Heiko Maas Neubeginn in Berlin, Abschied aus der Saar-Politik

SAARLOUIS · Nach 17 Jahren an der Spitze der Landes-SPD, der Wiege seiner Karriere, übergibt der künftige Bundesaußenminister Maas am Wochenende seinen Chef-Posten.

 2009 verhandelten SPD-Chef Maas und sein früherer Förderer, Linken-Chef Oskar Lafontaine, über eine rot-rot-grüne Landesregierung. Aber das Projekt scheiterte.

2009 verhandelten SPD-Chef Maas und sein früherer Förderer, Linken-Chef Oskar Lafontaine, über eine rot-rot-grüne Landesregierung. Aber das Projekt scheiterte.

Foto: dpa/A9999 Oliver Dietze

Im Kreis Saarlouis, wo die politische Karriere von Heiko Maas in den frühen 1990ern begann, erwartet den Bundesjustizminister heute Abend ein großer Bahnhof. Im Dillinger Lokschuppen werden die Delegierten des SPD-Landesparteitags den künftigen Außenminister frenetisch feiern. Der Neubeginn ist für den 51-Jährigen zugleich ein Abschied, denn nach gut 17 Jahren gibt Maas am Wochenende den SPD-Landesvorsitz an Wirtschaftsministerin Anke Rehlinger ab. Maas war dann länger Parteichef als seine Vorgänger – mit Ausnahme von Oskar Lafontaine.

Jener Lafontaine förderte den Aufstieg des Mannes aus Schwalbach-Elm in den 90ern. Schon mit 28 Jahren saß Maas, der aus einfachen Verhältnissen kommt und in der katholischen Jugend sozialisiert wurde, im Landtag. Zwei Jahre später machte Lafontaine ihn zum Umwelt-Staatssekretär, nur wenige Tage nachdem Maas die mündliche Prüfung fürs Zweite Juristische Staats­examen bestanden hatte. Lafontaine gefiel wohl auch, dass Maas sich als Juso-Landeschef etwas traute. So dachte Maas 1995 öffentlich über eine Zukunft ohne den großen Vorsitzenden nach. Mit 32 Jahren war der „Milchbubi“, wie die CDU ihn ab und an nannte, Umweltminister im Land, mit 33 SPD-Fraktionschef, mit 34 Landesvorsitzender. Eine Karriere wie aus dem Bilderbuch.

Doch der Aufstieg kam jäh ins Stocken. Die Umbrüche des Parteiensystems, verursacht durch die Agenda-Politik im Bund, trafen auch die Saar-SPD mit Wucht. Seit 2000 hat sie die Hälfte ihrer Mitglieder verloren, und gerade im Saarland umwirbt die Linke mit Erfolg ehemals sozialdemokratische Wähler. Maas aber verhinderte, dass reihenweise prominente Genossen zu den Linken überliefen. Wie kaum ein anderer SPD-Landeschef bemühte er sich damals auch um ein gutes Verhältnis zu den Gewerkschaften, beklagte in der Agenda-Diskussion, „dass das Gespür für soziale Gerechtigkeit und die Balance der Reformen in der Partei völlig verloren gegangen ist“.

Die bundesweite Stimmungslage verhagelte Maas die erste Spitzenkandidatur bei einer Landtagswahl im Jahr 2004. Zu allem Überfluss kündigte Lafontaine, damals Wahlhelfer der Agenda-kritischen Saar-SPD, kurz vor der Wahl an, eine neue Linkspartei zu unterstützen. „Lafontaine hat ihn gefördert, aber später hat Maas unter ihm gelitten“, sagt einer, der Maas seit Jahrzehnten nahesteht. Für Maas war die Wahl 2004 der Beginn einer Serie von Niederlagen und Rückschlägen.

Doch der SPD-Landeschef gab nicht auf, wurde zum „Stehauf-Männchen“ der Landespolitik. Drei Mal war er sogar knapp davor, Ministerpräsident zu werden. Nach der Landtagswahl 2009, bei der die SPD das schlechteste Ergebnis seit 1955 holte, setzte Maas voll auf die rechnerische Mehrheit für ein rot-rot-grünes Bündnis. Er war sich seiner Sache anfangs dermaßen sicher, dass er Peter Müllers Angebot, eine große Koalition zu sondieren, in einem Vier-Augen-Gespräch ausschlug. Als sich die Grünen schließlich für Jamaika entschieden, machte Maas, der ansonsten stets sehr beherrscht auftritt, aus seiner Niedergeschlagenheit keinen Hehl. „Ich bin auch nur ein Mensch und keine Maschine“, sagte er in den bitteren Stunden seines Scheiterns damals.

In den Wahlkämpfen gegen seinen Dauer-Kontrahenten Peter Müller, CDU-Regierungschef von 1999 bis 2011, hatte Maas es nicht immer leicht. Müller war ein Volkstribun, der an Bierständen Runden schmiss und immer einen Kalauer parat hatte. Maas hingegen wirkte immer etwas distanziert; selbst die eigenen Leute sagen über ihn, er sei nunmal kein Kumpeltyp. Im direkten Gespräch aber ist Maas empathisch, und wenn es um die politischen Zustände (auch die Situation der eigenen Partei) geht, kann er schonungslos analysieren wie sonst nur wenige in der Landespolitik.

Maas hatte nach 2009 weitere Chancen, in die Staatskanzlei einzuziehen. Am 10. August 2011, als der Landtag Annegret Kramp-Karrenbauer zur neuen Ministerpräsidentin wählen sollte, entschied sich Maas, gegen sie anzutreten. Er hatte die vertrauliche Zusage von mindestens zwei Jamaika-Abgeordneten, ihn zu wählen – das hätte gereicht. Doch im zweiten Wahlgang gab es eine hauchdünne Mehrheit für „AKK“. Der damalige CDU-Fraktionschef Klaus Meiser erinnerte sich später, Maas und die anderen SPD-Abgeordneten hätten morgens vor der Abstimmung so siegessicher gelächelt, dass man bei der Verkündung des Ergebnisses in ihren Gesichtern die Enttäuschung gesehen habe.

 2012 gaben SPD-Chef Maas und die damalige Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Neuwahlen bekannt. Es kam zur großen Koalition.

2012 gaben SPD-Chef Maas und die damalige Regierungschefin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) Neuwahlen bekannt. Es kam zur großen Koalition.

Foto: dpa/Becker & Bredel

Maas konnte mit der neuen Regierungschefin aber recht gut, so dass sich die Fronten im Parlament auflockerten. Im Herbst 2011 reifte in der CDU-Spitze die Einsicht, dass es mit Jamaika nicht weitergehen kann, man suchte den Kontakt zu Maas, der sich darauf einließ. Als Kramp-Karrenbauer Jamaika platzen ließ, wäre Maas gerne ohne Neuwahlen in eine große Koalition gegangen, weil er das Risiko erkannte, das auch eintrat: Die guten Umfragen für die SPD bewahrheiten sich nicht, die Partei wurde nur die Nummer zwei. Bei der Neuwahl 2012 schloss er ein Bündnis mit der Linken aus, sah mit seinem einstigen Förderer Lafontaine keine Chance, die Sparvorgaben einzuhalten. Obgleich Maas in einem rot-roten Bündnis hätte Ministerpräsident werden können, hielt er Wort und schloss eine Koalition mit der CDU. Nach gut einem Jahr als Wirtschaftsminister ereilte ihn 2013 der Ruf des damaligen SPD-Chefs Sigmar Gabriel nach Berlin. Nun lässt er die Landespolitik endgültig hinter sich – und wird Außenminister.

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