Förderung in Millionenhöhe Ehemalige Sendehalle von Europe 1 in Überherrn hat jetzt eine Zukunft

Überherrn · Die spektakuläre Sendehalle Europe 1 auf dem Saargau hat dank einer Finanzspritze aus Berlin nun eine Zukunft als „Begegnungsstätte“. Doch eine rein kulturelle Nutzung schließt die Bürgermeisterin aus – und sucht Investoren.

 Die Gemeinde Überherrn hat die Sendehalle von Radio Europe 1 im Jahr 2016 erworben. Über das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ hat die Gemeinde Förder­ gelder erhalten, um Sanierung und Umnutzung der Sendehalle zu ermöglichen.

Die Gemeinde Überherrn hat die Sendehalle von Radio Europe 1 im Jahr 2016 erworben. Über das Bundesprogramm „Nationale Projekte des Städtebaus“ hat die Gemeinde Förder­ gelder erhalten, um Sanierung und Umnutzung der Sendehalle zu ermöglichen.

Foto: Ruppenthal

Wenn es im Saarland Bundesfördergeld für die Kultur regnet, kommen die Pressemitteilungen dazu nicht selten aus dem Büro eines saarländischen Bundestagsabgeordneten. So passiert unter anderem, als Alexander Funk (CDU) als Mitglied des Haushaltsausschusses einen Millionen-Segen für das Völklinger Weltkulturerbe oder den Weiterbau des Vierten Pavillons der Saarbrücker Modernen Galerie bekannt gab. Jetzt ist es der Saarlouiser Bundestagsabgeordnete und Ex-Bundesminister Heiko Maas (SPD) als Mitglied im Berliner Wohn- und Bauausschuss, der bekannt gibt, dass die Umnutzung des unter Denkmalschutz stehenden ehemaligen Senders Europe 1 in Berus/Überherrn mit 1, 8 Millionen Euro bezuschusst wird. Das sind 90 Prozent der Gesamtsumme, an der die Gemeinde nur mit zehn Prozent beteiligt ist.

„Nationale Projekte des Städtebaus“

Zusammen mit 17 weiteren Projekten hat es Europe 1 unter die „Nationalen Projekte des Städtebaus 2022“ geschafft, wie zuvor schon, 2020, der Rechtsschutzsaal in Friedrichsthal und die Saarbrücker Innenstadt-Maßnahme „Barock trifft Moderne“ (2015). Eine Expertenjury unter „maßgeblicher Beteiligung“ der SPD-Bundestagsfraktion wählt die Projekte aus, so steht es in einer Pressemitteilung des SPD-geführten Bundesbauministeriums. Bundesweit fließen diese Mal 75 Millionen Euro, unter anderem in ein Optisches Museum in Jena oder einen „Ort der Demokratie“ in Hanau. Dies seien alles „Premiumprojekte der Baukultur“, so Maas in seiner Presseerklärung aus Berlin, zu denen nun auch „unsere Sendehalle in Überherrn“ zähle. Dort könnten nun Sanierungsmaßnahmen laufen: „Einer zukünftigen Nutzung als Begegnungsstätte steht damit nichts mehr im Weg“, so Maas

Europäische Begegnungsstätte

 Die „Gläserne Jakobsmuschel“ steht auf dem Saargau und beherbergte ein Privatradio. Wie kann man den spektakulären Bau weiter nutzen?

Die „Gläserne Jakobsmuschel“ steht auf dem Saargau und beherbergte ein Privatradio. Wie kann man den spektakulären Bau weiter nutzen?

Foto: Alfred Schmitt

In einer Pressemitteilung der Gemeinde Überherrn wird es sogar noch konkreter: Europe 1 soll zu einem „deutsch-französischen Kultur-, Medien-, Kompetenz-Zentrum im Herzen Europas“ entwickelt werden. Diese Festlegung verblüfft, denn bislang war die Umnutzung ungeklärt. Es hieß, die Gemeinde wolle mit dem Förderantrag beim Berliner Bauministerium überhaupt erst mal Gelder für einen Ideenwettbewerb generieren. Dies sei auch genau so, erklärt dazu Bürgermeisterin Anne Yliniva-Hoffmann auf SZ-Nachfrage. Die 1,8 Millionen würden zum einen in Baumaßnahmen, unter anderem für das Dach, fließen, zum anderen werde ein offener Ideenwettbewerb finanziert. Das Nutzungs-Konzept einer europäischen – und zugleich auch durch die EU finanzierten – Kultur-Stätte diene lediglich als grobe Leitlinie.

Überherrn sucht Investoren

Diese Idee stammt aus einer ersten Machbarkeitsstudie von 2017 – als eine Idealvorstellung. Doch Yliniva-Hoffmann ist Realistin, die weiß, dass sich schon die Kosten für Heizen und Klimatisieren in der Halle „in Sphären bewegen werden, die die Gemeinde allein niemals wird stemmen können“. Sie sagt: „Wir werden schwerlich ausschließlich eine Nutzung installieren können, die dauerhaft nur Defizite produziert. Wir müssen für die Halle eine Grundauslastung finden, die wirtschaftlich ist.“ Sprich: In der Wettbewerbsausschreibung würden „Wirtschaftlichkeits-Erwägungen“ eine Rolle spielen; man denke bei den Interessenten „eher an Investoren“.

Bewerber für kulturelle Zwecke gebe es bereits jetzt „en masse“, weshalb der Ort derzeit auch fleißig bespielt werde. Daran wolle die Gemeinde weiterhin festhalten, weshalb Yliniva-Hoffmann ausschließt, dass man sich gänzlich aus dem Projekt zurückziehe. Das geht im Prinzip erst jetzt an den Start für eine professionelle Weiterentwicklung. „Ohne die Gelder aus dem Berliner Programm „Nationale Projekte des Städtebaus“ wäre das unmöglich“, so Yliniva-Hoffmann.

Das „Gillodrom“

Das Projekt Europe 1 hat sie 2019 von ihrem Amts-Vorgänger Bernd Gillo (CDU) übernommen, der nicht nur den Kauf des Gebäudes durch die Gemeinde durchsetzte – für 120 000 Euro, an denen sich das Land auch noch zur Hälfte beteiligte. Nein, Gillo verschaffte der verlassenen und vergessenen „Kathedrale der Wellen“ im deutsch-französischen Niemandsland auf dem Saargau Schritt für Schritt auch landesweit Aufmerksamkeit. Zeitweise firmierte sie unter dem Begriff „Gillodrom“.

Zweifellos handelt es sich um einen besonderen Bau, eine ingenieurtechnische Meisterleistung: mehr als 2500 Quadratmeter ohne jede Stütze, gehalten von gläsernen Wänden, darüber schwebend, über 80 Meter gespannt, eine zentimeterdünne Beton-Schale als Decke. Die Sendehalle Europe 1 hat sich neben dem Saarbrücker Pingusson-Bau als zweites herausragendes Beispiel für die französische Nachkriegs-Moderne an der Saar positioniert. Der Pingusson-bau gilt bereits als marode, für beide Denkmäler fallen auch ohne Nutzung hohe Unterhaltungskosten an. Ihre Existenz sichern dauerhaft nur ökonomisch sinnvolle Vermietungskonzepte – doch die sind schwerer zu finden als Fördertöpfe in Berlin.

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