Neu im Kino „Prélude“ – das System der Herabsetzung

Saarbrücken · Der Kinofilm „Prélude“ widmet sich, zwischen Charakterstudie und Thriller, den Leiden eines jungen Pianisten: Der Film startet am Donnerstag im Saarbrücker Filmhaus.

 Musik-Professorin Matussek (Ursina Lardi) und Louis Hofmann als ihr Schüler David: Der sensible junge Mann hat bei ihr einiges durchzustehen.

Musik-Professorin Matussek (Ursina Lardi) und Louis Hofmann als ihr Schüler David: Der sensible junge Mann hat bei ihr einiges durchzustehen.

Foto: dpa/-

Der junge Pianist David Berger wähnt das Vorspiel seines Lebens hinter sich. Ein renommiertes Konservatorium hat ihn als Schüler angenommen und David beginnt das erste Jahr mit hohen Erwartungen: Den Glauben an seine Begabung hat er tief verinnerlicht, und an Ambition will er es auch nicht fehlen lassen, sodass er seine neue Klavierlehrerin gleich bei der ersten Begegnung mit dem Ausmaß seines Könnens und seiner Spielbereitschaft zu beeindrucken versucht.

Die sphinxhafte Professorin Matussek registriert seinen Eifer wohlwollend, setzt ihm jedoch sofort höhere Ziele vor – ob er denn etwa die Noten brauche, will sie schon beim ersten Gespräch von David wissen. In den folgenden Stunden etabliert sie in dem Proberaum mit den einschüchternd hohen Wänden eine Hierarchie, die den Schüler weiter zurückstutzt: An ihrem Flügel habe David nichts zu suchen, lässt sie unmissverständlich durchblicken, seine Spielweise kommentiert sie mit routinierter Abwertung und hat für das Zucken der Demütigung in Davids Gesicht keinen Hauch des Mitgefühls übrig.

Die Regiedebütantin Sabrina Sarabi zeigt in „Prélude“ das System der Herabsetzungen als pädagogisches Grundprinzip an der Musikhochschule: Weder versteht sich Professorin Matussek als einzige auf diese Methode, noch ist David das alleinige Opfer. Tatsächlich erlebt er bei Klassenvorspielen sowohl, wie er vor allen Zuhörern niedergemacht wird, als auch die kurzzeitig belebende Erfahrung, den anderen Klavierschülern vorführen zu dürfen, wie eine Passage besser gespielt wird. Der Preis für den Durchbruch als Musiker, das wird ihm gewaltsam eingetrichtert, sind Konkurrenzdenken, Selbstaufgabe und Üben bis zur körperlichen Erschöpfung.

Zugleich aber etabliert Sarabi auch von Anfang an ihre Hauptfigur als labilen Charakter. Der Leistungsdruck, dem David ausgesetzt ist, dem er sich aber aus Ehrgeiz auch freiwillig verschreibt, bewirkt vor allem extreme psychische Empfindlichkeit. Davids überforderte Wahrnehmung teilt der Film unmittelbar über eine ausgefeilte Tonspur mit, in der „Störfaktoren“ von außen – Tischtennisschläge auf einer Platte vor Davids Wohnheim, Wasserrauschen, alle möglichen Arten des Knackens, Krachens und Klopfens – immer mehr mit musiknahen Geräuschen wie dem gleichförmigen Ticken des Metronoms, penetrantem Fingerschnalzen und einer ewig wiederholten Tonfolge zusammentreffen.

Louis Hofmann lässt sich mit einer Kompromisslosigkeit in diese fordernde Rolle fallen, die Davids verzerrte Realitätssicht intensiv umsetzt und seine körperlichen Qualen schmerzhaft spürbar macht. Sabrina Sarabi belässt es allerdings nicht dabei, sondern schlägt einen Weg ein, der ihren Film mehr in Richtung von Darren Aronofskys „Black Swan“ treibt: David wittert überall Konkurrenz, insbesondere in dem gelassenen Walter. Zwar spannt er diesem erst die Freundin aus, durch deren widersprüchliches Verhalten zwischen Offensivität und Entzug leidet seine Konzentration aber erst recht.

Sarabi streut immer weitere Hinweise ein, dass die Wahrnehmung von David noch stärker gestört sein könnte und lässt ihn eine Reihe unerklärlicher Erfahrungen machen, die Zweifel wecken, wie real die wenigen um ihn herum drapierten Figuren eigentlich sind.

Indem „Prélude“ in der zweiten Hälfte immer mehr in einen Thriller umkippt, treten aber auch die erzählerischen Grenzen des Films deutlich hervor: Die ewig wiederkehrenden Toneffekte enthüllen auch einen Mangel an neuen Einfällen, Davids paranoide und selbst verletzende Ausfälle nutzen sich mit der Zeit ebenfalls ab und werden auch eher konventionell bebildert. Zudem mildert der nun geheimnisvoll wabernde Tonfall die eindrückliche Kritik an den harten Ausscheidungsstrukturen der Musiker-Elite ab, indem Davids Erlebnisse nun sämtlich unter den Verdacht der Einbildung geraten.

„Prélude“ läuft ab Donnerstag im Saarbrücker Filmhaus. Weitere Termine und Kritiken in unserer Beilage treff.region.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort