Neues Haustier stolziert auf dem heimischen Balkon

Ich bin wieder zurück in Deutschland und gut hier angekommen. Doch wie die letzten Tage in Kenia und meine Heimkehr ins Saarland verliefen, das hebe ich mir gerne für den letzten Teil der Post aus Kenia auf.

 Erste Erfahrungen beim Melken.

Erste Erfahrungen beim Melken.

Von einer Exkursion nach Mageta Island blieben mir, wie bereits berichtet, ein lebendes Huhn und zwei frisch gefischte Tilapia-Fische als ziemlich komplizierte Geschenke zurück. Denn ich wurde weder mit der Haltung eines Huhns noch mit der Zubereitung von ganzen Fischen mit Schuppen jemals zuvor konfrontiert. Das Problem mit den Fischen löste ich ganz einfach so, dass ich in der Nähe meiner Wohnung einer Frau, die Fisch an der Straße fritiert und verkauft, meine Fische gab und sie dafür bezahlte, sie mir zuzubereiten. Eine Stunde später konnte ich alles abholen und teilte das leckere Fischmahl mit guten Freunden.

Eigentlich war das geschenkte Huhn natürlich auch zu einem zeitigen Verzehr gedacht. Aber für mich kam das nicht infrage, ich wollte weder das Tier selber töten noch töten lassen. Durch die Vorstellung, vielleicht in Zukunft Eier von dem Huhn zu bekommen, kam ich zu der Entscheidung, mein neues Haustier nicht wegzugeben, sondern auf meinem Balkon zu halten. Der war nicht besonders groß, objektiv betrachtet konnte dies nicht wirklich einer artgerechten Tierhaltung entsprechen. Aber ich dachte mir, wenn ich mich gut um das Tier kümmere, kann es auch auf einem Quadratmeter glücklich werden.

Ich musste einiges organisieren, damit der Balkon hühnertauglich wurde. Zusammen mit meinem Nachbarn Lessaigor Ronald Reagon (er ist Massai und weiß auch viel über Hühner) gingen wir deshalb auf Einkaufstour und kauften Hühnerzaungitter, Futter, Sägespähne als Bodenuntergrund und gaben einen Hühnerkäfig mit entsprechenden Maßen bei einem Schreiner an der Straße in Auftrag. Stück für Stück nahm so langsam mein Hühnerdomizil auf dem Balkon Gestalt an und wurde das Zuhause meines Huhns Carla, dass ich so in Anlehnung an meinen ehemaligen Mitbewohner Carl getauft hatte. Doch weil Carla noch recht jung war, hieß es warten, bis es die ersten Eier gibt.

Ich hatte immer viel von Solarlampenvermietungen berichtet, die ich koordinierte. Doch persönlich bin ich am allermeisten stolz darauf, während meines weltwärts-Freiwilligenjahres in Kenia ein komplett eigenständiges Solarlampen-Verkaufsprojekt gestartet zu haben. Da von den Kontakten, der Idee über die Umsetzung bei Ecofinder Kenya meine Impulse dieses Projekt erst überhaupt ins Rollen brachten. Das größte Manko bei den vermieteten Lampen ist, dass die Nutzer durch die täglichen Mietkosten nach etwa einem Jahr eine Solarlampe zweimal bezahlt haben könnten und der vermietete Lampentyp auch nicht das technisch bestmögliche Licht liefert. Eine gute Alternative für ein Verkaufsprojekt fand ich in den Lampen von "Villageboom", die ich bei meiner ersten Tansaniareise kennengelernt hatte und die durch leichte Reparierfähigkeit sowie einem sehr hellen Licht von bis zu 100 Lumen glänzen.

Nachdem ich mehrere Wochen mit dem Gründer Thomas Ricke von Villageboom in E-Mail-Kontakt stand und ihn sogar einmal in Tansania persönlich treffen konnte, bekam ich von ihm das Angebot, dass Ecofinder Kenya von Villageboom 28 Solarlampen zunächst ohne Bezahlung, also als Kredit, bekommt. So war die Vereinbarung, dass wir diese Lampen erst dann zahlen, wenn alle Lampen verkauft wurden und wir das Geld zur Bezahlung auch selber haben. Dies ist eine sehr effiziente und direkte Art ohne Mittler von Mikrokredit-Finanzierung, bei der keine Zinsen anfallen. Nach zwei bis drei Wochen des Wartens war ich über glücklich, als das Paket von Villageboom in Kisumu ankam. Die Verkaufs- und Garantiekarten hatte ich schon vorbereitet, sodass das Projekt gleich richtig beginnen konnte.

