Bildung Neues Sprachenkonzept für Kitas und Schulen

Saarbrücken · Auf rund 200 Seiten machen Wissenschaftler der Saar-Universität Vorschläge, wie sich das Sprachenlernen verbessern lässt – und stoßen damit beim Bildungsminister auf offene Ohren.

 Die Wissenschaftler empfehlen, insbesondere Französisch und Englisch stärker vernetzt zu lehren, also die Bezüge zwischen den beiden Sprachen stärker hervorzuheben.

Die Wissenschaftler empfehlen, insbesondere Französisch und Englisch stärker vernetzt zu lehren, also die Bezüge zwischen den beiden Sprachen stärker hervorzuheben.

Foto: picture-alliance/ dpa/Patrick Seeger

Die Bedingungen, unter denen Kinder und Jugendliche im Saarland heute Sprachen lernen, sind andere als noch vor ein paar Jahren. Die Landesregierung hat die Frankreich-Strategie ausgerufen, mit dem Ziel, Französisch zur Verkehrssprache zu machen. Zudem kamen in den vergangenen Jahren viele Flüchtlinge ins Saarland, die Deutsch in der Regel erst noch lernen müssen. Wie kann das Sprachenlernen an Kitas und Schulen unter diesen Bedingungen also aussehen? Mit dieser Frage haben sich Professorin Claudia Polzin-Haumann, Inhaberin des Lehrstuhls für Romanische Sprachwissenschaft der Universität des Saarlandes, und ihre Mitarbeiter Joachim Mohr und Christina Reissner im Auftrag des Bildungsministeriums befasst. Heraus kam ein neues Sprachenkonzept, das unter anderem Folgendes empfiehlt:

▶ Mehrsprachigkeit: Die Autoren sprechen sich dafür aus, Sprachen, vor allem Englisch und Französisch, stärker vernetzt zu lehren, im Sinne einer Didaktik der Mehrsprachigkeit die Bezüge zwischen den Sprachen stärker in den Fokus zu stellen. Dies sei nicht nur aus didaktischen Gründen sinnvoll, sondern auch „um Ängste zu nehmen, die bei Teilen der Eltern immer noch vorhanden sind“, wie Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) sagt. Häufig gebe es die Befürchtung, dass die Englisch-Kompetenz unter der Frankreich-Strategie leide. In der aktuellen Lehrerausbildung an der Universität sei dieser Mehrsprachigkeits-Ansatz bereits präsent, sagt Polzin-Haumann. In den Lehrplänen werde er aber noch nicht umgesetzt.

▶ Deutsch als Zweitsprache: Um zugewanderten Kindern und Jugendlichen Deutsch beizubringen, müssten aus Sicht der Wissenschaftler viel mehr Lehrer und Erzieher entsprechend aus- und fortgebildet werden. „Sie müssen geschult werden, wie sie mit sprachheterogenen Gruppen umgehen“, sagt Mohr. Nötig sei auch ein flächendeckendes Netz von Sprachlernberatern an den Schulen.

▶ Herkunftssprache: Den neuen freiwilligen herkunftssprachlichen Unterricht in Russisch, Türkisch, Arabisch und Italienisch, zu dem sich mehr als 4100 Schüler angemeldet haben, lobt Mohr als vorbildlich: „Die Herkunftssprache ist ein wichtiger Teil der Identität. Das wurde bisher negiert.“ Eine große Herausforderung sieht er allerdings in der „sehr unterschiedlichen Qualifikation der Lehrkräfte“. Nötig seien deshalb umfangreiche Fort- und Weiterbildungen.

▶ Frankreich-Strategie: Um wirklich zu erreichen, dass das Saarland bis 2043 zweisprachig ist, müssten klare bildungspolitische Ziele definiert und umgesetzt werden, sagt Reissner. Ein großes Problem sieht sie, ebenso wie Minister Commerçon, im „Bruch zwischen Kita und Grundschule“. 220 der 480 Kitas sind bilingual, allerdings wird nur an 47 der 162 Grundschulen Französisch ab Klassenstufe 1 unterrichtet – das entspricht laut Ministerium einem Drittel der Schüler – an allen anderen Schulen erst ab Klassenstufe 3. „Möglichst alle Schüler sollten Französisch ab Klasse 1 lernen, ergänzt durch französischsprachigen Unterricht in Musik und Sport“, sagt Reissner. Ein Ziel, das Commerçon voll und ganz unterstützt: „Wenn wir es wirklich ernst meinen mit der Frankreich-Strategie, darf es am Übergang zur ersten Klasse keinen Bruch für zwei Drittel der Schüler geben.“ Dass es dafür deutlich mehr qualifizierte Lehrkräfte braucht, auch darüber herrscht Einigkeit. Reissner fordert zudem, die didaktischen Grundlagen des Französischlernens in der Grundschule neu zu konzipieren.

Bilingualer Unterricht: Die Wissenschaftler sprechen sich dafür aus, den französisch- und englischsprachigen bilingualen Unterricht in Sachfächern an den weiterführenden Schulen stark auszubauen. Ein Vorbild sei dabei Luxemburg. Mohr sieht darin „ein Schlüsselelement der Frankreich-Strategie“.

▶ Schüleraustausch: Da sich Sprache am besten im direkten Kontakt mit Muttersprachlern lernen lässt, empfehlen die Autoren, den Schüleraustausch stark auszuweiten. Trotz der Nähe zu Frankreich überschreite nur ein kleiner Teil der Schüler die Grenze, sagt Mohr.  „Das ist ein wirkliches Handicap für den Unterricht.“

Bildungsminister Commerçon sieht in dem neuen Sprachenkonzept „100 Prozent Übereinstimmung“ mit den Positionen seines Hauses. „Ich kann der Landesregierung nur empfehlen, den Vorschlägen weitestgehend zu folgen.“

Wie viel von dem Konzept am Ende umgesetzt wird, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Denn wie so oft ist es vor allem eine Frage des Geldes. Deshalb lautet Commerçons Forderung: „Jetzt müssen da Preisschilder dran.“ Man müsse klar benennen, welche Maßnahme wie viel kostet und wann das Geld dafür bereitstehe. „Wer mehr will, muss mehr bezahlen“, sagte Commerçon an die Adresse seiner Kabinettskollegen.

Das neue Sprachenkonzept soll in Kürze auf dem saarländischen Bildungsserver verfügbar sein.

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