutzen, denn IBSA sei einfach noch zu wenig bekannt, wie er meint. Obwohl man im Zuge der Aidswelle Ende der 80er Jahre zu den Pionieren der Hospizbewegung zählte.

Schmitt meint, dass sich immer noch zu wenige Menschen zutrauten, Sterben zuhause zuzulassen. Dies, obwohl das Saarland unter anderem mit ambulanten Hospizdiensten auf diesem Sektor „exzellent aufgestellt“ sei – ein echter Fortschritt. Seine Initiative suche sich deshalb jetzt ein neues Tätigkeitsfeld und ein neues Projekt: „Die demenzsensible Gemeinde“. Den Betreuungsbedarf, der da auf die Gesellschaft zukomme, könnten professionelle Pflegedienste niemals abdecken.

Das sieht Judith Lermen vom Pflegestützpunkt St. Wendel ähnlich: „70 Prozent werden von Angehörigen versorgt. Das sind auch Ehrenamtler. Ohne sie würde das System nicht funktionieren.“ Auch Lermen ist erstmals beim Neujahrsempfang dabei und begrüßt ihn als ein ernst gemeintes Zeichen der Wertschätzung für „all die Arbeit, die in der Pflege geleistet wird“. Sie berichtet, dass Organisation von Unterstützung und Entlastung auf Grund des Arbeitskräftemangels „zunehmend schwieriger“ werde. Den Vorschlag, diese Lücke kurzfristig durch ungelernte Ehrenamtler zu stopfen, sieht sie kritisch. Die gesellschaftliche Anerkennung für die Pflege, sei sie hauptamtlich oder ehrenamtlich, müsse sich ändern. Die Politik allein sei dafür nicht verantwortlich.

Konkretes erwartet hingegen Ilona-Maria Kerber von der Politik, sogar von Ministerpräsident Hans, nämlich eine Botschaft zur Entbürokratisierung des Ehrenamtes in seinem Grußwort. Die 73-Jährige ist die Vorsitzende der Ampulag Saar, der Landesarbeitsgemeinschaft der Selbsthilfegruppen für Menschen mit Arm- und Beinamputation, außerdem Mitglied im Saarbrücker Seniorenbeirat und hat, wie sie sagt, einen unbezahlten 40-Stunden-Job, den sie liebt. Doch er könnte angenehmer sein: „Wir wollen nicht stundenlang an unserem Computer sitzen oder Formulare ausfüllen, sondern zu den Menschen. Wir brauchen für unsere Arbeit hauptamtliche Unterstützung, eine zentrale Stelle mit Festangestellten, die sich mit Buchhaltung oder Projektförderanträgen auskennen.“

Dies deckt sich mit Vorschlägen, die der Vorsitzende des Dachverbandes Pro Ehrenamt seit Jahren Richtung Regierungsspitze trägt. Hans Joachim Müller kämpft nicht nur für mehr hauptamtliche Beratung der Ehrenamtler, sondern auch für eine transparente strukturelle Förderung, einen Titel im Landeshaushalt. Bisher bedienen sich die Vereine und Initiativen aus einer unübersichtlichen Zahl kommunaler und ministerieller Töpfe. Der Gesamtüberblick – wer bekommt was woher? – fehlt. Müller ist jedoch mehr als skeptisch, ob Hans dazu heute etwas sagen wird. „Belobigungen haben wir allerdings genug gehört“, sagt er. Ideen, wie das Ehrenamt in der Pflege und Betreuung weitere Entlastung schaffen könne, gebe es mehr als genug. Doch er sieht angesichts der Strukturen die Grenzen des Wachstums: „Wir dürfen nicht zu viele Baustellen aufmachen. Das Ehrenamt kann nicht überall aktiv sein.“

Der Neujahrsempfang wird im Internet unter live-dabei.saarland.de übertragen.

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