Neue Schau in der Stadtgalerie Saarbrücken Bilder des Feminismus

Saarbrücken · Die Stadtgalerie Saarbrücken zeigt „Starke Stücke – Feminismen und Geographien“. Das sind ebenso provokative wie plakative Arbeiten.

 „Consumer Art“ von Natalia LL aus dem Jahr 1972.

„Consumer Art“ von Natalia LL aus dem Jahr 1972.

Foto: Natalia LL, Collection 49 Nord 6 Est Frac Lorraine Metz/Foto: Rémi Villaggi

„Nur keine Angst vor feministischer Kunst!“ lehrt uns die Saarbrücker Stadtgalerie. Nach der Ausstellung „In The Cut“ über den erotischen Blick von Künstlerinnen auf den Männerkörper, die auf sensationelle Resonanz stieß, legt Stadtgalerie-Direktorin und Kuratorin Andrea Jahn jetzt nach. „Starke Stücke“, Untertitel: Feminismen und Geographien, präsentiert auf allen Etagen Arbeiten von 23 Künstlerinnen, darunter nicht nur europäische, sondern auch aus Mexiko, Australien, afrikanischen Ländern.

Denn auch den Eurozentrismus in der Kunst will die Schau aushebeln und damit auf einen erfreulichen Trend hinweisen: Etliche der vorgestellten Künstlerinnen, wie Nigeriarnerin Otobong Nkanga, feiert man inzwischen auf der Venedig-Biennale. Folgt man dem ersten Zuspruch – rund 30 Frauen und Männer strömten am Mittwoch zur ersten öffentlichen Führung mit der Direktorin –, so wird wie „In the Cut“ auch diese Schau ein voller Erfolg. Zu Recht. „Starke Stücke“ zeigt Arbeiten aus den 1970er Jahren bis heute, von denen sich selbst die ältesten ihr provokatives Potenzial erhalten haben.

So gut wie keine der Künstlerinnen, allen voran die weltberühmte Performerin Marina Abramovic, konnte man bisher in Saarbrücken sehen, dafür musste man schon zum FRAC Lorraine nach Metz fahren. Von diesem regionalen Kunstfonds, der renommiert ist für seine Sammlungsschwerpunkte nicht-materieller Werke wie Performance-Notationen und Videos von Frauen, stammen nämlich alle Exponate. Andrea Jahn konnte als Kuratorin quasi aus dem Vollen schöpfen – und hat gut gewählt und kombiniert.

Neben Rauminstallationen, Zeichnungen, Collagen, Fotografien und -Serien bieten die „Starken Stücke“ vor allem Video-Arbeiten. Über ein Dutzend sind es, die von wenigen Minuten bis zu einer halben Stunde dauern.

Deshalb, so der Tipp, sollte man diesmal viel Zeit mitbringen. Die meisten Besucher, sagt die Aufsichts-Frau, kommen zweimal, weil sie beim ersten Besuch nicht alles schaffen. Klassiker wie Performance-Videos von Ambramovic und Sigalit Landau zeigen, wie Frauen einst künstlerische Grenzen überschritten, indem sie ihren eigenen Körper ins Spiel brachten, ihn Schmerzen aussetzten – und damit auch politische Aussagen machten. Die Israelin Landau, die am Strand von Tel Aviv einen Stacheldraht-Hula-Reifen um ihren blanken Bauch kreisen lässt, verweist zugleich auf religiöse Geißelungspraktiken wie auf das Leiden am israelisch-palästinensischen Konflikt. Als nehme sie Landaus Faden auf, betet im nächsten Raum die Südafrikanerin Tracey Rose als nackte Schamanin die Namen ermorderter Kämpfer für die Gleichheit der Menschen und gegen Rassendiskriminierung von Rosa Luxemburg bis Martin Luther King herunter. Gleichzeitig will Rose mit dem Zurschaustellen ihres eigenen Körpers an die Südafrikanerin Saartje Baartman erinnern, die im kolonialen 19. Jahrhundert nach Europa verschleppt und als „Schwarze Venus“ auf Freak-Shows vorgeführt wurde. Das erfährt man aus dem Text-Schild zu Roses „The Black Paintings: Dead White Man“.

Nicht immer sind die Exponate, zumal in ihren vielfältigen Dimensionen, leicht erschließbar. Vorbildlich daher, dass Jahn zu den Exponaten in deutsch-französischen Text-Schildern in den Ansatz und Werkkosmos der jeweiligen Künstlerin einführt.

Mit dem männlichen, sexistisch- einengenden Blick auf dem weiblichen Körper setzen sich eine ganze Reihe von Arbeiten auseinander. Während die Spanierin Esther Ferrer in ihrer Fotoserie „Intime et personnel“ mit den Maßband-Vermessungen ihres Körpers auf Übergriffe im Franco-Faschismus abhebt, aber auch an Schlachtvieh und heutige Supermodels denken lässt, geht es die Polin Natalia LL mit ihrem Model, das sie bewusst aufreizende pseudo-naive Bananenlutsch-Posen einnehmen lässt, spielerischer, aber nicht weniger ernst gemeint an.

Einige Künstlerinnen gehen sogar extrem lustvoll plakativ zu Werke, um sich am Patriarchat abzuarbeiten. So schneidet die indigene Australierin Tracey Moffat in einem Video alle Hollywood-Klischees vom Mann als Künstler (und der Frau als Muse) zusammen. Christina Lucas liebt‘s noch brachialer und haut mit einem Vorschlaghammer Stück für Stück eine Gipskopie von Michelangelos Moses-Skulptur zu Brei. Dafür braucht sie ganz schön lange.

 Ein  Videostill aus „Normal Work“ von Pauline Boudry und Renate Lorenz, entstanden 2007.

Ein Videostill aus „Normal Work“ von Pauline Boudry und Renate Lorenz, entstanden 2007.

Foto: Boudry/Lorenz, Collection 49 Nord 6 Est Frac Lorraine Metz/Aurélien Mole

Die Schau „Starke Stücke“ läuft bis zum 8. September. Dienstag bis Freitag, 12 bis 18 Uhr; Samstag, Sonntag, Feiertage: 11 bis 18 Uhr. Nächste Führung: 19. Juni, 17 Uhr. http://www.stadtgalerie.de

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