Nach kurzer Zeit waren bereits alle Lampen vergriffen. Jedoch dauerte es noch mehrere Wochen, bis wir den Kredit Villageboom zurückzahlen konnten, weil die Lampen nur über dreimonatige Ratenzahlungen für die meisten Leute erschwinglich waren. Da dieses Modell sich als sehr erfolgreich herausstellte, wiederholten wir das Prozedere ein, wodurch der Start des Projektes mit gut 50 vermittelten Solarlampen sehr gut gelang. So wurde es schließlich möglich, mit einer Lieferung aus Uganda den Lampenkredit mit 100 Lampen auszureizen und einen größeren Projektumfang zu erreichen. In diesem Zusammenhang hatte Ecofinder Kenya einen besonders guten Verkaufspartner in ländlichen Gebieten in der Nähe der Stadt Oyugis (etwa 50 Kilometer von Kisumu entfernt), der gut zwei Drittel unser Lampen umsetzte. Sein Name ist Geophrey Opalla Lok, ein sehr engagierter Student, der in seiner Heimat der Mitbegründer einer "Youth Group" ist, die sich auch für nachhaltige Landwirtschaft einsetzt.

Als ich Geophrey im Zuge des Villageboomprojektes besuchte, stellte ich fest, wie interessant es für mich wäre, ein Praktikum in seiner Organisation zu machen, dabei mit ihm und seinen Brüdern zeitweise auf dem Land zu leben und Kenia dadurch ganz neu erleben zu können - anders als ich es in der Großstadt mit Strom und fließendem Wasser in Kisumu gewöhnt war. Ich wagte den Schritt und machte ein einwöchiges Praktikum bei der sich gerade gründenden Organisation "Krusip", was für "Kokech Rural Self Reliance Initiative Project" steht. Das Ziel von diesem Zusammenschluss ist durch aktives Werben für nachhaltige Landwirtschaft, kleinen Bauern auf dem Land zu mehr Eigenständigkeit und Unabhängigkeit zu verhelfen.

Ich lebte während meiner Praktikumswoche bei Geophrey und seinen vier Brüdern, die seit zehn Jahren Vollwaisen sind und auf beeindruckende Art und Weise immer zusammengehalten haben, sodass sie weiter auf dem Grundstück ihrer Eltern wohnen konnten. Sie sorgen selbst für Schulgeld und Lebensunterhalt durch eigene landwirtschaftliche Aktivitäten und andere kleine Tätigkeiten. Noch bemerkenswerter ist dieser Umstand, wenn man bedenkt, dass der zweitjüngste Bruder geistig und körperlich schwer behindert ist. Aus diesen Gründen wurde den Brüdern vor einigen Jahren von der Dorfgemeinschaft ein vergleichsweise gutes Haus gebaut, weil die alte Lehmhütte in sehr schlechtem Zustand war.

Es überraschte mich nicht, an meinem ersten Praktikumstag gleich früh morgens raus zu gehen, um zu helfen, ein Demonstrationsfeld bestimmter Anbautechniken von Krusip für die Aussaat vorzubereiten. Frühstück gab es erst vormittags nach getaner Arbeit, an einem schönen schattigen Plätzchen, zusammen mit Geophrey und seinem Freund Raymond, dem Vorsitzenden von Krusip. Wir aßen Süßkartoffeln und tranken dazu einen dicken Maisbrei, "Uji". Die nächsten Tage waren weiter von landwirtschaflicher Arbeit geprägt: Ich arbeitete unter anderem auch auf einem Erdnussfeld, wo wucherndes Unkraut gejätet werden musste. Zudem fand ich es unheimlich spannend, zum ersten Mal in meinem Leben eine Kuh zu melken und warme Milch aus einem Euter zu ziehen. Das war gar nicht so leicht, aber nach kurzer Zeit hat man ein wenig den Dreh raus, und es geht schneller. Milch wird in Kenia übrigens besonders gerne mit schwarzem Tee gemischt, ausgekocht und sehr süß getrunken.

