„Musette“ macht Schüler nicht an

Saarbrücken · Liedermacher Christophe Bourdoiseau und seine Band spielten am Montag im Ludwigsgymnasium schön arrangierte traditionelle Chansons mit poetischen Texten. Aber nur wenige Schüler lauschten aufmerksam.

 Violinist Gennadij Desatnik, Alexander Franz und Christophe Bourdoiseau (von links) beim Chanson-Konzert im Ludwigsgymnasium. Foto: Becker&Bredel

Violinist Gennadij Desatnik, Alexander Franz und Christophe Bourdoiseau (von links) beim Chanson-Konzert im Ludwigsgymnasium. Foto: Becker&Bredel

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"Mist. Jetzt ist die Tür zu. Jetzt kann ich nicht mehr raus", seufzt eine Schülerin. Die junge Dame hat wenig Lust auf ein vormittägliches Chanson-Konzert. Vielen ihrer Klassenkameraden scheint es ähnlich zu gehen: Es wird debattiert, ob man bei dem schönen Wetter nicht lieber schwänzen solle. Einige tragen eine verbiesterte Miene zur Schau, die deutlich zeigt, dass sie nicht freiwillig hier sind. Andere beschäftigen sich ausführlich mit ihren Smartphones, die sie vor den Augen des Lehrkörpers unter Taschen und Kleidern verbergen. Ein Mädchen liest lieber Harry Potter, und einige vorlaute Jungs machen sich einen Jux daraus, nach jedem Lied wie wild zu applaudieren, obwohl sie die ganze Zeit nur am Quatschen sind. Die wenigsten hören aufmerksam zu oder wippen gar mal mit. Und nach der Konzert-Pause haben sich die Reihen in der Aula des Ludwigsgymnasiums tatsächlich gelichtet.

Nein, der französische Liedermacher Christophe Bourdoiseau und seine dreiköpfige Begleitband haben am Montag keinen allzu leichten Stand beim Auftaktkonzert der diesjährigen Ausgabe der Reihe "Chanson à l'école - Chanson in der Schule". Die traditionsreiche Veranstaltung läuft seit 25 Jahren; früher war sie beim Kulturamt angesiedelt, heute wird sie vom Ministerium für Bildung und Kultur veranstaltet und vom Landesinstitut für Pädagogik und Medien (LPM) organisiert. Absicht des Projekts ist es, das Chanson als lebendigen Bestandteil der französischen Kultur in den Französisch- und Musikunterricht zu integrieren. Dafür sollen optimalerweise die Chansons der jeweils eingeladenen französischen Musiker in der Schule vorbereitet werden. Gebrieft sind hier jedoch offenbar die wenigsten, wie eine Nachfrage bei den Schülern ergibt: Die Jugendlichen rechnen eher mit einer Nachbereitung oder sind mit einem Referat über den Künstler beauftragt. Höhepunkt des Projekts ist ein Konzert vor Ort in den Schulen, die das Angebot gebucht haben - in diesem Jahr sind das außer dem Saarbrücker Ludwigsgymnasium das Marie-Luise-Kaschnitz-Gymnasium in Völklingen und das Neunkircher Gymnasium am Steinwald.

Keine Sprachbarriere

Interaktion? Austausch? Ein Gespräch wird von dem leider wenig offensiven Bourdoiseau gar nicht erst angeboten, was definitiv nicht an einer Sprachbarriere liegen kann: Bourdoiseau lebt seit 1994 in Berlin und moderiert in fließendem Deutsch. Viele seiner Lieder spiegeln das Leben in der Hauptstadt: Bourdoiseau singt von seinem Kiez Prenzlauer Berg, von Kreuzberg, Cafés und Kneipenbesuchern, aber auch von Einwanderern, Pariser Vorstädten und dem Gefühl der Heimatlosigkeit. Klassisches Textchanson, das einen mit beschwingtem Musette-Flair und Akkordeon, Geige, Gitarre und E-Bass direkt in vergangene Zeiten zu katapultieren scheint. Sehr schön arrangierte Musik mit poetischen Texten, aber offenbar nicht abwechslungsreich genug für junge Ohren: "Ich glaube, das Problem ist, dass alles sehr ähnlich klingt", wagt ein Mädchen einen Erklärungsversuch für das Desinteresse.

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