Neue Serie: Rostwurstbuden im Saarland Auf der Suche nach einem „Gammler“
Die Rostwurstbude weckt bei fast jedem Saarländer Kindheitserinnerungen. Wie sieht dieser Ort der schnellen Nahrungsaufnahme heute aus und was sagt das über unsere Alltagskultur? Unsere fünfteilige Foto-Serie zeigt 50 Buden aus dem ganzen Saarland.
Imbissbuden mögen nicht der Ort des übertrieben gesunden Essens sein – aber wie erbsenzählerisch veranlagt muss man sein, um angesichts frisch frittierter, goldgelber Pommes über deren Fettanteil nachzugrübeln? Die Buden sind ein Ort der rustikalen Magie und Grund einer persönlichen Glaubensfrage: die Wurst in Rot oder Weiß – also eine „Weißi“? Oder liebe eine „gudde Rodi“? Zugleich sind Imbissbuden eine Heimat auf Zeit, vielleicht ja nur für ein paar Minuten, ein Ort der Rast und der inneren Einkehr – am Tischchen mit dem Plastiküberzug oder an der Theke scheint die Zeit stillzustehen, inmitten des ganzen städtischen (oder auch ländlichen Gewusels).
Wie eine ordentliche Portion Salz zu Fritten gehört, so gehört zu den Buden die falsche Verwendung des Apostrophs: Das fiktive Beispiel „Mannis Wurstpalast“ etwa wäre grammatikalisch korrekt; in der Realität stünde aber sicher „Manni’s Wurstpalast“ auf dem Imbiss-Schild. Für eine richtige Bude braucht es den falsche Apostrophen. Und den richtigen Betreiber mit Herz für die Kundschaft: Im Saarbrücker Traditionsbetrieb Diskonto-Schenke bestellte ich einst eine Currywurst, natürlich eine rote, und bekam ohne Aufpreis (oder Bitte darum) eine doppelte Portion: Denn der rührige Imbissmeister befand, dass die Stücke der ersten Wurst auf dem Teller „etwas mickrig“ aussähen. Deshalb wanderte eine zweite Wurst in den Häcksler und auf den Teller. „So, jetzt sieht‘s gudd aus.“ Und so war es auch.
Gut auch, dass Imbissbuden keine Ketten sind, bei deren verschiedenen Filialen alles gleich schmeckt. Die inhabergeführten Buden sind kulinarische Individualisten – bei den Speisekarten mag es nicht immer große Unterschiede geben, aber der lukullische Teufel steckt im Detail der Zubereitung. Zum Beispiel in der Befeuerung der Würste per Holzkohle, wie es in der landesweit bekannten Bude „Zum Schleppi“ in St. Ingbert geschieht. Keine Imbissbude ist eben wie die andere.
Das gilt auch für die Optik, wie die Bilder unseres Art-Directors Robby Lorenz zeigen. In seinen Fahrten übers Land hat er schier unendliche Variationen gefunden, was Lage, Architektur und Namensgebung angeht: vom präzise betitelten „Imbiss Hühnerfeld“ über den blumigen „Schlemmergarten“ und die rustikale „Wurschdbud“ hin zu „Hanne’s Imbiss“ (nur echt, wie gesagt, mit falschem Apostroph) und zu „Flinke Pfanne“, was ein bisschen nach den 1960ern klingt. Ein besonders aromatisches Titel-Wortspiel bietet eine Imbissbude namens „Marie Curry“ – hier treffen sich „Weisi“, „Rodi“ und eine Nobelpreisträgerin, die die Radioaktivität erforscht hat.
Auch die Orte der meist festen Buden (nur manche haben noch Räder) sind unterschiedlich: oft Parkplätze in der Nähe von Bau- oder Elektronikmärkten, manchmal an Land- oder Dorfstraßen, bisweilen aber sogar vor grüner Naturkulisse oder auch vor der mausgrau verschalten Fassade einer Sparkasse.
Wunderwerke einer eigenwilligen Architektur sind diese Buden ohnehin: Mal ist der Imbiss ein umfunktionierter Baucontainer, mal ein kleine Hütte mit Gartenhausflair, mal eine metallene „Grillstation“ in Tonnenform, mal ein Holzhäuschen mit Oktoberfest-Gefühl. Hier ist alles möglich – von dezenter Tristesse bis zu Schnellimbiss-Gemütlichkeit. Und eines macht die meisten der Buden zu typisch saarländischen Gesamtkunstwerken: der Hang der Betreiber zum An- und Umbauen, zum Knaupen eben. Da ringen manchmal Farbe, Stile und Materialien mit sich; und bisweilen wird sogar ein Auto mit Wohnmobil-Anmutung zum Zentrum des Ganzen, links und rechts umschlossen von einem Zelt und einem Anbau. Hauptsache wetterfest. Denkmale des saarländisch knaupenden Gestaltungswillens sind das – ein Stück Heimat eben. Über die Jahre sind sie weniger geworden, denn die Fast-Food-Konkurrenz ist stark. Aber sie halten sich – mögen sie noch lange frittieren, braten, brutzeln, grillen – und einfach da sein.
Wir zeigen in dieser Serie Imbissbuden; keine Imbisse, die in festen Häusern zu finden sind. Und selbstverständlich, unsere Aufzählung kann und will nicht vollständig sein. Wenn wir Ihren Lieblingsimbiss übersehen haben, schreiben Sie uns eine Email unter rostwurstbude@sz-sb.de. Vergessen Sie dabei bitte nicht zu erwähnen, warum das Ihr Lieblingsimbiss ist.