Raubtiere im Saarland "Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Goldschakal gesichtet wird"
Interview | Osnabrück/Saarbrücken · Während die Rückkehr des Wolfes ein prominentes emotionales und polarisierendes Thema in der Öffentlichkeit ist, findet das zunehmende Auftauchen des neuen Raubtieres in Deutschland und im Saarland bislang wenig Beachtung. Ein Interview mit dem Wildtierexperten Jörg Tillmann von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.

Neues Raubtier breitet sich in Deutschland aus
Er sieht aus wie ein Wolf im Kleinformat und lebt am liebsten mit einem Partner oder auch im Rudel in Savannen, Halbwüsten, felsigen Gegenden oder auch in dichten Wäldern: Der Goldschakal (Canis aureus) breitet sich immer mehr in Deutschland aus. Er ist eine eng mit dem Wolf verwandte Art der Hunde und mit sieben bis 15 Kilogramm Körpergewicht und einer Schulterhöhe von 44 bis 50 Zentimeter etwas größer als der Rotfuchs (Vulpes vulpes) und deutlich kleiner als der Wolf (Canis lupus). Im Interview mit der Saarbrücker Zeitung erklärt der Wildtierexperte Jörg Tillmann von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, warum dieses neue Raubtier in Deutschland bislang so wenig Beachtung findet, ob der Goldschakal gefährlich ist und ob das Raubtier bald auch im Saarland auftauchen wird.
Herr Tillmann, warum findet die Ausbreitung des Goldschakals in Deutschland zum Beispiel im Vergleich mit dem Wolf bislang so wenig Beachtung?
JÖRG TILLMANN Das Auftreten des Goldschakals hat erst in den letzten Jahren deutlich Fahrt aufgenommen. Dabei ist der Goldschakal aufgrund seiner geringeren Größe und heimlichen Lebensweise unscheinbarer. Nicht zuletzt auch weil wahrscheinlich beobachtete Goldschakale häufig für Füchse gehalten werden, läuft seine Etablierung eher unter dem Radar ab. Die Tatsache, dass Goldschakale auch seltener für Risse von Vieh verantwortlich sind und dann im Regelfall nur Einzeltiere der kleineren Wiederkäuer (Schaf/Ziege) reißen und Verkehrsunfälle mit ihm auch einen geringeren „Impact“ haben, nehmen ihm aus Sicht der Öffentlichkeit die Spektakularität. Letztlich ergibt sich die Beachtung des Wolfes seit Menschengedenken aus seinem ernst zu nehmenden Konfliktpotential im Kontext der Weidetierhaltung und der Jagd.
Wie viele Goldschakale leben in Deutschland und in Europa?
Jörg TILLMANN Für Europa wird die Gesamtpopulation des Goldschakals bei insgesamt steigender Tendenz grob auf zwischen 70.000 und 117.000 Individuen geschätzt. Genauere Zahlen lassen sich kaum mit vertretbarem Aufwand ermitteln.
Ist damit zu rechnen, dass sich der Goldschakal weiter in Deutschland ausbreitet?
JÖRG TILLMANN Eine Etablierung des Goldschakals in Deutschland ist bei der aktuellen Entwicklung sehr wahrscheinlich. Die ersten Reproduktionsnachweise wurden bereits erbracht. Wo und mit welcher Geschwindigkeit er sich ausbreitet und sich möglicherweise etabliert, ist derzeit nicht abzusehen. Auch die bisherige Datenlage lässt keine eindeutigen Rückschlüsse auf ein Ausbreitungsschema zu.
In welchen Bundesländern ist der Goldschakal bislang nachgewiesen worden?
JÖRG TILLMANN Sichtungen - wenn auch nicht als C1 Nachweis – bestätigt gibt es mittlerweile aus allen Flächenländern außer dem Saarland.
Wie schätzen Sie die Wahrscheinlichkeit ein, dass der Goldschakal bald auch im Saarland gesichtet wird?
JÖRG TILLMANN Das ist nur eine Frage der Zeit, bis im Saarland der erste Goldschakal gesichtet wird. Wahrscheinlich müsste man nur einmal genauer hinschauen.
Ist der Goldschakal gefährlich für den Menschen, Weidetiere oder für Haustiere wie Katzen und Hunde?
JÖRG TILLMANN Der Goldschakal ist nicht gefährlich für den Menschen. Die Hauptnahrung sind kleinere Beutetiere wie Nagetiere, Hasenartige, Vögel, Reptilien, Amphibien oder Arthropoden, ausnahmsweise auch größere Tiere wie Rehe, Schafe oder Ziegen. Ein nicht unerheblicher Teil der Nahrung sind auch Aas, Obst und Beeren. Übergriffe auf Katzen und Hunde sind nicht dokumentiert.
Ist der Goldschakal selber eine gefährdete Art?
JÖRG TILLMANN Die Weltnaturschutzunion IUCN hat aufgrund der Populationsgröße und der positiven Entwicklung die Weltpopulation des Goldschakals in ihrer Roten Liste als „ungefährdet“ eingestuft. In Zeiten direkter Verfolgung in seinem damaligen Verbreitungsgebieten, war er aber in der Vergangenheit teilweise großräumig sehr selten oder ausgestorben.
Wie schätzen Sie die Perspektive für eine Etablierung des Goldschakals in Deutschland ein und was für Maßnahmen sollten Ihrer Meinung nach dafür getroffen werden?
JÖRG TILLMANN Der Goldschakal ist als Art von gemeinschaftlichem Interesse in Anhang V der FFH-Richtlinie der EU gelistet. Danach ist in Deutschland ein günstiger Erhaltungszustand zu gewährleisten. Zur Bewertung seiner ökologischen Wirkung ist eine sorgfältige Dokumentation der Ansiedlungstendenz des Goldschakals in Deutschland erforderlich. Nur auf dieser Basis lässt sich der erforderliche günstige Erhaltungszustand definieren. Ein Monitoring angelehnt an das detaillierte Wolfsmonitoring in Deutschland bietet sich an. Wichtig sind wildbiologische Studien zu dessen Raumverhalten, Nahrung oder Sozialverhalten hierzulande – Ergebnisse älterer Studien zum Beispiel aus den Balkanländern sind hier nicht unbedingt 1:1 übertragbar. In Deutschland muss noch die Wissensbasis über diese neue Art aufgebaut werden.