Während meiner Praktikumswoche standen auch feierliche Dinge an, denn ich durfte in Oyugis dabei sein, als Krusip sein Zertifikat erhielt, mit dem es vom Staat als Organisation offiziell anerkannt wurde. Ich erfuhr später, dass ich auch ein eingetragenes Mitglied geworden bin, was mich sehr berührte. So kam es auch, dass ich später für Krusip eine eigene kostenlose Internetseite, auf der man sich über die Organisation informieren kann, erstellte: krusip-group.webs.com. Kurz vor Abschluss meines Praktikums fand auch das erste richtige Mitgliedertreffen statt, bei dem über die Ziele und zukünftige Aktivitäten diskutiert wurde. Mein Beitrag beim Treffen war eine Präsentation über Solarlampen, die ebenfalls zum festen Projektbestandteil von Krusip werden sollen. Ich überreichte dort zehn Solarlampen von Ecofinder an ein Mitglied zum Weitervermieten.

Am Ende des Praktikums merkte ich, wie sehr mich diese intensive Zeit und das Leben bei den so sympathischen und gastfreundlichen Brüdern geprägt hatten. Nie zuvor hatte ich in meinem Leben so einfach gelebt. Wir tranken und wuschen uns nur mit Regenwasser, teilten uns ein Plumpsklo als einzige Sanitäranlage und kochten unser Essen mit Feuerholz. Die Zeit ging schnell rum, und ich war dankbar, selbst erlebt zu haben, wie man auch in einfachen Verhältnissen recht gut leben kann. Genau das ist eines der wertvollsten Dinge, die ich in Ostafrika gelernt und gesehen habe: mit wenig glücklich sein. Das stellt für mich den Konsumwahn in den großen Industriestaaten infrage, wo man scheinbar immer mehr und stets das Neueste haben muss und dabei trotzdem nicht wirklich glücklicher wird.

Doch dabei ist das "Wenige", um glücklich zu sein, nur Gesundheit mit der Voraussetzung, eine Unterkunft, Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln zu haben. Ein menschliches Umfeld gehört auch dazu. Leider sind diese wenigen Bedingungen nicht für alle Menschen auf der Welt zugänglich, viele müssen deshalb leiden. Die meisten Menschen in Kenia sind "Arme". Aber einige von denen müssen nicht leiden, weil sie das "Wenige" zum Glücklichsein haben. Ich will damit nicht sagen, dass Entwicklungsländer wie Kenia nicht einen höheren Lebensstandard erreichen sollten und sich weiterentwickeln müssen. Ich will lediglich ausdrücken, dass man in Deutschland davon bewusst lernen sollte und im höchsten Maße zufrieden sein sollte, auf welchem hohen Niveau wir leben. Und dass wir mit mehr Bescheidenheit und Solidarität glücklicher und zufriedener werden können, anstatt immer daran zu denken, was man noch alles braucht, um das eigene Glück erreichen.

 Erasto und Kenneth auf dem Erdnussfeld beim Unkraut-Jäten. Fotos: Kawerau

Erasto und Kenneth auf dem Erdnussfeld beim Unkraut-Jäten. Fotos: Kawerau

Zum Thema:

auf einen blickIn meinem Blog nicolaskisumu.wordpress.com veröffentliche ich alle Folgen der "Post aus Kenia". Außerdem besteht die Möglichkeit, für mein Freiwilligenjahr zu spenden. "Weltwärts" ist ein staatliches Freiwilligenprogramm in Entwicklungsländern und wird somit zu 75 Prozent vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe finanziert. Die restlichen 25 Prozent müssen die Entsendeorganisationen aufbringen.In meinem Fall ist das die "Artefact gGmbH". Spendenkonto: Artefact gGmbH, Kontonummer 186 075 305, Nord-Ostsee Sparkasse, Bankleitzahl 217 500 00, Verwendungszweck: Ecofinder 2. red

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